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Wandeldarlehen – alles, was Du wissen musst

Wandeldarlehen sind ein beliebtes Finanzierungsinstrument. Die Standard-Elemente aus Wandeldarlehensverträgen helfen Gründern und Investoren, Verhandlungen grundlegend zu vereinfachen. Dennoch ist auch bei Wandeldarlehen Weitblick gefragt.
Wandeldarlehen – alles, was Du wissen musst
Donnerstag, 21. März 2024VonTeam

In der Startup-Welt sind Wandeldarlehen, auch Convertible Loans genannt, ein beliebtes Finanzierungsmittel. Sie bieten sowohl Startups als auch Investoren mehrere Vorteile, gerade jetzt in Zeiten schleppenden Fundraisings. Trotzdem gibt es gerade bei frisch gebackenen Gründer:innen immer wieder offene Fragen über die Ausgestaltung und Mechanik dieser Finanzierungsart. Dieser Artikel gibt einen detaillierten Überblick über die rechtlichen Grundlagen und ökonomische Auswirkungen von Wandeldarlehen und benennt dabei auch die wichtigsten Vor- und Nachteile.

Was ist ein Wandeldarlehen, und wie funktioniert es?

Im Wesentlichen ähnelt ein Wandeldarlehen zunächst einem herkömmlichen Standarddarlehen mit Fremdkapital. In der Regel beinhalten diese Darlehen eine Laufzeit von ein bis zwei Jahren und einen vergleichsweise niedrigen, einstelligen Zinssatz. Der Ausdruck “Wandel” bezieht sich jedoch auf den Umstand, dass dieses Darlehen unter bestimmten festgelegten Bedingungen zu Eigenkapital sprich Anteilen am Startup-Unternehmen gewandelt werden kann. Damit entfällt die Rückzahlung an den Kapitalgeber. Stattdessen wird er oder sie wie ein “echter Investor” am Unternehmen beteiligt. Um den Prozess der möglichen Wandlung zu vereinfachen, werden die Zinszahlung dabei nicht unterjährig ausgezahlt, sondern bis zur Wandlung aufgespart bzw. erst am Ende der Laufzeit ausgezahlt.

Was die Wandlung betrifft, so treffen Startups und Darlehensgeber in der Regel die Vereinbarung, das Darlehen zu bevorzugten Bedingungen (dem sogenannten “Discount”) im Laufe einer zukünftigen Finanzierungsrunde zu wandeln. Diese Vorgehensweise erlaubt es dem Startup, bereits vor einer offiziellen Finanzierungsrunde finanzielle Mittel zu empfangen. Mit diesen Mitteln können dabei oft die Erfolgskennzahlen eines Startups weiter verbessert werden, bevor es zu einer finalen Finanzierungsrunde bzw. Bewertung kommt. Der folgende Abschnitt erläutert diesbezüglich die gängigsten Komponenten und Regelungen eines Wandeldarlehens.

Typische Elemente von Wandeldarlehen

Zinsen

Zunächst einmal fallen wie bei einem Bankkredit auch bei einem Wandeldarlehen ganz normal Zinsen an. In der Regel gilt hier ein einstelliger Zinssatz. Wenn der Darlehensgeber auch Gesellschafter des Startups ist, sollten die vereinbarten Zinsen unbedingt marktüblich sein, um steuerliche Probleme zu vermeiden. Um die Liquidität des Startups zu schonen und ein mühsames Herausrechnen bei der Wandlung zu vermeiden, sollten die Zinsen zudem erst am Ende der Laufzeit zurückbezahlt werden. Dies hilft, die Zahlungsbelastungen des Startups zu schonen, sorgt aber in der Folge natürlich dafür, dass der Darlehensgeber bei einer Umwandlung mehr Unternehmensanteile erhalten kann, als wenn nur der Darlehensbetrag ohne Zinsen umgewandelt würde. Hier sollten Gründer darauf achten, dass längere Laufzeiten durchaus zu späteren höheren Unternehmensanteilen im einstelligen Prozentbereich führen können.

Discount

Investoren, die frühzeitig(er) mit einem Wandeldarlehen in ein Startup einsteigen, bekommen als Bonus in der Regel einen Rabatt – den sogenannten Discount. Das heißt, dass ihr Darlehen zu einer Bewertung um meist 20 bis 25 Prozent günstiger in Unternehmensanteile umgewandelt wird als die der späteren Investoren. Der frühe Investor bekommt also effektiv mehr Unternehmensanteile für sein Investment, was als Belohnung für sein höheres Risiko und die Bereitschaft, früher einzusteigen verstanden werden kann. Manchmal nimmt der der Discount für nachfolgende Convertible-Unterzeichner im Laufe der Zeit ab, weil mit steigender Gesamtsumme auch das Ausfallrisiko abnimmt. Zum Beispiel könnten die ersten Unterzeichner einen Rabatt von 25 Prozent bekommen, während ein Monat später der Discount auf 20 Prozent sinkt und nach weiteren vier Wochen nur noch 15 Prozent beträgt. So schaffen Startup-Gründer zusätzliche Anreize für schnelle Investitionen, was sich – Stichwort Commitment  – positiv auf das weitere Fundraising auswirken kann.

