#Interview

“Ich bin froh, dass ich hier bin”

Mit TK & Partners investierte Tomas Koch bereits in zahlreiche Startups, die von Deutschen in Thailand gegründet wurden. "Das Kostenniveau ist besser. Das Startkapital ist niedriger und die Burnrate auch", sagt Koch zu den Vorteilen in thailändische Startups zu investieren.
“Ich bin froh, dass ich hier bin”
Freitag, 30. Mai 2025VonTeam

Es war vor fünf Jahren in Bangkok, da rief Tomas Koch die Risikokapitalgesellschaft TK & Partners ins Leben. In Kochs Portfolio befinden sich mittlerweile zahlreiche Startups, die von Deutschen in Thailand gegründet wurden. Zudem übernahm Koch jüngst den Vorsitz des neu gegründeten Private-Equity-Fonds South East Asia Localisation (SEAL) Partners. Der Fonds unterstützt innovative Unternehmen aus Deutschland und anderen Teilen der Welt dabei, in Südostasien zu wachsen. Der promovierte Physiker arbeitete zuvor 30 Jahre bei McKinsey, die letzten Jahre in Korea und Thailand.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Koch darüber, was den Startup-Standort Thailand so besonders macht. 

Du hast die Welt gesehen, und die Entscheidung getroffen, Dich in Thailand niederzulassen. Was waren Deine Beweggründe?
Meine Frau und ich haben vorher viele Jahre in Korea gelebt. Beruflich wollte ich aber noch einmal Südostasien kennen lernen. Privat ist es interessanter und für meine Frau ist es hier leichter. Die Lebensqualität ist auch besser, Value for Money ist besser. Unsere Entscheidung länger in Thailand zu bleiben, war beruflich und privat. 

Was sind die Top 3-Punkte, warum man in Thailand gründen sollte?
Thailand ist, erstens, ein relativ großer Markt, 80 Millionen Leute. Internetabdeckung und das mobile Netz sind hervorragend. Die Leute sind versiert im Umgang mit digitalen Plattformen und Social Media. Dazu ist Thailand das Sprungbrett zu ganz Südostasien. Ein zweiter Grund ist: Viele lokale Unternehmen ticken unternehmerisch und haben große Ambitionen. Diese Unternehmen helfen Startups und sind interessante Exit-Kanäle. Drittens, die Lebensqualität für Digital Nomads. Hier macht es mehr Spaß. Das Idealbild ist: Man sitzt in Koh Phangan oder Koh Samui, hat seine Kollegen um sich und zieht es von dort auf.

Was sind die Top 3-Punkte, die dagegen sprechen?
Es gibt hier wenig Erfinder-Innovationen. Thailand ist nicht sehr stark in der Entwicklung von Intellectual Property (IP), also zum Beispiel von Patenten. Wenn man kreative, komplett neue Sachen sucht, ist da noch ein Fragezeichen. Kommt das IP aber von anderer Seite, läuft die Vermarktung in Thailand wiederum sehr gut. Zweitens: Keine Venture Capital-Landschaft. Alle VCs sitzen in Singapur. Für Investoren ist es dort ideal. Die Steuern sind attraktiv, es gibt zum Beispiel keine Kapitalertragssteuer. Immigration ist unkompliziert, starke Unterstützung durch die Regierung. Danach kommt Indonesien mit einigen VCs, weil der Markt so groß es. Dahinter fragmentiert es sich. Ein dritter Punkt ist das lokale Corporate Venture Capital. Jedes große Unternehmen in Thailand hat einen Corporate Venture-Capital-Arm. Und das ist auch ein Nachteil. Die saugen viel Sauerstoff aus dem Markt. Ihre Investitionen sind oft nicht erfolgreich. Als Gründer muss man vorsichtig sein, den Corporate Venture Capital-Weg zu gehen. Wenn ein Konzern 3-5% der Anteile hält, kann er nicht so viel anrichten. Geht es aber in Richtung 20-30%, wird es gefährlich. Die Konzerne haben so viele Regularien, da ist man erst mal nur damit beschäftigt. Klar, ich verstehe, man erhält im Gegenzug Marktzugang. Den können die Gründer aber auch anders bekommen.

