#Gastbeitrag

Warum Englisch die Muttersprache aller Startups sein sollte

Obwohl Startups als Arbeitgeber immer beliebter werden, haben auch sie mit den Auswirkungen des Fachkräftemangels zu kämpfen. Warum sie auf Englisch als Unternehmenssprache setzen sollten, um dieser Herausforderung zu begegnen, erklärt Job van der Voort.  
Warum Englisch die Muttersprache aller Startups sein sollte
Donnerstag, 11. Mai 2023VonTeam

Englisch als zweite offizielle Verwaltungssprache für alle deutschen Behörden – so lautet eine aktuelle Forderung der FDP. Und diese macht mit Blick auf den sich ständig verschärfenden Fachkräftemangel durchaus Sinn. Immer mehr Unternehmen sehen sich gezwungen, im Ausland auf die Suche nach geeigneten Bewerber:innen zu gehen, weil sie in Deutschland einfach keine finden können. Dass das kein typisch deutsches Problem ist, wird durch eine unserer Studien belegt: Inzwischen geben 20 % der HR-Verantwortlichen weltweit an, auch über die eigenen Landesgrenzen hinweg nach neuen Mitarbeiter:innen zu suchen, um endlich ihre vakanten Stellen besetzen zu können. 

Englisch als Behördensprache ist ein absolutes Muss 

Doch wie hoch sind die Chancen, wenn von ausländischen Bewerber:innen verlangt wird, vor Antritt ihrer potenziellen, neuen Stelle erst einmal Deutsch zu lernen, um überhaupt in der Lage zu sein, an ihrem Arbeitsplatz mit Kolleg:innen und Kund:innen zu kommunizieren? Das würde für sie nicht nur eine erhebliche Mehrarbeit bedeuten – es würde auch unnötig lange dauern. Selbst dann, wenn eine Sprache über mehrere Stunden am Tag hinweg intensiv gelernt wird, dauert es mehrere Monate, um ein Level aufzusteigen. Bis ausländische Bewerber:innen, die zuvor noch keinen Kontakt mit dem Deutschen hatten, über fortgeschrittene Sprachkenntnisse auf B1-Niveau verfügen, kann es also schnell bis zu einem Jahr dauern. 

Wie unsere eigens durchgeführte Umfrage belegt, ist für 38 % der Unternehmen die sprachliche Barriere noch immer die größte Hürde, wenn sie nach internationalen Bewerber:innen suchen. Um diese zu umgehen, stellen jetzt immer mehr auf das Englische als Unternehmenssprache um. Damit machen sie sich für internationale Bewerber:innen als potenziellen Arbeitgeber nicht nur attraktiver, sondern verkürzen auch die Zeit, bis sie eine offene Vakanz füllen können. Sprachwissenschaftler:innen zufolge ist Englisch zwar nicht die meistgesprochene Muttersprache, wird aber immerhin von mehr als 1,1 Milliarden Menschen beherrscht. Englisch als zweite Behördensprache einzuführen, wäre demnach die einzig logische Konsequenz. Wenn der deutschen Politik tatsächlich etwas daran gelegen ist, die klaffende Wunde des Fachkräftemangels dauerhaft zu verarzten, dürfen ausländische Bewerber:innen auf keinen Fall am Behördendeutsch scheitern.  

Wie Startups gleich doppelt profitieren 

Ich selbst bin Niederländer und mir wäre es nie in den Sinn gekommen, ein Unternehmen in meiner Muttersprache zu gründen. Weltweit sprechen nur etwa 21 Millionen Menschen Niederländisch – die Wahrscheinlichkeit, in diesem vergleichsweise winzigen Pool immer dann die richtigen Kandidat:innen herauszufischen, wenn gerade eine Stelle zu besetzen ist, geht gegen null. Ich bin deshalb der Meinung, dass die Sprache, die innerhalb eines Unternehmens gesprochen wird, nicht unbedingt etwas mit der Kultur zu tun hat, sondern vielmehr mit der Einstellung, die besten Talente für sich gewinnen zu wollen – vollkommen egal, ob diese sich in einem der klassischen Tech-Hubs wie Berlin oder San Francisco oder in der indischen Provinz befinden. 

Gerade für Startups kann das den entscheidenden Unterschied machen. Sie schwimmen zwar in der Regel ganz vorne mit, wenn es um moderne Arbeitsmethoden gibt, bieten vermehrt Remote Work und sind offen für neue Perspektiven, weil „Das haben wir schon immer so gemacht“ hier nicht zählt. Wer (noch) über keinen bekannten Namen verfügt, hat es aber umso schwerer, sich gegenüber etablierten Branchengrößen zu behaupten. Der Fachkräftemangel hat sich deshalb auch in der Startup-Szene deutlich spürbar verschärft und zählt laut dem deutschen Startup-Verband für 35 % von ihnen zu den größten Herausforderungen. 

Für mich wäre es nie in Frage gekommen, in einer anderen Sprache als Englisch zu gründen. Einerseits bewegt man sich als Tech-Startup ohnehin in einer Welt, die von Ideen und Produkten geprägt ist, die die Grenzen einzelner Länder weit übersteigen. Andererseits war uns bei Remote von Anfang an klar, dass wir auf Talente aus aller Welt angewiesen sind, um dem Wachstum unseres Unternehmens mit einer entsprechenden Anzahl neuer Mitarbeiter:innen gerecht zu werden. Letzten Endes war es nur durch die Schaffung eines sprachneutralen Umfelds möglich, eine integrativere Unternehmenskultur zu schaffen. Die Diversität unseres Teams spielt dabei für uns eine wichtige Rolle, denn ihre verschiedenen ethnischen und kulturellen Hintergründe eröffnen uns neue Perspektiven, die uns verborgen geblieben wären, wenn wir nur in unserer eigenen Heimat rekrutiert hätten. Ich empfehle allen Startups deshalb, sich nicht ans Deutsche zu klammern. Über den eigenen sprachlichen Tellerrand hinauszublicken, kann sich gleich doppelt auszahlen. 

Über den Autor
Job van der Voort ist Mitgründer und CEO von Remote, einem Unternehmen, das es Arbeitgebern ermöglicht, jeden von überall aus einzustellen. Vor der Gründung von Remote arbeitete Job van der Voort als Hirnforscher, bis er die akademische Welt verließ und VP of Product bei GitLab wurde, wo er Mitarbeitende aus 67 verschiedenen Ländern einstellte. Van der Voort ist ein gefragter Keynote-Speaker, der über Themen wie die Skalierung eines Remote-Startups, die Kultur bei Remote-Unternehmen und die Zukunft der Arbeit spricht. Er hat zwei Kinder und fünfhundert Hobbys. 

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Foto (oben): Shutterstock