#Gastbeitrag

Failing Forward – Die Kunst, in die richtige Richtung zu scheitern

Ich mag es gar nicht, wenn man versucht, Fehler vor mir zu verbergen. Scheitern soll immer ein essenzieller Bestandteil unserer Unternehmenskultur sein. Ein Auszug aus dem Buch "Always hungry, never greedy" von Mawave-Gründer Jason Modemann.
Failing Forward – Die Kunst, in die richtige Richtung zu scheitern
Donnerstag, 4. Dezember 2025VonTeam

“Wer keine Fehler macht, macht einen großen Fehler.” Okay, diese Aussage von mir ist eine etwas provokative Zuspitzung. Was ich damit ausdrücken möchte: Mir ist es lieber, einfach mal zu machen, auszuprobieren, schnell Dinge umzusetzen, ins Risiko zu gehen. Auf die Gefahr hin, dass auch mal was schiefgehen kann, dass man Fehler macht. Entscheidend ist für mich, mit Fehlern ehrlich umzugehen und dazu zu stehen. Ich mag es gar nicht, wenn man versucht, Fehler vor mir zu verbergen. Scheitern soll immer ein essenzieller Bestandteil unserer Unternehmenskultur sein.

In fast jedem All-Hands-Meeting präsentiert jemand aus dem Team ganz offen, wie er oder sie mit einem Thema ordentlich gegen die Wand gefahren ist. Und ich muss sagen, es ist für das ganze Team befreiend, mit Fehlern so transparent umzugehen. Ich selbst schließe mich dabei wie immer nicht aus. Wenn ich persönlich für jeden Fehler, den ich bei Mawave gemacht habe, einen Euro auf ein Konto eingezahlt hätte, müsste ich heute sicher nicht mehr arbeiten. Ganz klar: Auch ich mache Fehler. Und ich habe kein Problem damit, das auch öffentlich zuzugeben.

An eine Story erinnere ich mich besonders: Wir waren richtig stolz, denn unser langersehnter Online-Workshop ging endlich live. Leider aber mit dem falschen Link. Über 1000 Leute im Online-Event hießen dadurch versehentlich »Jason Modemann«. Denn der freigegebene Link war mein Administrator-Link. Diese Situation hat jemand ausgenutzt, um – ebenfalls live – in meinem Namen ziemlich miese Kommentare über mich und Mawave zu posten. Denn er oder sie war in der Masse an Jasons ja anonym. Keiner konnte den echten Jason von einem der hundert anderen Fake-Jasons unterscheiden. So wurde die Situation zu einem Ventil für jemanden, der uns nicht positiv gesonnen war, um uns so richtig zu schaden. Beim etwas panischen Versuch, das Problem schnell zu lösen und den Troll von der Plattform zu werfen, haben unsere Mawavies jedoch fast alle der Teilnehmenden blockiert und das Webinar crashte komplett. Wow, kein guter Move. Mit Hilfe meines Teams gelang es zwar, einige der Teilnehmenden wieder zurückzuholen und damit den Imageschaden etwas zu begrenzen, aber natürlich war es eine richtige Blamage. Gerade wir als Digital High Performer scheiterten an der simpelsten Technik.

Gab es Geschrei und Vorwürfe? Nein. Gab es letztlich ein Schmunzeln bei den Mitarbeitenden – und auch bei mir? Ja! Denn wir waren, wenn auch auf peinliche Weise, wieder mal daran erinnert worden, dass auch uns ein Fehler passieren kann. Und gerade dort, wo er besonders wehtut. Wichtig war: Was haben wir daraus gelernt? Dass uns so ein Fehler nie wieder passieren wird – hoffentlich.

Wie ich bereits dargelegt habe, ist es mir sehr wichtig, regelmäßig transparentes Feedback von meinem Team zu bekommen. Mir hilft dabei die Frage: »Was kann ich besser machen?« Und das ist keine Floskel, wir wollen es wirklich wissen. Wir müssen es wissen, um optimal agieren zu können. Klar, es ist sicher nicht einfach, in dieser Situation ganz ehrlich seine Meinung zu sagen. Aber inzwischen weiß das Team – so hoffe ich: Wir sind zu 100 Prozent interessiert an einer ehrlichen und ungeschminkten Message. Keinem Mitarbeitenden drohen Nachteile, wenn einfach die Wahrheit gesagt wird.

Dazu fällt mir auch die Geschichte eines Journalisten ein, der einen interessanten Versuch wagte: Einen Monat lang sagte er nur noch die Wahrheit. Und das wirklich allen Leuten in seinem Umfeld. Er verlor damit viele Freunde. Bei uns würde er, glaube ich, ganz gut reinpassen.

