#Gastbeitrag

Profitabilität zählt jetzt mehr als Wachstumsversprechen

Startups haben es aktuell schwer. Wollen Gründer:innen weiterhin Investoren überzeugen, müssen sie mit Profitabilität punkten statt mit Wachstumsversprechen. Wie du von einem Profitabilitätscheck profitieren kannst. Ein Gastbeitrag von Massimo Cancellara.
Profitabilität zählt jetzt mehr als Wachstumsversprechen
Freitag, 2. Juni 2023VonTeam

Die Devise vieler Startups in den letzten Jahren lautete: höher, schneller, weiter. Je mehr Kapital eingesammelt wurde, desto besser – und umso erfolgreicher galt das Geschäftsmodell. Doch das ändert sich jetzt. Auch in der EdTech-Branche, die laut Marktanalysen resilienter ist als andere Branchen, ist der Wandel spürbar: Die Investitionsbereitschaft von VCs hat stark nachgelassen. Trotz der gesellschaftlichen Relevanz von EdTechs und der Notwendigkeit, die Bildung in Deutschland neu zu denken, sind Investitionen in diesem Bereich im Jahr 2022 um mehr als die Hälfte gesunken – das ergab der „EdTech Funding Report“ von Brighteye Ventures.

In nahezu allen Branchen schauen Geldgeber:innen nun genauer hin – neben Idee und Impact zählen vor allem wirtschaftliche Faktoren. Kostenstrukturen, Margen, Runway und auch die anvisierte Profitabilität sind wichtige Indikatoren für eine Investitionsentscheidung. Daher ist es für Startups wichtiger denn je, ihr Augenmerk auf Profitabilität statt auf starke Skalierung zu legen. Das Motto 2023 lautet: gesund wachsen. Was also können Startups tun, wollen sie auch in Krisenzeiten überzeugen? 

Vor Investorengesprächen die Hausaufgaben machen

Statt Luftschlösser zu bauen oder Zahlen und Daten zu beschönigen, sollten Gründer:innen realistisch bleiben. Es ist wichtig, das eigene Standing im Markt zu kennen und darauf fußend ambitionierte Ziele zu formulieren. Das zahlt auf die derzeitige zögerliche Haltung der VCs ein. 

Wie genau das eigene Standing aussieht, verraten dir die Zahlen deines Unternehmens. Allen voran die Basic-Zahlen, die Unit Economics und KPIs. Erst, wenn du deine Kosten, Margen und Preis pro Kunde kennst, weißt du, was du etwa ausgeben oder für Werbe-Maßnahmen investieren kannst und wo die Grenzen des Geschäftsmodells deines Startups liegen. Diese Zahlen sind auch für die Vorbereitung von Investmentrunden wichtig. Mach vor den Gesprächen mit VCs in jedem Fall deine Hausaufgaben. Zeige konkret auf, wie dein Weg zur Profitabilität aussieht. 

Profitabilitätscheck: An der Kostenschraube drehen

Die Profitabilität deines Startups kannst du testen. Dazu drehst du alle Wachstumskosten, also nicht zwingend notwendige Geschäftsausgaben, zum Beispiel in Marketing und Sales eine Zeit lang herunter. Dann siehst du genau, wie lange es dauert, bis du schwarze Zahlen schreibst. Dieser Test hat bei Easy-Tutor für Überraschung gesorgt, als sich zeigte, dass wir bereits nach wenigen Wochen in die schwarzen Zahlen kamen. 

Ein solcher Profitabilitätscheck liefert dir einen guten Überblick über das eigene Potenzial. Damit kannst du bei Investor:innen punkten. Aber nicht nur das, du kannst aus einem solchen Test auch Entwicklungsmaßnahmen für dein Unternehmen ableiten. Meine fünf wichtigsten Learnings aus dem Prozess:

  1. Das Pricing kennen: Es lohnt sich, von Anfang an und immer wieder im Check für sich zu klären, woher die Einnahmen kommen und in welcher Höhe damit zu rechnen ist. Der Profitabilitäts-Test zeigt, wo nachgebessert werden muss.
  2. Klare Prozesse aufbauen: Finden irgendwo unnötige Umwege statt? Wo geht wichtige Zeit oder Kapazität verloren? Der Test ermöglicht es, alle Prozesse im Unternehmen auf den Prüfstand zu stellen, regelmäßig zu hinterfragen und daraufhin zu optimieren. 
  3. Offene Kommunikation mit den Mitarbeitenden: Es ist wichtig, alle Teammitglieder transparent mitzunehmen, wenn es um die wirtschaftliche Lage des eigenen Unternehmens geht. Es ist wichtig, allen klarzumachen, wie man als Unternehmen agiert. Das schafft Vertrauen, stärkt das Wir-Gefühl und sensibilisiert das Ausgaben-Bewusstsein.
  4. Expertise ins Team holen: Es gibt Unternehmensfelder, da ist Wissen und Erfahrung wichtig. Dessen solltest du dir bewusst sein und die Expertise auch von seniorigeren Mitarbeitenden, beispielsweise in der mittleren Führungsebene, ins Team holen. Eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Leuten ist hier der Schlüssel zum Erfolg.
  5. Skalierung und Personal sind nicht proportional zueinander: Mehr Personal bedeutet nicht automatisch mehr Umsatz. Das sollte man immer im Hinterkopf behalten, um effizient zu wirtschaften und nur die Leute an Bord zu holen, die man wirklich im Team benötigt.

Kapital wohlüberlegt einsammeln

In den heutigen Zeiten ist Vorsicht besser als Nachsicht. Das gilt nicht nur für die gute Vorbereitung von Finanzierungsrunden. Hast du es dank deines Profitabilitätschecks geschafft, VCs zu begeistern, solltest du dennoch bodenständig bleiben. Überleg dir genau, wie viel Kapital wofür konkret benötigt wird. Kleinere Runden und realistische Bewertungen schützen vor so genannten Downrounds, also vor einer Unternehmensbewertung, die unter der Bewertung der letzten Finanzierungsrunde liegt. Nur, wer nachweisen kann, dass er oder sie verlässliche und kontinuierliche Einnahmequellen hat und finanzielle Mittel nachhaltig einsetzt,  wird in Krisen als Gewinner:in hervorgehen.

Über den Autor
Massimo Cancellara ist CEO und Co-Gründer des EdTechs Easy-Tutor, das er 2017 zusammen mit seiner Schwester Jessica Contento gegründet hat. Auch nach dem EdTech-Boom während der Corona-Pandemie und trotz des global angespannten Kapitalmarktes stehen die Zeichen des Startups auf gesundem Wachstum – erst Ende Dezember letzten Jahres sammelte Easy-Tutor 4,8 Millionen Euro von Investoren ein.

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Foto (oben): Shutterstock