#Gastbeitrag

Lizenz zum Regelbrechen: Wie Führungskräfte Intrapreneurship fördern können

Für Führungskräfte, die Intrapreneurship fördern wollen, bedeutet dies, dass sie interne Regeln immer wieder in Frage stellen sollten. Was ist wirklich nötig? Was ist vielleicht längst überflüssig? Wo ist Flexibilität und eigenes Denken der bessere Weg? Ein Gastbeitrag von Nikolaus Franke.
Lizenz zum Regelbrechen: Wie Führungskräfte Intrapreneurship fördern können
Freitag, 1. Dezember 2023VonTeam

Für Unternehmen sind Intrapreneure, also Menschen, die Widerstände überwinden und unternehmerisch handeln, in Zeiten von KI, immer kürzeren Produktlebenszyklen und ständiger Veränderung überlebensnotwendig geworden. Sind es doch gerade sie, die neue Wege beschreiten, um mit ihrer Kreativität Innovationen voranzutreiben, Marktchancen identifizieren, oder neue Geschäftsmodelle entwickeln. 

Freunde, nicht Feinde des Unternehmens

Durch die Tatsache, dass sie die bestehende Ordnung herausfordern, werden sie von der Organisation häufig als Störenfried bzw. als Fremdkörper wahrgenommen. Es ist daher entscheidend wichtig, dass die Führung des Unternehmens sie gezielt fördert und unterstützt – andernfalls werden sie langfristig in ihrer Erneuerungskraft erlahmen oder das Unternehmen verlassen. Intrapreneur zu sein, muss sich lohnen.

Anleitung zum sinnvollen Regelbruch

Ein sehr wichtiger Aspekt ist dabei, dass die Führungskräfte des Unternehmens Intrapreneure zum Übertreten von etablierten Regeln proaktiv ermutigen sollten. Ohne Regelbrüche sind gerade Innovationen undenkbar. Jede Erneuerung geht über bestehende Denkmuster hinaus und verletzt scheinbar in Stein gemeißelte Grundsätze und Prinzipien. Unkonventionelle und kreative Ansätze und neue Wege brechen per Definition aus bestehenden Mustern aus. Dies gilt in besonderer Weise für disruptive Innovationen, die bestehende Branchen und Märkte grundlegend umgestalten. Nur wer Regeln, Routinen und bestehende Geschäftsmodelle in Frage stellt, kann radikal neue Technologien, Produkte oder Dienstleistungen schaffen, die bestehende Märkte auf den Kopf stellen.

Naturgemäß ist dies ein kritischer Balanceakt. Für den Routinebetrieb eines Unternehmens sind die Etablierung, die Einhaltung und die Überwachung von Regeln von entscheidender Bedeutung. Regeln schaffen klare Erwartungen und einen einheitlichen Rahmen für das Verhalten und die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter und steigern auch die Produktivität, indem sie klare Richtlinien für den Umgang mit Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Ressourcen festlegen. Doch Regeln haben auch die Tendenz, zu wuchern. Und sie sind oft nicht flexibel genug. In allen Organisationen dieser Welt werden viel mehr Regeln geschaffen als abgeschafft. 

Intrapreneure, die Treiber des Wandels

Ein uns allen bekanntes Beispiel zeigt exemplarisch, welcher Nutzen entstehen kann, wenn unternehmerisch denkende Menschen bestehende Regeln in Frage stellen bzw. sie brechen. 

