#Gastbeitrag

5 Dinge, die CareTech-Gründer:innen VCs offen sagen sollten

Die Menschen werden immer älter. Dementsprechend boomt der CareTech-Markt. Für CareTech-Startups gibt es aber ein paar Hürden, von denen Investoren wissen sollten. Nicht zuletzt, weil sich daraus Chancen ergeben. Ein Gastbeitrag von Amir Humanfar.
5 Dinge, die CareTech-Gründer:innen VCs offen sagen sollten
Donnerstag, 22. Februar 2024VonTeam

Der CareTech-Markt ist riesig. Bis 2050 wird sich der Anteil der über 80-Jährigen laut einer Prognose der UN weltweit verdreifachen. Experten gehen von einem “silver tsunami” aus, der die Demographie umkrempelt. Laut der britischen Startup Community Sifted beläuft sich das europäische Marktvolumen für AgeTech auf schätzungsweise 3,7 Trillionen Euro. CareTech-Startups haben damit ein gutes Argument für die nächste Finanzierungsrunde. Dennoch gibt es einige Hürden, die die Startups gegenüber Investoren besser offen ansprechen sollten. Einerseits, um Erwartungen nicht zu enttäuschen und andererseits, um das strategische Commitment des Investors zu bekommen.

Hürde 1: Der CareTech-Markt ist fragmentiert

Ein Großteil der Menschen wird nicht zuhause alt. Die Idee, dass resolute Senioren sich den Alltag durch technische Helfer erleichtern, ist daher nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit werden sehr viele Menschen in Seniorenheimen alt und sind pflegebedürftig. Entsprechend fragmentiert ist der CareTech-Markt. Neben Lösungen für zuhause, die von den Kunden direkt angeschafft werden, geht es sowohl um Lösungen für die ambulante Pflege als auch für die stationäre Pflege in Seniorenheimen und Krankenhäusern. Der Markt erfordert also eine komplexe Mischung aus B2C-, B2B- und B2B2C-Ansätzen. Für Startups ist das eine Herausforderung. Gleichzeitig ist das Potenzial für Add-ons und Weiterentwicklungen des eigenen Geschäftsmodells riesig.  

Hürde 2: Digitale Infrastruktur fehlt

In 63 Prozent aller Senioren- und Pflegeheime haben Bewohner WLAN, wie eine Studie des Datenanalysten Pflegemarkt.com zeigt. Von einem WLAN, das alle Ecken im Gebäude erreicht, können viele Einrichtungen jedoch bis dato nur träumen. Für CareTech-Anwendungen, die auf IoT-Basis funktionieren, ist das ein K.O.-Kriterium. Bevor also Sensorik und Aktorik oder Roboter und KI eingesetzt werden können, muss erst einmal eine wirklich flächendeckende digitale Infrastruktur in den Einrichtungen geschaffen werden. CareTech-Startups können hier beraten und unterstützen, die Umsetzung liegt hingegen nicht in ihrer Macht. Das bedeutet aber auch, dass die Startups mit einfachen, sehr fokussierten Use Cases punkten können. Es geht nicht um High-end-Design und großes Marketing, sondern um leicht bedienbare Lösungen, die im Pflegealltag verlässlich funktionieren.

Hürde 3: Kostenübernahmen sind unklar

Bisher ist unklar, wer die Kosten für CareTech-Anwendungen sowohl im häuslichen als auch im stationären Bereich übernimmt. Viele Pflegeeinrichtungen befürchten deshalb, auf den Kosten für CareTech sitzen zu bleiben. Die Erwartungen an den Gesetzgeber, Klarheit zu schaffen, sind groß, wurden bisher aber enttäuscht. Einige Pflegeverbände haben daher vor Kurzem einen Vorschlag gemacht: Einmalzahlungen sollen durch eine langfristige bundesweite Digitalisierungspauschale pro Pflegetag und Pflegeeinsatz ersetzt werden. Damit könnten auch CareTech-Lösungen refinanziert werden – was wiederum ein starker regulatorischer Treiber für den gesamten Markt wäre. Startups, die sich bis dahin im Markt etabliert haben, bekämen einen riesigen Schub.  

Hürde 4: Datenschutz steht über Innovation 

Die Diskussion um den Datenschutz macht auch vor dem CareTech-Markt nicht halt. Vielmehr ist die Diskussion noch einmal sensibler als in anderen Bereichen. Denn letztlich geht es darum, die Privatsphäre und Rechte von Menschen zu schützen, deren Autonomie durch Alter und Krankheit ohnehin schon erheblich eingeschränkt ist. Diese Sensibilität ist richtig, darf aber nicht dazu führen, dass technologische Lösungen, die den Alltag für pflegebedürftige Menschen und Pflegepersonal erleichtern, grundsätzlich verhindert werden. CareTech-Startups müssen auf diese Ängste und Sorgen eingehen und klare Antworten liefern, wie sie Daten zugunsten der Menschen nutzen und Datenschutz gewährleisten. Durch eine klare Positionierung beim Thema Datenschutz können sich die Startups im deutschen Markt einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ausländischen Anbietern erarbeiten, von dem sie langfristig profitieren.

Fazit

Jeder dieser Punkte ist zunächst eine Hürde, die ein CareTech-Startup auf dem Weg zur Skalierung nehmen muss. Sollten Investoren daher lieber von einem Investment absehen? Die Antwort ist eindeutig “Nein”. Denn jede der Hürden birgt auch eine Chance, die die Start-ups nutzen können. Dafür müssen sie aber die volle Unterstützung ihrer Investoren für strategische Entscheidungen haben, die einen riesigen Markt manchmal auch etwas kleiner erscheinen lassen und die mehr Zeit brauchen als Business-Modelle in anderen Branchen. Langfristig spricht aufgrund der demographischen Entwicklung und der fortschreitenden Digitalisierung alles für ein nachhaltiges Wachstum im CareTech-Bereich. Umso mehr müssen sich Startups und Investoren darüber im Klaren sein, was ihre Erwartungen sind, und dann gemeinsam die Hürden meistern.

Über den Autor:
Amir Humanfar ist Co-Founder und CMO des Berliner CareTech-Startups HUM Systems, das die KI-basierte Sensorstation Livy Care entwickelt hat.

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Foto (oben): Shutterstock