Denn: Wie auch immer das Feedback ausfällt, meine Führungskräfte und ich sind wirklich daran interessiert. Wir schätzen klare Worte. Und wir gehen konstruktiv damit um. Denn mein Ziel als Geschäftsführer war und ist es, eine Fehlerkultur aufzubauen. Und zwar eine Kultur, in der die Leute richtig Bock haben, auch mal Fehler zu machen. Das klingt erst mal absurd. Aber ich möchte die Leute dazu ermutigen, zu experimentieren und scheinbare Grenzen zu überschreiten. Ich möchte, dass sie »all in« gehen.

Natürlich sind wir noch längst nicht am Ziel. Ein Kapitel im Buch kann leicht den Eindruck erwecken, bei Mawave herrsche rund um die Uhr perfekte Offenheit – so ist es nicht. Auch wir verlieren manchmal aus dem Blick, dass wir am selben Strang ziehen. Auch bei uns bleibt Feedback gelegentlich liegen, weil wir Angst vor der Reaktion unseres Gegenübers haben. Auch wir haben Phasen, in denen wir das richtig gut machen, und andere, in denen wir es eigentlich besser machen könnten. Entscheidend ist das gemeinsame Versprechen dahinter: Wir wollen alle wachsen, und das geht nur, wenn wir uns gegenseitig ehrlich und konstruktiv den Spiegel vorhalten.

Wenn die Mitarbeitenden jeden Tag alles so machen, wie sie es gestern oder schon vor einem Monat gemacht haben, dann wird das ganz sicher kein Team sein, das revolutionäre Ideen hat und Zeichen setzt. Es ist unfassbar wichtig, dass mein Team immer weiß, dass, egal was passiert, wie sehr es auch auf die Schnauze fallen mag, dass ich immer hinter ihnen stehe. Solange die Vision klar ist und die Werte übereinstimmen. Denn Fehler zu machen ist total wichtig. Und es wird nicht mit dem Finger auf einzelne Leute gezeigt. Mein Ziel ist es, ein Umfeld zu bauen, in dem mit Freude Fehler gemacht werden. Und das ist wirklich wörtlich gemeint. Denn wenn Fehler gemacht werden, halte ich auch gern den eigenen Kopf hin und stärke meinen Mitarbeitenden den Rücken.

Aber noch zu einem anderen Thema, das eng mit der Fehlerkultur verbunden ist. Oft gibt es nach meinen Speakings noch Diskussionsrunden. Und in denen taucht oft die Frage auf: »Wie gehst du mit Niederlagen um?« Was mich zum intensiven Nachdenken darüber gebracht hat, wie mit einer »Niederlage« eigentlich gemeint ist. Es geht mir dabei ums Framing. Denn für mich ist eine negative Erfahrung, auch wenn sie total bitter sein mag und mich unnötig Energie, Zeit und Geld gekostet hat, keine Niederlage. Sondern schlicht und einfach ein Case, der nicht optimal lief. Aus dem ich trotzdem was lernen kann. Ich bin absolut kein Freund davon, mich selbst negativ zu konditionieren.

Denn im Wort Niederlage steckt das Verb »niederlegen«. Was soll ich aber niederlegen? Meinen Mut? Meinen Optimismus? Meine Tatkraft? Mich selbst? Ich sehe das anders. Auch wenn Projekte richtig scheitern – man muss weitermachen. Und ich weiß, wovon ich spreche.

Vor zwei Jahren fingen wir zum Beispiel damit an, ein Tool zu bauen, das unsere Kapazitätsplanung im Detail abbilden sollte. Die Inhalte waren: Wann haben wir in welchem Team welche Auslastung? Wie viele Aufträge kommen rein? Und noch vieles mehr. Wir haben gut einen sechsstelligen Betrag investiert, um dieses Tool zum Laufen zu kriegen – sowohl für externe Developer-Kosten, als auch für interne Ressourcen. Aber wir beschlossen irgendwann, das komplette Projekt einzustampfen. Die Technik funktionierte nicht wie wir es uns vorgestellt hatten und das Programm hätte uns keinen signifikanten Mehrwert gebracht. Wir setzten also dieses Invest komplett in den Sand. Leicht war das nicht, denn je tiefer man bereits drinsteckt, desto schwerer fällt der Stopp. Psychologen nennen das Sunk-Cost Fallacy: Man hat schon so viel investiert, dass man weitermacht, nur um den Einsatz zu rechtfertigen – selbst wenn die Sache längst keinen Mehrwert mehr verspricht. Genau deshalb ist es so wichtig, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen und zu sagen: »Fehlgriff, abhaken, daraus lernen, weitermachen.«

