#Gastbeitrag

So werden deutsche Startups über den Y Combinator erfolgreich

Ende 2024 wurde das Berliner Startup Leaping AI in den Y Combinator aufgenommen. Kurz darauf konnte das Team in nur fünf Tagen 4,7 Millionen US-Dollar Kapital bei Investoren einsammeln. In diesem Beitrag erklärt Gründer Kevin Wu, wie das auch andere Startups schaffen können.
So werden deutsche Startups über den Y Combinator erfolgreich
Freitag, 28. November 2025VonTeam

Der Y Combinator ist eines der begehrtesten Gründerprogramme weltweit. Startups, die in das Programm aufgenommen werden, erhalten nicht nur 500.000 US-Dollar Kapital, sondern Zugang zu einem der größten Gründer- und Investorennetzwerke der USA und einen Vertrauensvorschuss. Wir haben als Startup Ende 2024 mit Leaping AI den Schritt in die USA gewagt, wurden Teil des Programms und konnten kurz darauf in nur fünf Tagen 4,7 Millionen US-Dollar Kapital bei Investoren einsammeln, während das Team in Deutschland Monate lang vergeblich auf Termine mit C-Leveln und Investoren gewartet hat.

Unser 2023 in Berlin gegründete Unternehmen entwickelt End-to-End automatisierte KI-Voicebots für die Automatisierung von Callcentern und Kundenservice und hat nach der YC-Teilnahme in nur zwei Monaten die Marke von 1 Million Dollar des gebuchten Jahresumsatzes überschritten. In diesem Beitrag erkläre ich, wie das auch andere deutsche Startups schaffen können.

Wie der Y Combinator funktioniert

Der Y Combinator (YC) läuft in zwei Batches pro Jahr – Winter und Sommer – und nimmt jeweils rund 200 bis 250 Unternehmen auf. Das Standard-Investment beträgt 500.000 US-Dollar: 125.000 Dollar für 7 Prozent der Anteile sowie zusätzlich 375.000 Dollar über ein uncapped SAFE mit Most-Favored-Nation-Klausel. Auch, wenn der Fokus klar auf Tech-Startups liegt, hat YC in der Vergangenheit gelegentlich Nonprofits aufgenommen – entscheidend ist das skalierbare Potenzial.

Die Bewerbung startet über eine Online Application mit offenen Fragen zu Team, Produkt, Markt und bisherigen Fortschritten. Dabei gibt es eine Art “YC-Sprache”: Antworten müssen extrem präzise, klar, faktenorientiert und ohne Marketingfloskeln formuliert sein. Eine Einladung zum Interview bekommt nur, wer zeigt, dass sein Team in kurzer Zeit sehr viel umsetzen kann. Wichtig: Man kann sich schon mit einer Idee bewerben, ohne Funding, ohne fertiges Produkt.

Am Ende der Bewerbungsvorbereitung lassen sich drei Faktoren als besonders entscheidend zusammenfassen:

Technische Gründerteams werden bevorzugt

YC glaubt fest daran, dass man technischen Gründerinnen und Gründern schneller Business-Know-how vermitteln kann, als jenen, die von Business-Schools und Wirtschaftsschulen kommen, technisches-Know-how. Deshalb profitieren Teams mit technischem Co-Founder deutlich. Wer keinen hat, sollte aktiv nach einem suchen. Wichtige Signale sind GitHub-Repositories mit belastbaren Referenzen oder Erfahrungen in relevanten Engineering-Positionen bei bekannten Unternehmen.

Der Grund: YC sieht jeden Batch auch als “Ideen-Pipeline”. Es gibt mehr gute Probleme als Teams, die diese lösen können. Deshalb liegt der Fokus klar auf Gründerinnen und Gründern, die in sehr kurzer Zeit funktionierende Produkte bauen können. Das macht technische Expertise zu einem der wichtigsten Auswahlkriterien.

“Based in San Francisco” enorm wichtig

Startups aus San Francisco sind statistisch gesehen erfolgreicher. YC möchte deshalb sehen, dass Teams im Herzen des Ökosystems präsent sind. Für Gründerinnen und Gründer aus Deutschland bedeutet das: “Fake it till you make it.”

Heißt: Für zwei Monate nach San Francisco gehen und sich von dort zu bewerben, erhöht die Chancen. In diesem Zeitraum sind Gründerteams praktisch im Valley ansässig. Wie geht das rechtlich? Für einen kurzen Aufenthalt genügt in der Regel das Visa Waiver Program (ESTA) oder alternativ ein B-1 Business Visa, das für Meetings, Accelerators und Networking ausgelegt ist.

Mit einem dieser Visa gelten die Teams faktisch als in San Francisco ansässig und haben zwei Szenarien vor sich: Entweder die Bewerbung scheitert und man kehrt zurück, hat aber wertvolle Kontakte gewonnen. Oder YC nimmt das Team auf, stellt Kapital bereit und unterstützt anschließend bei der Visa-Option für einen langfristigen Aufenthalt. In diesem Moment wird das “based in San Francisco” Realität.

Branchenerfahrung ist ein massiver Vorteil

YC bevorzugt Teams, die ihr Problem aus erster Hand kennen. Wer bereits in der Branche gearbeitet hat, erkennt reale Pain Points, spricht die Sprache der Kundinnen und Kunden und baut Lösungen, die tatsächlich relevant sind.

Diese Glaubwürdigkeit beeinflusst die Auswahl deutlich. Expertise erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Startup nicht nur ein interessantes Produkt, sondern ein funktionierendes Geschäftsmodell entwickeln kann.

Wenn es mit dem YC nicht klappt

Der Weg in die USA lohnt sich auch dann. Wer ohnehin vor Ort ist, sollte die Zeit nutzen, um Kontakte zu Investorinnen, Investoren, Entrepreneuren und potenziellen Partnern aufzubauen. Um Chancen zu maximieren, sollte offensiv, mit Commitment gearbeitet werden. Heißt: Signalisieren, dass man bei einem Investment in den USA bleibt und dort weiter aufbaut.

Viele Gründer reisen für YC an und bleiben für ihr Netzwerk, selbst wenn es nicht ins Programm reicht. Entscheidend ist, das Momentum zu nutzen.

Über den Autor
Kevin Wu ist Mitgründer und CEO von Leaping AI. Das Startup automatisiert Kundenservice und Callcenter mit KI-Telefonagenten. Die Speech-to-Speech-Technologie erlaubt es den Anrufenden menschenähnliche Gespräche zu führen. Ein Jahr nach der Gründung in Berlin in 2023 wurden der heute 29-Jährige und sein Team 2024 in den Y Combinator aufgenommen und bauen ihr Startup vom Silicon Valley aus auf.

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Foto (oben): Shutterstock