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Mitmalfilm und die kryptischen Absagen der Löwen

Beim Auftritt von Mitmalfilm wurde es in der neuen Staffel von "Die Höhle der Löwen" richtig künstlerisch. Doch leider scheinen die Zahlen in bestimmter Hinsicht nicht zu überzeugen. Doch was genau steckt hinter den teilweise etwas kryptischen Absagen der Löwen?
Mitmalfilm und die kryptischen Absagen der Löwen
Mittwoch, 30. August 2023VonRuth Cremer

Manchmal ist das, was ein Startup macht, einfach nur schön. Auch die neue Staffel von “Die Höhle der Löwen” hat mit dem jungen Unternehmen Mitmalfilm gleich wieder ein solches Thema zu bieten, denn hier können Kinder ihre eigene Zeichnung zum Hintergrund eines Zeichentrickfilms werden lassen. Doch leider scheinen die Zahlen in bestimmter Hinsicht nicht zu überzeugen. Doch was genau steckt hinter den teilweise etwas kryptischen Absagen der Löwen?

Zunächst wurde es beim Auftritt von Mitmalfilm richtig künstlerisch. Denn das Startup stellte sein Modell mit den Malbüchern, die Kinder ausmalen und dann per App zum Hintergrund eines Zeichentrickfilms konvertieren können, nicht einfach nur vor, sondern die Löwen durfte es sogar selbst ausprobieren. Nicht nur freute sich Ralf Dümmel dann ganz besonders, als er anschließend den kurzen Zeichentrickfilm sehen konnte, der vor dem von ihm gemalten Hintergrund stattfand, auch verlosten die Löwen ihre Bilder. Doch bevor sich fünf ZuschauerInnen über die Löwen-Kunst freuen konnten, gab es auch noch einige Zahlen zu hören – und leider auch eine Reihe Absagen zu verkraften.

Denn natürlich ging es nach dem künstlerischen Teil vor allem um die Zahlen. Das junge Unternehmen hat bereits 2020 sein erstes Malbuch am Markt platziert, und in den Folgejahren jeweils mehrere hundert Bücher verkauft. Das erscheint nicht wahnsinnig viel, ist aber zunächst auch kein Anlass für große Kritik.

Die Marge erscheint zunächst auch gar nicht einmal so schlecht. 18 Euro kostet ein Buch mit 3 Filmen, die daraus erstellt werden können, auch einzeln kann man sie kaufen für 9 Euro. Und selbst bei niedriger Auflage liegen die Druckkosten für die Bücher hier bei nur 2,87 Euro pro Stück, es bleiben also rund 15 Euro übrig.

Nun könnte man meinen, dass das grundsätzlich attraktiv sein könnte als Geschäftsmodell, oberflächlich betrachtet sieht es ja sogar nach einer sehr guten Marge aus. Doch Ralf Dümmel stellt die entscheidende Frage, denn die Druckkosten sind überhaupt nicht das Entscheidende bei diesem Geschäftsmodell, schließlich gibt es ja auch noch den Film, der produziert werden muss. Und wer anfangs im Pitch aufgepasst hat, weiß, dass für eine Minute Zeichentrickfilm circa 700 Zeichnungen angefertigt werden müssen.

Tatsächlich schlägt eine solcher Film, wenn er so hochwertig produziert wird, laut dem Gründerpaar mit rund 25.000 Euro zu buche. Nun muss man jedoch vorsichtig sein, denn bei einer solchen Art von Kosten fällt es vielen schwer, diese sinnvoll in die Geschäftsmodell-Rechnung mit einzubeziehen.

Denn einerseits handelt es sich nicht wirklich um variable Kosten: man kann im Voraus die Kosten nicht auf das einzelne verkaufte Produkt herunterrechnen, bezahlt man doch für den Film nur einmal, egal, wie viele Bücher man nachher verkauft und wie viele Filme daraus gemacht werden. Zur Veranschaulichung ein Rechenbeispiel: Verkauft man 100 einzelne Mitmalfilme, verteilen sich auch die 25.000 Euro Produktionskosten auf diese 100 Malvorlagen, aus denen dann ein fertiger Mitmalfilm entstehen kann. Man müsste also pro verkauftem Produkt Kosten in Höhe von 250 Euro veranschlagen. Das ist natürlich ein Verlustgeschäft.

