#Interview

“Ich habe mich beruflich noch nie so frei gefühlt”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Unser Gründerteam hat sich in einem Jahreskurs gefunden. Dort hatten wir unabhängig voneinander dieselbe Idee: Reinigungsmittel ohne Wasser und ohne Kunststoffverpackung", erzählt ooohne-Gründerin Carolin Möllenbeck.
“Ich habe mich beruflich noch nie so frei gefühlt”
Freitag, 28. April 2023VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Carolin Möllenbeck, Gründerin von ooohne. Das Startup aus Telgte bietet Reinigungsmittel, “die auf das Wesentliche reduziert sind”.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Den ganz normalen Arbeitsalltag gibt es bei uns nicht! Mal bereite ich eine Messe vor, mal bin ich auf dem Weg zu meinem Mitgründer in Berlin in den Coworking-Space oder ich packe und versende Produktmuster für unser Panel. An manchen Tagen stelle ich unsere Reiniger bei einer Promotion-Aktion im Biomarkt vor… Aber wenn es ein Schreibtisch-Tag ist, startet der meist nach einer Runde um den Block mit einem schönen Kaffee in der Hand. So simuliere ich mir den Arbeitsweg, bevor es im Homeoffice losgeht. Das klappt aber nur in den Sommermonaten.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Das übe ich noch (lacht). Hörbucher, Podcasts, am einfachsten ist es aber mit Sport.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Was ich definitiv gern früher gewusst hätte: wie toll es ist, zu gründen! Ich habe mich beruflich noch nie so frei gefühlt und so viel gelernt wie in den 4 Jahren, seit ich mich mit der Gründung beschäftige. Hätte ich das gewusst, hätte ich bestimmt schon ein paar Jahre früher losgelegt. An Infos hat es uns nicht gemangelt. Ich habe mit einem Entrepreneurship-Jahreskurs gestartet. Für mich doppelt gut, denn dort habe ich meinen Mitgründer Jan gefunden und wir hatten von Anfang an ganz viel Austausch mit anderen Gründer:innen und Workshops und dadurch jede Menge Informationsquellen.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Vor der Gründung auf die Idee zu kommen, dass Gründen überhaupt eine Option für mich ist. In meinem Umfeld (Familie/Freunde) war niemand selbständig oder hat gegründet. Als der Wunsch während des Studiums in mir aufkam, habe ich mich nicht getraut. So war ich zunächst angestellt. Zwar habe ich dort viel gelernt, war aber nicht so richtig glücklich. Seit der Gründung Hersteller zu finden, die in plastikfreie Verpackungen abfüllen können. Die Reinigungsmittelbranche ist sehr auf Plastik fixiert. Genau das zu verändern ist ja unser Ziel. Beim Waschpulver und Spülmaschinenpulver haben wir das schon geschafft. Bei unserem ersten Produkt – Hand-Spülmittel – sind wir noch immer nicht ganz am Ziel. Plastikfrei zwar schon, aber die Abfüllung müssen wir noch selbst organisieren.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Oha… unsere Fuck up-Liste ist lang und wächst kräftig. Zum Beispiel haben wir uns bei unserem ersten Produkt (Hand-Spülmittel zum Anmischen mit Leitungswasser) ordentlich verzettelt. Statt bald nach der Produktentwicklung zu starten, haben wir uns Ewigkeiten mit der Verpackung aufgehalten, um direkt alle Kriterien zu erfüllen: Recyclingpapier, ohne Plastikbeschichtung, in Deutschland gefertigt, mit ökologischen Farben bedruckt… Das Ergebnis war eine wunderschöne Schachtel. Das Problem: Sie musste von Hand abgefüllt werden, was unser Hersteller nicht mit erledigen konnte. Unser Learning: wir starten jetzt schneller mit neuen Produkten, auch wenn sie noch nicht 100 % unseren Anforderungen entsprechen. Ein Beispiel: Nach Spülmittel und Waschpulver haben wir Reiniger zum Anmischen herausgebracht. Also Pulver, aus dem man sich selbst mit Leitungswasser flüssigen Bad-, Küchen- oder Allzweckreiniger herstellt. Deren Papiertüten haben eine ganz dünne PE-Beschichtung. Bis wir eine bessere Lösung dafür finden.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Mit gutem Karma (lacht). Unsere erste Kollegin hat zunächst ein Praktikum bei uns gemacht. Jetzt arbeitet sie neben ihrem Studium für uns weiter und macht tolle TikTok-Videos für ooohne. Also sind wir jetzt zu dritt. Unser Gründerteam hat sich in einem Jahreskurs gefunden. Dort hatten wir unabhängig voneinander dieselbe Idee, die wir hintereinander gepitched haben: Reinigungsmittel ohne Wasser und ohne Kunststoffverpackung.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Sucht euch Mitstreiter:innen und legt los! Und: immer um Hilfe fragen. Ich hätte nie gedacht, wie einfach das ist und wie gerne andere Menschen einfach so anderen unter die Arme greifen.

Ohne welches externe Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Shopify. Nextcloud. Signal. Meine Kaffeemachine.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Wir haben eine geschäftliche Fernbeziehung – Münster – Berlin. Das klappt durch täglichen Austausch per Signal, Telefon oder Zoom. Aber regelmäßige Treffen vor Ort dürfen nicht fehlen. Meist fahre ich nach Berlin. Mein Mitgründer ist gerade Papa geworden.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Manchmal denke ich, seit einer ganzen Weile ohne Einkommen zu leben, ist das krasseste… manchmal, dass Jan und ich während unserer Transparenzwoche vor
laufender Kamera buchstäblich die Hosen runter gelassen haben.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): ooohne