Wandlung

Bei einem Wandeldarlehen bedeutet eine Wandlungsverpflichtung, dass das Startup-Unternehmen, als Darlehensnehmer, sich dazu verpflichtet, das Darlehen unter bestimmten, vertraglich festgelegten Bedingungen in Eigenkapitalanteile des Unternehmens umzuwandeln. Diese Verpflichtung wird oft durch spezielle Ereignisse oder erreichte Meilensteine ausgelöst, die im Darlehensvertrag definiert sind. Typische Auslöser für eine Wandlungsverpflichtung können folgende sein:

Nächste Finanzierungsrunde: Wenn das Unternehmen eine weitere Finanzierungsrunde durchführt (z.B. eine Serie-A-Finanzierung), kann dies die automatische Umwandlung des Darlehens in Eigenkapital zu den dann festgelegten Konditionen auslösen.

Börsengang (IPO): Bei einem Börsengang des Unternehmens kann das Wandeldarlehen automatisch in Aktien umgewandelt werden, wodurch der Darlehensgeber zu einem Aktionär wird.

Verkauf des Unternehmens (Exit): Wenn das Unternehmen sich auf den Markt begibt und verkauft wird oder ein vergleichbares sogenanntes Liquiditätsereignis (Liquidity Event) eintritt, kommt die Wandlungsverpflichtung zum Tragen. Die Darlehensgeber profitieren dann von Anteilen am Verkaufserlös. Als alternative Option kann im Falle eines Exits auch der ursprüngliche Wandeldarlehensbetrag plus einem Exit-Bonus zurückgezahlt werden.

Erreichen eines bestimmten Datums: In manchen Fällen fungiert ein festgelegtes Datum als Auslöser für die Wandlung, unabhängig von anderen geschäftlichen Ereignissen. Dies wird besonders relevant, wenn die geplante Kapitalerhöhung innerhalb des ursprünglichen Zeitrahmens nicht realisierbar ist. Dieser Prozess wird auch als Zwangswandlung bezeichnet (“forced conversion”).

Cap

Oft wird im Zuge der Regelungen für die Wandlungen für den Investor eine Höchstbewertung (Cap) festgelegt. Das bedeutet, dass die Umwandlung des Darlehens in Unternehmensanteile zu dieser Höchstbewertung erfolgt, selbst wenn die tatsächliche Bewertung des Unternehmens in der Finanzierungsrunde, die die Wandlung auslöst, höher ist. Damit erhält der Investor Sicherheit für seine zukünftige Mindest-Beteiligung am Startup. Wenn auch ein Rabatt (Discount) vereinbart wurde, kann dieser mitunter ebenfalls vom Cap abgezogen werden, was die Bewertung für die Wandlung weiter zugunsten des Investors senkt. Während Caps für Investoren, wie bereits gesagt, ein Sicherheitsanker sind, dass Ihre Bewertungsvorstellungen nicht durch weitaus spätere Finanzierungsrunden zu höheren Bewertungen zunichte gemacht werden, müssen Startups hier aufpassen, dass eingeräumte Caps wiederum zu Bewertungsdiskussionen mit neuen Investoren führen können, die allzu hohe Bewertungsunterschiede zwischen ihrem Engagement und der Umwandlung der Wandeldarlehen mit Argwohn betrachten.

Floor

Für Startups kann es ab und an sinnvoll sein, eine Mindestbewertung, auch als “Floor” bekannt, für die Umwandlung ihres Darlehens festzulegen. Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass diese Mindestbewertung inklusive Discount mindestens so hoch sein sollte wie die Bewertung des Unternehmens nach der letzten Finanzierungsrunde. Andernfalls könnte die Umwandlung zu einer Wertminderung führen, was zu Problemen im Gesellschafterkreis führen könnte. Insgesamt sind derartige Floors, zumindest im deutschsprachigen Raum, eher selten zu finden.