Verkauft man aber 25.000 Malvorlagen, teilen sich auch die Produktionskosten auf die viel größere Menge auf, man müsste also nur noch einen einzigen Euro von der Marge abziehen und hätte so ein sehr spannendes Geschäft.

Solche Kosten sind also dahingehend ein wenig trickreich, dass sie nicht direkt in einer spezifischen Höhe von der Marge abgezogen werden können wie „normale“ variable Kosten, aber im Gegensatz zu „normalen“ Fixkosten schon – zumindest im Nachhinein – auf das einzelne Produkt umgerechnet werden können und auch direkt davon abhängen. Würde man sie also als reine Fixkosten behandeln, verzerrt sich das ganze Geschäftsmodell und erscheint eventuell viel vorteilhafter, als es eigentlich ist.

Bei solchen Modellen muss man sich also immer die entsprechenden Verkaufsaussichten vor Augen halten und damit rechnen. Vielleicht war dies auch ein Grund, warum viele der Löwen ihren Ausstieg damit begründeten, dass sie nicht die Verkaufskanäle zur Verfügung stellen könnten, um die Verkäufe der Malbücher anzukurbeln. Denn Investoren rechnen solche Dinge normalerweise schon aus, während man mit ihnen spricht.

Nun wird sich der ein oder andere, der in einer kreativen Branche arbeitet und sich hier ein wenig auskennt, schon denken, dass es gerade für solche Projekte oft gute Möglichkeiten gibt, die hohen Produktionskosten quer zu finanzieren. Besonders beim Film sind hier Fördermittel sehr beliebte, was für viele kleinere Unternehmen auch recht gut funktioniert. Ob dies im konkreten Fall von Mitmalfilm so sein könnte, erfahren die ZuschauerInnen aus dem ausgestrahlten Zusammenschnitt nicht, aber als reines Gedankenspiel kann man sich schnell vor Augen führen, wie so etwas funktioniert: bei zum Beispiel 20.000 Euro geförderten Kosten blieben pro Film “nur noch” 5.000 Euro, die das Unternehmen selbst aufbringen müsste. Aufgeteilt auf z.B. 1000 Verkäufe ergäben sich also noch 5 Euro pro verkauften Produkt, wodurch dann immer noch eine Marge bliebe. Das Geschäftsmodell wäre also schon bei viel weniger Verkäufen tragbar.

Wenn es so funktioniert, ist das natürlich super für die GründerInnen, allerdings sind solche geförderten Geschäftsmodelle bei Investoren äußerst unbeliebt, denn es gibt natürlich keine Garantie für die Förderungen und auch die Skalierbarkeit des gesamten Modells wird eher als sehr eingeschränkt bewertet.

Aber es ist natürlich völlig in Ordnung, wenn etwas für GründerInnen und Unternehmen, nicht jedoch für Investoren funktioniert.

Für das süße und tolle Thema von Mitmalfilm bleibt nach dem Ausstieg aller Löwen jedenfalls zu hoffen, dass das Gründerpaar es auf die ein oder andere Weise schafft, ihr Modell für sich tragfähig zu machen – schließlich wollen bestimmt auch viele Kinder jenen Stolz empfinden, der Löwe Ralf Dümmel beim der Vorführung „seines“ Films so deutlich anzumerken war.

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Foto (oben):  TVNOW / Bernd-Michael Maurer

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und als Beraterin, Coach und Speaker tätig. Außerdem ist sie Hochschuldozentin im Bereich Unternehmertum und eCommerce. Die ehemalige Investment-Managerin kennt die Szene in- und auswendig und hilft Startups insbesondere dabei, Pitches vorzubereiten und Investment- sowie Akquisitionsprozesse zu meistern. Ruth Cremer ist bereits seit der fünften Staffel als externe Beraterin für das Format „Die Höhle der Löwen“ tätig und unterstützt die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten. Mehr zu ihr auch unter www.ruthcremer.de.