#Gastbeitrag

Worauf es jetzt beim Fundraising ankommt

Lag das Geld bis vor kurzem noch auf der Straße, ist das Investitionsklima im Startup-Ökosystem massiv abgekühlt. Worauf es jetzt für Gründer:innen ganz besonders ankommt, erklärt Norbert Muschong, General Partner beim Investor Vorwerk Ventures.
Worauf es jetzt beim Fundraising ankommt
Donnerstag, 9. Februar 2023VonTeam

Genug Zeit einplanen: Bis vor kurzem schien noch beinahe jeder Geld zu bekommen. Man musste quasi “nur” Wachstum in einem größeren Markt versprechen und  schon konnte man sich kaum vor Finanzierungsangeboten retten. Das hat sich nun mehr gedreht. Heute dauert Fundraising und ist mit reichlich Anstrengung verbunden. Und: Das Geld muss nun länger halten. Noch vor wenigen Monaten sind Startups ins Fundraising gegangen und haben Summen angestrebt, mit denen sie teils weniger als ein Jahr auskommen wollten. Kaum geraist ging man schon wieder ins Fundraising. Aktuell sollte das Geld aus Finanzierungsrunden zwei, vielleicht sogar drei Jahre reichen.

Weg zur Profitabilität: Je länger der Weg zur Profitabilität, desto unsicherer ist ein Invest in ein Unternehmen, das sich erst noch am Markt beweisen muss. Aktuell achten Investor:innen mehr denn je auf eine solide Monetarisierungsstrategie. Gibt es ein Geschäftsmodell und eine Aussicht auf Rendite?

Überschaubare Kostenstrukturen: Wer erst einmal massiv investieren muss, um überhaupt die Chance eines Proof of Concept erweisen zu können, braucht schon sehr gute Argumente wie einen ausgewiesenen Track-Record.

Kosten- und Cash-Kontrolle: Eine Zeitlang wirkte es fast, als wäre es egal, wenn Startups das Geld ausgeht. Solange Wachstum nachgewiesen werden konnte, sprudelte die scheinbar nie versiegende Geld-Quelle. Nun aber, da die Dauer einer Fundraising-Runde zunimmt (und der Erfolg per se nicht klar ist) müssen die Aufmerksamkeit und Kompetenz für Kosten- und Cash-Kontrolle zwingend vorhanden sein.

Primary geht vor Secondary: Konnte in den letzten Jahren der Wunsch von Gründern nach zwischenzeitlichen Secondaries öfter entsprochen werden, wird das frische Geld für die Entwicklung der Gesellschaft und einen möglichst langen Runway benötigt.

Gesunde Margen: Risikokapital hat nach wie vor den Anspruch, die Unicorns von morgen zu finanzieren. Die Kennzahlen mögen sich geändert haben, nicht aber die Ansprüche. Aktuell besonders wichtig, um den Wert eines Modells zu beurteilen, ist die Frage nach den Margen. Je höher sie sind, desto aussichtsreicher die Gespräche mit Investor:innen.

Relevanz: Die Menschen haben zwar nach wie vor Geld in der Tasche, sind aber aufgrund der Inflation und einer drohenden Rezession nicht mehr so leichtfertig bereit, es auszugeben. Umso wichtiger ist es, dass das Geschäftsmodell wirklich relevant ist. Für „Nice to have” ist aktuell nicht die Zeit. Wer jedoch Unternehmen baut, die Ausgaben reduzieren (durch z.B. Solarenergie) oder die Gesundheit stärken, hat das Momentum auf ihrer oder seiner Seite.

Impact: Wir sind uns alle bewusst, dass der Planet Erde nicht mehr endlos überleben wird, wenn wir so weitermachen wie bisher. Wir sehen das akut an steigenden Kosten für Energie. Geschäftsmodelle, die das Klima im Sinn oder eine gesellschaftliche Relevanz haben, sind heute mehr denn je gefragt. Nicht nur weil sie Gutes bewirken, sondern auch weil die Zeit reif ist, damit Geld sparen oder gar verdienen zu können.

Dauer der Finanzierungsperiode: Noch vor wenigen Monaten sind Startups ins Fundraising gegangen und haben Summen angestrebt, mit denen sie teils weniger als ein Jahr auskommen wollten. Kaum geraist ging man schon wieder ins Fundraising. Geld war schnell und leicht zu bekommen . Aktuell aber sitzt das Geld nicht mehr ganz so locker, es ist schwerer und dauert länger , so dass die angestrebte Summe in Finanzierungsrunden besser für ca. zwei, drei Jahre halten sollte.

Die Höhe der Bewertung: Bis vor kurzem war es in Ordnung, Bewertungen aufzurufen, von denen man wusste, dass man in Zukunft in sie hineinwachsen würde. Es gab nur eine Richtung: Nach vorne und oben. Weil Wachstum heute nicht mehr zwingend vorausgesetzt werden kann, sollten Bewertungen sich eher an der aktuellen Realität ausrichten.

Über den Autor
Norbert Muschong ist General Partner beim VC Vorwerk Ventures.

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Foto (oben): Shutterstock