Nachrangigkeit

Um das Startup nicht in eine bilanzielle Überschuldung rutschen zu lassen, sollte in Wandeldarlehensverträge auf jeden Fall ein qualifizierter Nachrang eingebaut werden. Dieser Nachrang betrifft sowohl Rückzahlungs- als auch Zinsansprüche und sorgt dafür, dass sich die Natur des Darlehens von Fremd- zu Eigenkapital umwandelt. Dies bringt dem Startup den Vorteil, dass es den Eintritt von bilanziellen Insolvenzgründen vermeiden oder zumindest hinauszögern kann. 

Weitere Vereinbarungen

Neben den bereits besprochenen Regelungen werden oft zusätzliche Auskunfts- und Informationsrechte für den Darlehensgeber festgelegt. Dies ist besonders dann der Fall, wenn der Darlehensgeber noch kein Gesellschafter des Unternehmens ist. In Bezug auf diese Rechte orientiert man sich häufig an den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder den gesetzlichen Regelungen, wodurch der Darlehensgeber in seinen Rechten weitgehend den “echten” Gesellschaftern gleichgestellt wird.

Vorteile von Wandeldarlehen

Unkomplizierte Handhabung

In Situationen, in denen ein schneller Erhalt finanzieller Mittel im Vordergrund steht – und dies ist bei Startups regelmäßig der Fall – sind Wandeldarlehen in der Regel effizienter als eine offizielle Kapitalerhöhung. Der Grund besteht darin, dass die Vertragsbedingungen von Wandeldarlehen weniger komplex sind. Sie benötigen in der Regel keine umständliche notarielle Beglaubigung und müssen nicht im Handelsregister eingetragen werden. Die Umwandlung des Darlehens und der akkumulierten Zinsen in Unternehmensanteile findet zudem erst zu einem späteren Zeitpunkt statt. Damit erspart sich ein Startup oft erheblichen administrativen Aufwand.

Des Weiteren besteht die Möglichkeit, eine Convertible-Runde in mehreren Schritten durchzuführen und mehrere Investments bis zu einer geplanten Gesamtsumme einzusammeln. Dafür sollten die wesentlichen Punkte allerdings innerhalb des Gesellschafterkreises abgestimmt sein, z.B. durch einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss. Diese Vorgehensweise erlaubt es Startups, während des Fundraisings nach dem Motto “Kleinvieh macht auch Mist” schrittweise Mittel von verschiedenen Investoren einzusammeln.

Vermeidung von Bewertungskonflikten

Durch diesen mehrstufigen Vorgang können Gründer:innen vorläufig auch die zeitraubende Bewertungsdiskussionen mit verschiedenen Beteiligten auslassen oder besser gesagt auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Gerade in Seed-Phasen fehlen bei Startups oft klare Anhaltspunkte für eine herkömmliche Unternehmensbewertung zwischen Weltherrschaft und mageren wirklichen Achievements. Wandeldarlehen können diese Herausforderung lösen, indem sie die Bewertung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, zum Beispiel dann, nachdem der Markteintritt belastbare Daten über den Unternehmenserfolg in Form von Umsätzen oder Monthly Active Users (MAU) geliefert hat. 

Wenn das Unternehmen dann in etwa sechs Monaten – sobald das neue Produkt auf dem Markt ist und erste Zahlen bekannt sind – plant, eine offizielle Finanzierungsrunde einzuläuten, haben die beteiligten Investoren in der Regel mehr umfassende Informationen für eine gründlichere und objektivere Bewertung zur Hand. Basierend auf diesen Erkenntnissen können auch die eingeworbenen Wandeldarlehen samt Zinsen dann zu einer festen Bewertung mit dem entsprechenden Discount gewandelt werden. 

Rechenbeispiel – so verläuft eine Finanzierung

Was bedeuten diese Regelungen und Vorteile in der Praxis? Ein Rechenbeispiel kann diese Punkte mit etwas mehr Leben füllen: Angenommen, ein Unternehmen wird im Zuge einer Series A Finanzierungsrunde mit 6 Mio. EUR bewertet. Dabei hatte es durch eine vorausgehende Seed-Runde, bei der ein neuer Investor mit 16,6% beteiligt wurde insgesamt neue 5.000 Gesellschafteranteile ausgegeben, was die gesamten Anteile auf 30.000 erhöht. Im Zuge der neuen Bewertung hat nun jeder Gesellschaftsanteil einen (theoretischen) Wert von 200 EUR (6 Mio. EUR geteilt durch 30.000 Anteile).