In New York führte die Regulierung des Transportwesens beispielsweise dazu, dass eine Taxilizenz mit über einer Million US Dollar gehandelt wurde. Die hohen Kosten führten zu schlechter Qualität. Uber und Lyft umgingen viele der Regelungen, indem sie sich als Technologieunternehmen positionierten. Viele Städte und Länder reagierten auf den Druck, den diese neue Art der Dienstleistung ausübte, und reformierten die Bestimmungen. Ähnliche Wirkungen gingen von vielen anderen Entrepreneuren der sogenannten Shared Economy aus, wie Airbnb oder der File Sharing Plattform Pirate Bay. Je größer die technologische oder gesellschaftliche Änderungsgeschwindigkeit ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass Gesetze und Bestimmungen veraltet sind und in Wirklichkeit mehr schaden als nutzen. Regelbrecher können also Treiber des Wandels sein. Auch Intrapreneure dürfen sich nicht zu sehr an bestehenden Regelungen und ihren engen Spielräumen orientieren.  Innovationen sind schöpferische Zerstörungen, und nur wer über den Tellerrand hinausschaut, wird Dinge verändern können. 

Intrapreneurship etablieren – aber wie?

Für Führungskräfte, die Intrapreneurship fördern wollen, bedeutet dies, dass sie interne Regeln immer wieder in Frage stellen sollten. Was ist wirklich nötig? Was ist vielleicht längst überflüssig? Wo ist Flexibilität und eigenes Denken der bessere Weg? Wer weniger Regeln hat, braucht weniger Regelbrecher. Eine Möglichkeit ist beispielsweise, alle Regeln nur für eine bestimmte Zeit aufzustellen. Dieser Zwang zur “Wiedervorlage” fördert bewusste Entscheidungen. Nur was sich bewährt hat, wird beibehalten. Neben ihrer Möglichkeit, die formalen Regeln und Strukturen immer wieder zu entschlacken, prägen und beeinflussen Führungskräfte auch die informelle Unternehmenskultur. Ein entscheidender Nährboden für Intrapreneurship ist eine Kultur der Offenheit, des Experimentierens und des Lernens. Eine solche Atmosphäre ist die Voraussetzung dafür, dass Mitarbeiter bereit sind, bestehende Regeln in Frage zu stellen und neue Ideen voranzutreiben. Es braucht die entsprechenden Werte und klare Anreize. Führungskräfte sollten außerdem explizit darauf hinweisen, dass es sinnvoll sein kann, Regeln zu brechen. Sie können und sollten in dieser Hinsicht Vorbild sein. Indem sie selbst demonstrativ Routinen und (unsinnige) Regeln brechen, motivieren sie ihre Mitarbeiter dazu, dasselbe zu tun. 

Auf die richtige Balance kommt es an

Worauf es in der Praxis ankommt, ist, dass Führungskräfte den richtigen Balanceakt zwischen der Förderung von Regelbrüchen und der Aufrechterhaltung eines gesunden Rahmens finden müssen. Natürlich kann es nicht darum gehen, Regelbrüche blind zu fördern. Sie sollten vielmehr bewusst erfolgen. Chancen und Risiken sollten dabei sorgfältig abgewogen werden. Die Kenntnis der übergeordneten Unternehmensziele, die Einhaltung ethischer Standards und die Berücksichtigung der Auswirkungen von Regelbrüchen sind entscheidend für den Erfolg von Intrapreneurship. So können Unternehmen ihre Fähigkeit, kreativ zu sein, mutig zu handeln und Veränderungen voranzutreiben, wirksam steigern.

Was versteh man unter “Intrapreneurship”?

Der Begriff “Intrapreneurship” stammt von Gifford Pinchot III (1978). Er verbindet die beiden Fachworte “Intracorporate” (= innerhalb eines Unternehmens) und “Entrepreneurship” (=unternehmerisches Denken und Handeln) und betont damit, dass sich unternehmerisches Handeln keineswegs auf den Eigentümer-Unternehmer begrenzen muss, sondern in jedem Unternehmen dringend notwendig ist.

Über den Autor
Nikolaus Franke ist Akademischer Leiter des MBA Entrepreneurship & Innovation der WU Executive Academy und Leiter des Instituts für Entrepreneurship & Innovation, des WU Gründungszentrums, und der User Innovation Research Initiative an der WU Wien.

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Foto (oben): azrael74