Droht Gründern, die aus dem deutschsprachigen Raum kommen und zum Teil auch der Bürokratie entfliehen, in Thailand das Gleiche?
Bürokratie gibt es auch hier. Eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, ist zum Beispiel nicht einfach. Das wird aber immer besser. Neu sind beispielsweise Visa speziell für Digital Nomads. Ich war selbst in eine Regierungsinitiative involviert, die das Gründen in Thailand erleichtert. Das BOI, Board of Investments, ist eine staatliche Agentur zur Förderung von Auslandsinvestitionen. Das BOI hat erkannt, dass bessere Anreize für Startups geschaffen werden müssen. Man bietet jetzt weitere Visa für Gründer aus dem Ausland an. Und dann gibt es noch einen anderen Punkt: Wenn man in Thailand ein Unternehmen aufsetzt, ist es in der Regel so, dass 51% der Anteile Thai sein müssen, maximal 49% dürfen von draußen kommen. Auch wenn man hierfür Lösungen finden kann, ist das lästig. Jetzt sind für bestimmte Schlüssel-Industrien auch 100% der Anteile in der Hand von Ausländern möglich. Zusammenfassend: Die Bürokratie nervt auch hier, ist aber kein Showstopper.

Du hast vorhin gesagt, es gibt keine Venture-Capital-Landschaft in Thailand. Ganz richtig ist das ja nicht. Du selbst leistest da einen wichtigen Beitrag und bietest Seed-Finanzierung in Thailand an. Kannst Du in knappen Worten TK Partners beschreiben?
Also TK Partners ist privates Venture Capital, sowas wie ein Family Office. Wir investieren in Startups, Fokus ist Thailand. Wir finanzieren Teams in Thailand, die den thailändischen Markt bedienen. Wir haben auch Teams außerhalb Thailands im Portfolio, die aber ebenfalls den hiesigen Markt adressieren. Beispielsweise finanzieren wir ein CleanTech-Startup in Singapur, das seine Kunden in Thailand hat. 

Wie sieht Eure Strategie aus?
Unsere Strategie ist, in der Pre-Seed oder Seed-Phase reinzugehen mit einem Kapital von ungefähr 500.000 USD pro Runde, pro Startup. Dabei gehen wir nicht top down vor und definieren unseren Investmentfokus vorab. Wir orientieren uns rein an den Marktgelegenheiten. Beispiel Siam Seaplane. Wasserflugzeuge gab es hier nicht, also warum nicht rein in diesen Markt? Beispiel Bloom. Cannabis wurde dereguliert, deswegen ist hier eine Chance. Einheimisches Mineralwasser gab es hier nicht, also auch hier rein in den Markt. Die Beteiligungen sind allein an den Opportunitäten ausgerichtet. Wir gehen Investments in relevanter Höhe ein, so dass wir ungefähr 10 % halten und genügend “Skin in the game” haben. Wenn es zu wenig ist, würde ich sagen, lass die mal machen. Mit 10 % ist man aktiver Investor. Bei allen unseren Portfoliounternehmen bin ich von Beginn an involviert. Entweder stark in der konzeptionellen Phase, im Fundraising oder beim Marktzugang. Ich bin also ein aktiver Coach. 

Was ist der Hauptvorteil, in ein thailändisches Startup investiert zu sein?
Das Kostenniveau ist besser. Das Startkapital ist niedriger und die Burnrate auch. Wenn ich hier fünf Leute einstelle, benötige ich nur 20 % dessen, was ich Deutschland “verbrennen” würde. Ein Unternehmen zu skalieren ist dementsprechend auch günstiger.