Während nun “offizielle”, also offen beteiligte Investoren diese neue Anteile für 200 EUR zeichnen würden, ergibt sich für Wandeldarlehensgeber mit einem 25%igem Discount nur ein Preis von 150 EUR. Hat ein Wandeldarlehensgeber im Januar ein Darlehen über 200.000 EUR bei einem Zins von 5% gegeben, so hat er bei einem Closing der Finanzierungsrunde im September insgesamt 207.500 EUR “angespart”, für die er dann 1.383 neue Anteile erhält. Da für den Erwerb neuer Anteile in der Praxis je ein Euro ins Stammkapital eingezahlt werden muss, während der Rest in die Kapitalrücklagen fließt, ist es üblich, dass diese Summe von Wandeldarlehensgebern separat bezahlt wird. Die Wandlung einer Darlehensforderung gegen Stammkapitalanteile in Form einer sogenannten Sacheinlage ist nämlich kompliziert, so dass auf sie in der Praxis meistens verzichtet wird.

Besonderheiten bei der Beantragung des BAFA INVEST-Zuschusses

Grundsätzlich können auch Wandeldarlehen im Zuge des BAFA INVEST Zuschusses für Wagniskapital berücksichtigt werden. Dabei sind jedoch ein paar Feinheiten zu berücksichtigen.

Zum einen darf der Wandeldarlehensvertrag inkl. Auszahlung erst nach der Zusage des Zuschusses abgeschlossen werden. Verfrühte Verträge oder Auszahlungen werden von der BAFA nicht berücksichtigt. Zum anderen müssen tatsächlich neue Mittel geflossen sein – eine Umwandlung alter Forderungen ist nicht möglich. Des Weiteren beinhaltet die Auflage der BAFA auch eine vertraglich vorgeschriebene Wandlung nach spätestens 15 Monaten, die der Behörde zeitnah gemeldet werden muss. Und, was in der Praxis manchmal vergessen wird: Innerhalb der BAFA Regelung für Wandeldarlehen dürfen entsprechende Zinsen nicht mitgewandelt werden. Im Wandeldarlehensvertrag sollte daher ebenfalls ein Wandlungsverbot für Zinsen mit aufgenommen werden.

Nachteile von Wandeldarlehen

Wie beschrieben, sind Wandeldarlehen ein geeignetes und etabliertes Instrument bei der Startup-Finanzierung und werden auch von offizieller Seite wie der BAFA akzeptiert. Dennoch sollen abschließend auch einige Nachteile bzw. Einbußen genannt werden, wenn sich Startups für die Aufnahme von Wandeldarlehen entscheiden.

Preisnachlass für Unternehmensanteile: Als Ausgleich für das eingegangene Risiko erhält der Darlehensgeber einen beachtlichen Rabatt beim Erwerb der Unternehmensanteile – bis zu 30 Prozent.

Günstigere Unternehmensbewertung: Da sein Anteil dadurch größer wird, profitiert der Darlehensgeber davon, wenn die Unternehmensbewertung niedrig ausfällt. Im schlechtesten Fall könnte er für eine niedrigere Bewertung sogar versuchen, Einfluss auf die Verhandlungen mit anderen Investoren zu nehmen.

Zwangsweise Wandlung: Ziehen sich neue Finanzierungsrunden zu lange hin, läuft das Startup Gefahr, das erhaltene Wandeldarlehen zu einem äußert ungünstigen Kurs zwangsweise wandeln zu müssen. Viele Gründer:innen unterschätzen diese Problematik und gehen aus Geldnot auch bei Wandeldarlehen oft auf ungünstige Bedingungen ein.

Fazit

Wandeldarlehen sind ein beliebtes und etabliertes Startup-Finanzierungsinstrument, das über handfeste Vorteile verfügt. Die standardisierten Elemente aus Wandeldarlehensverträgen helfen Gründern und Investoren darüber hinaus, Verhandlungen über die Bestimmungen eines Wandeldarlehens grundlegend zu vereinfachen. Dennoch ist auch bei der Vergabe von Wandeldarlehen Weitblick gefragt. So können z.B. zu leichtfertig vergebene Caps zukünftige Bewertungsdiskussionen erschweren. Des Weiteren sollte im Zuge der Vergabe von Wandeldarlehen eine spätere “echte” Finanzierungsrunde in mittelfristiger Zukunft vorliegen, da ansonsten das Darlehen zu schlechten Konditionen zwangsgewandelt werden kann.

Über den Autor
Moritz Grumbach hat als Gründer der Unternehmen Gastrozentrale und TraceMedics zwei Startups aufgebaut, die heute 7-stellige Umsätze erzielen Er ist heute als Autor und Lehrbeauftragter im Bereich Startup-Entrepreneurship tätig und berät unter der Marke
DeinStartup.Coach Startup-Gründer:innen beim Aufbau Ihrer Firma.

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