Ich bin nicht der Typ, der sauer wird, wenn etwas nicht funktioniert. Rückschläge sind ein gesunder Teil unseres Systems bei Mawave. Und »Trial and error« gehört dazu. Für mich persönlich ist Scheitern kein Drama, sondern Teil des Weges. Und genau deshalb wünsche ich mir mehr echte Geschichten vom Scheitern. Nicht aus Schadenfreude – wirklich nicht. Sondern weil ich glaube: Es zeigt wahre Größe, wenn man auch über das spricht, was nicht geklappt hat. Denn, wenn wir ganz ehrlich sind, gibt es viele Momente im Gründertum und Business, in denen man kurz davorsteht, alles hinzuwerfen und einfach aufzugeben. Es ist für mich eine Inspiration und Ermutigung, dass es auch anderen Unternehmern so geht.

Umso schöner finde ich es, dass sich da gerade etwas tut. Gerade in den letzten Jahren sind immer mehr Menschen, zumindest in meiner Bubble, transparenter und offener geworden. Sie teilen nicht mehr nur ihre größten Erfolge, sondern auch Misserfolge. Ich finde das eine sehr positive Entwicklung. Es ist alles andere als leicht, Rückschläge einzustecken, aber sich davon nicht umwerfen zu lassen. Und dabei auch noch öffentlich seine Gedanken zu teilen.

Dabei denke ich zum Beispiel an Lorenz Greiner, den Co-Founder von Naughty Nuts. Mit ihm nahm ich vor einiger Zeit eine Podcast-Folge auf. Damals erzählte er mir von der Insolvenz seines Unternehmens, aber inzwischen sehe ich, wie neue Produkte und Kooperationen gelauncht werden. Solche Geschichten vom Hinfallen und wieder Aufstehen begeistern mich.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch auf eine Maxime meiner Philosophie für Mawave hinweisen: »Failing Forward«. Also: vorwärts scheitern. Es handelt sich um einen universellen Ansatz, der sowohl im Business als auch im privaten Bereich anwendbar ist und auf beiden Ebenen Sinn ergibt.

Es bedeutet, Fehler nicht als Scheitern abzuhaken – sondern als Schritt nach vorn zu begreifen. Die Wahrnehmung ist also nicht primär negativ. Denn oft lernen wir am meisten genau dann, wenn etwas nicht so läuft wie geplant. Gerade in Momenten, die sich erst mal wie ein Rückschlag anfühlen, liegt oft das größte Wachstumspotenzial.

»Failing Forward« heißt: Der Blick bleibt nicht beim Problem hängen – sondern geht in die Zukunft. Was kann ich mitnehmen? Was mache ich das nächste Mal anders? Und wie kann ich das Gelernte für mich und mein Umfeld nutzen? Für mich ist das keine reine Theorie. Es ist ein Teil unserer Kultur. Und einer der Gründe, warum wir als Company immer wieder neue Schritte machen konnten – auch wenn manche davon erst mal danebenlagen.

Um das meinem Team zu verbildlichen, half mir folgender Gedankenanstoß, den ich mal auf einem Company-Offsite gab: Stell dir eine Fledermaus vor, die gern aus einer stockdunklen Höhle durch den schmalen Ausgang rausfliegen möchte. Dass diese Tiere nichts sehen können, wissen wir. Problem ist aber auch, dass Fledermäuse nicht einfach in der Luft stehen bleiben können, wie ein Kolibri, sondern permanent in Bewegung bleiben müssen. Also startet sie blind in die Schwärze und sendet durchgängig Ultraschallsignale aus. Jedes Mal, wenn das Echo blitzschnell von einer Wand zurückkommt, reißt sie den Flügel herum, weicht aus – und probiert sofort die nächste Richtung. So entsteht ein Zickzackkurs voller Beinahe-Zusammenstöße. Jeder Fast-Crash ist gleichzeitig ein neues Datenpaket: Hier geht es nicht weiter. Mit jeder Korrektur wird das mentale Modell der Höhle schärfer, bis sie schließlich den Ausgang findet und hinausschießt. Genau das ist Failing Forward: nicht in der Dunkelheit verharren, weil der perfekte Plan fehlt, sondern losfliegen, Signale aussenden, aus jedem Fehler lernen und den Kurs in Echtzeit anpassen. Der Weg wirkt vielleicht chaotisch, ist aber hochproduktiv – denn ohne diese Serie von Mini-Fehltritten gäbe es überhaupt keinen Fortschritt.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch “Always hungry, never greedy: Meine Strategie für schnelles Wachstum, ohne das Gleichgewicht zu verlieren – für dich und dein Business. Prinzipien, Learnings und echte Cases” Jetzt bei amazon bestellen

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Foto (oben): Shutterstock