Wie würdest Du die Rechtssicherheit hier einstufen?
In der Anfangsphase ist die Rechtslage normal, ich hatte da nie Probleme. Das kann sich ein wenig ändern, wenn man größer wird. Die Sichtbarkeit kann Begehrlichkeiten wecken. Und dann kommt womöglich jemand mit der Ansage: “Wenn man dieses oder jenes machen will, muss man eine kleine Spende geben.” Das passiert schon. Aber auch da muss man nur wissen, wie man damit umgeht. Investoren und Gründer sollten immer darauf achten, dass in dem Cap Table ein paar Einheimische sind, die so ein bisschen die Schirmherrschaft übernehmen. Die Anteilseigner-Strategie ist daher auch eine andere als in Deutschland. Gründer erwarten nicht nur Geld und Hilfe von den Anteilseignern. Sie fragen sich auch, können die unsere Interessen beschützen?

Was mag Gründer noch überraschen, die das Land noch nicht so gut kennen?
In Deutschland entscheidet man und schreitet dann zügig voran. Hier ist es mehr iterativ. Der Umgang mit Menschen hat immer die professionelle und soziale Komponente. Aus deutscher Sicht ist vieles um 30 bis 50 % ineffizienter. Auch wie man die Teams führt. In Deutschland ist es relativ zackig, da vereinbart man einen Zielwert und sagt: “Hey, Soundso, die Kennzahl ist nicht gut, zack!” Hier ist es hingegen mehr holistisch. Das gilt auch für die Kunden. Es reicht nicht, nur eine gute Beziehung zum Kunden aufzubauen. Ich muss immer mitdenken, wen kennt der noch und wie stehe ich zu dieser Person. Auch die Kontakte zweiten Grades müssen beachtet werden.

Du hast in den letzten vier, fünf Jahren in 18 Startups investiert. Was lief anders als gedacht, was hast Du daraus gelernt?
 Nummer eins, es dauert alles länger, als man denkt …

 … da geht es Dir wie den Startups selbst. …
 … ja, das muss man antizipieren. Nummer zwei, Wenn man sich reinkniet, kann man hier alles lösen. Und deswegen ist mein Ansatz auch ein aktiver Ansatz. Beispiel: Hätte ich es bei einem meiner Portfolio-Unternehmen einfach so laufen lassen – das wäre tot. Da bin ich aber voll reingegangen und im Team haben wir eine Lösung gefunden. Wir konnten es dann an jemanden verkaufen, zu einem guten Preis. Der IRR (internal rate of return) war am Ende 72 % . Man kann immer irgendetwas machen. Nummer drei: Wir haben letztlich in ganz andere Startups investiert als ursprünglich gedacht. Strategisch, Produkte, Kanäle, Branchen – das ist bestimmt zu 50 % anders. 

Du hast jetzt noch ein neues Projekt: SEAL. Was ist das?
Ja, das ist in der Planungsphase. Bei McKinsey habe ich viele Großprojekte gemacht. Big Business for big Corporates. Ich habe aber null eigenes Geld investiert. TK Partners ist das Gegenteil: Kleine Projekte, eigenes Geld. Seal ist jetzt die dritte Stufe. Nachdem wir Erfolg mit dem eigenen Geld hatten, arbeiten wir jetzt mit dem Geld von Dritten, von Corporates. Wir gehen aber auch selbst ins Risiko.

Was macht SEAL?
Wir haben in Südostasien große Märkte, aber wenig Innovation. Deswegen ist die Idee, Innovationen und IP von außen – Europa, USA, Israel, Singapur – nach Südostasien zu bringen. Wir interessieren uns für Startups und etablierte Unternehmen, bei denen das Technologie-Risiko schon raus ist und die Marktskalierung in der Region ansteht. Lokalisierung in Südostasien ist unser Thema.

