#Interview

“Gründen heißt eine Organisation aufbauen, dafür braucht man motivierte Menschen”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Zu sehr festhalten an der eigenen Sichtweise, andere Lösungsansätze nicht zulassen, und blind sein gegenüber dem motivationalen Schaden, den man anrichtet. Gerade als Gründer:in fällt man gerne in diese Falle", erzählt Daniel Bohn von Conceptboard.
“Gründen heißt eine Organisation aufbauen, dafür braucht man motivierte Menschen”
Freitag, 10. Februar 2023VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Daniel Bohn, Co-Gründer von Conceptboard, einem Anbieter von Visual Collaboration Software.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Mein Arbeitsalltag startet immer mal wieder woanders, da wir bei Conceptboard alle remote arbeiten können. So kann es sein, dass ich statt zu Hause auch mal im Pop-up-Office in Porto meine Arbeit beginne. Unabhängig davon mache ich vor der Arbeit gerne Sport, meistens Yoga oder Jogging. Danach frühstücke ich herzhaft – manchmal auch in einem Café in der Nähe – bevor ich mich an den Schreibtisch setze und erst mal alle Nachrichten beantworte. Ich schaue, wo ich gerade gebraucht werde und rufe bei dem ein oder anderen an. Danach mache ich mich an meine To-Do-Liste.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Nach der Arbeit folge ich meiner Liebe zur Musik. Ich versuche mich darin, alle paar Jahre ein neues Instrument zu lernen. Mein aktueller Favorit ist das Akkordeon, hauptsächlich spiele ich aber E-Bass in meiner kleinen Acoustic-Punk Band.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Dass es solch ein Marathon wird! Wir waren bereits 2010 mit Conceptboard online. Bis wir es aber geschafft hatten, Conceptboard als Unternehmen so aufzubauen, wie es heute funktioniert, war es ein weiter Weg. Unsere Idee war von Anfang an gut. Wir waren mit die Ersten in der Produktkategorie “Visual Collaboration”, also jener Art vollumfänglichen Online-Whiteboards, die heute aus dem Arbeitsalltag kaum noch wegzudenken ist. Aber damals, weit vor Corona, war der Bedarf für solche Tools noch sehr nischig. Deswegen haben wir lange für den Product-Market-Fit gebraucht und erst mit einem Investorenwechsel 2017 sind wir in ein Modell gekommen, das wirklich funktioniert hat. Ich habe immer an die Idee geglaubt, und es war und ist auch immer noch ein spannender Weg, besonders die aktuelle Skalierung. Wir werden gerade richtig groß, aber dass der Anlauf so lang sein kann, das hätte ich gerne vorher gewusst.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Der Weg zur Gründung war einfach: kündigen, los geht’s. Was schwierig war, das war alles, was danach kam.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Micro-Managing! Zu sehr festhalten an der eigenen Sichtweise, andere Meinungen und Lösungsansätze nicht zulassen, und dabei blind sein gegenüber dem motivationalen Schaden, den man anrichtet. Gerade als Gründer:in fällt man, glaube ich, gerne in diese Falle – es ist ja schließlich mein Baby! Aber Gründen heißt vor allem eine Organisation aufbauen, und dafür braucht man jede Menge motivierter Menschen, die Bock haben, eigene Ideen umzusetzen, und denen auch die Freiheit gegeben wird, dies zu tun. Das würde ich sagen, war mein Learning Number One.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Am liebsten Word-of-Mouth. Wenn gute Mitarbeiter:innen in ihrem Bekanntenkreis positiv über ihren Arbeitsplatz sprechen und wir darüber neue Top-Kolleg:innen bekommen, dann ist das ein Win-Win-Win! Das vergüten wir dann auch gerne. Dazu kommen die regulären Kanäle, Stellenbörsen, Social Media, Job-Plattformen, sowie natürlich die Sichtbarkeit, die Conceptboard mittlerweile hat.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Nicht alles auf einmal machen wollen. Für mich stand immer die Weiterentwicklung des Produkts im Fokus. Als Geschäftsführer war ich anfangs aber in alle Geschäftsfelder stark einbezogen und konnte mich nicht so auf die technische Seite fokussieren, wie ich es mir gewünscht hätte. Die Geschäftsführung habe ich daher später abgegeben und kann somit wieder mehr meiner Leidenschaft nachgehen, eine Plattform zu entwickeln, die die Zusammenarbeit einfacher, inklusiver und sicherer
macht. Für alle im Team habe ich trotzdem immer ein offenes Ohr. Und ansonsten: Der Weg ist das Ziel. Mach dir nicht zu viele Gedanken. Sei nicht zu verbissen. Am Ende kommt’s auf die Leute an. Schau, dass ihr als Team vorwärts kommt, dass ihr als Team Spaß habt, und dass es allen gut geht. IT ist ein People-Business, hat mal jemand gesagt.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Ich glaube, am wichtigsten ist, dass sich jeder einbringen kann und wir gemeinsam an einer tollen Sache arbeiten. In unserem Fall an einem Tool, das die Leute auch remote näher zusammenbringt und dezentrales Arbeiten einfacher und effizienter macht. So können auch Arbeitswege und Reisen eingespart werden, wodurch die Leute ihre Zeit besser nutzen und nicht zuletzt CO2 einsparen können. Wir sind außerdem stolz, mit Conceptboard die Internet-aus-der-EU-Flagge hochzuhalten. Dieser
gemeinsame Purpose trägt bei uns sehr zum Zusammenhalt bei. Da wir remote arbeiten, ist es natürlich trotzdem essentiell, dass wir aktiv in den Team-Spirit investieren. Wir machen beispielsweise wöchentliche Coffee-Talks in der großen Runde, bei denen sich die Leute bunt zusammenwürfeln und über alles sprechen können, beruflich wie privat. Daneben probieren wir vieles aus, von der digitalen Cocktail-Party bis zum Online-Schach auf Conceptboard. Und wann immer es geht, treffen wir uns natürlich im echten Leben, organisieren regelmäßige Team-Events und Pop-up-Offices.

Was war dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Die wildesten Erlebnisse liegen klar in der frühen Zeit des Unternehmens – als wir noch nicht so recht wussten, wohin die Reise ging, als wir noch keinen relevanten Cash-Flow hatten und man sich fragte, wie man nächsten Monat noch die Gehälter aufbringen soll. Da gab es die komplette Gründer-Gefühlsachterbahn von hoch euphorisch bis schwer verunsichert im Wochen- oder sogar Tagesrhythmus (lacht). Ich bin sehr froh, dass das heute alte Kamellen sind und stolz, dass wir da durchgegangen sind, und Conceptboard zu dem gemacht haben, was es heute ist: Europas führenden, unabhängigen Anbieter von Visual Collaboration Software.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Conceptboard