Kommen wir zurück zum Startup-Ecosystem Thailands. Lass uns da ein paar Schlaglichter auf die Akteure werfen. Spielen Thailands Universitäten in Eurer Arbeit eine Rolle?
Universitäten sind super relevant in Singapur. Drei meiner Startups sind Produkte aus der Uni. Die haben dort zehn Jahre Entwicklung gemacht, und dann haben wir investiert. So einen Fall hatte ich in Thailand noch nicht. Spielen die Unis hier dennoch eine große Rolle? Absolut. Passiert das jetzt? Hier und da. 

In Thailand gibt es relativ viele Acceleratoren, Inkubatoren und Company-Builder. Sind die für Euch relevant? Kooperiert ihr?
Generell halte ich nicht viel davon. Es ist viel heiße Luft, muss man so sagen. Über die Phase, “lass uns Leute zusammenbringen und ihnen beibringen, zu pitchen”, sind wir hinaus.  Wenn ich heute ins Internet gucke, da kriege ich auch so alles, was ich brauche. 

Dann haben wir noch die Rolle des Staates in Thailand. Wie würdest Du die einschätzen?
Mit Geld macht der Thailändische Staat im Moment nicht sonderlich viel. Es gibt ein paar Förderprogramme. Es ist aber ist nicht wie in Singapur, wo der Staat 50 % drauflegt, wenn jemand in ein Startup investiert. Solche Förderprogramme machen einen Unterschied, und die sehe ich hier bisher noch nicht. 

Jenseits von Corporate Venture Capital: Welche Rolle spielen die etablierten Thailändischen Unternehmen im Eco-System?
Eine sehr positive. Wie haben zum Beispiel gerade einen Fall gehabt, da bin ich Investor und ein lokales Unternehmen auch. Das Startup hängt so ein bisschen in den Seilen. Das Unternehmen hat uns angerufen und hat gefragt: Was machen wir? Da habe ich gesagt: Wir machen eine Intervention. Die haben wir dann gemeinsam gemacht. Das war super effizient, das war richtig gut. In solchen Fällen hilft es natürlich, dass Ed Lock, Managing Partner von TK Partners, und ich Konzern-erprobt sind. Wir dienen als Brücke zwischen der Corporate- und Startup-Welt. 

Wie verändert sich die Startup-Szene in Thailand nach COVID?
Sie wächst zunächst einmal. Und Remote-Arbeit ist mittlerweile sehr wichtig. Raum und Zeit sind frei verwaltbar geworden. Wenn ein Startup gute Leute anziehen will, muss es ermöglichen, ortsunabhängig zu arbeiten. Bei vielen Startups arbeiten die Leute zwei bis drei Tage die Woche von zu Hause aus. Das hängt aber auch von der jeweiligen Industrie des Startups ab.

Auch mit einem Seitenblick auf Deutschland: Wie schätzt Du die gesamtwirtschaftliche Perspektive Thailands ein?
Ich bin froh, dass ich hier bin. Thailand bietet mehr Chancen. Denn dieses Land ist ja auch nur ein Startpunkt in Südostasien. Der gesamte Wirtschaftsraum umfasst 700 Millionen Leute mit einem Bruttoinlandprodukt von 4,1 Billionen US-Dollar – das ist ungefähr das Gleiche wie in Deutschland. Die Dynamik ist positiv hier, die politischen Rahmenbedingungen verbessern sich. In Deutschland ist schon Negativstimmung.  

Glaubst Du, es wäre realistisch für jemanden, der Thailand bisher nur als Tourist kennt, hier ein Unternehmen zu gründen?
Also viele Gründer haben es im Prinzip so gemacht. Ich würde vielleicht vorher mit fünf oder zehn Gründern in Thailand sprechen. Aber wenn das Produkt gut ist, und man Mitstreiter vor Ort findet – warum nicht?

Das Interview führte Prof. Dr. Alexander Nicolai, Professor für Entrepreneurship an der Uni Oldenburg und Gründer des An-Instituts Sirius Minds sowie Autor des aktuell erschienenen “Start-up Reports Thailand: Eine Orientierung für Gründer aus der DACH-Region”. Der Report kann hier kostenlos runtergeladen werden.

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Foto (oben): Shutterstock