#Gastbeitrag

Frauen wollen Karriere machen, vielleicht sollten sie sich die Strukturen dafür selbst bauen

Ich habe mein gesamtes Leben in der Lebensmittelindustrie verbracht. Mein Ziel war es, diese Unternehmen von innen heraus zu verändern. Ich habe aber schnell gemerkt, dass es schwer ist, Unternehmen zu verändern. Ein Gastbeitrag von Jaclyn Schnau.
Frauen wollen Karriere machen, vielleicht sollten sie sich die Strukturen dafür selbst bauen
Montag, 5. Dezember 2022VonTeam

Die meisten Frauen kennen das: zuerst werden sie mit ihren Ambitionen nicht ernst genommen, dann kommt das erste Kind und sie werden aktiv auf das Karriere-Abstellgleis gestellt. Ein Grund dafür ist, dass viele Konzerne noch immer keine Strukturen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschaffen haben. Im eigenen Unternehmen kann man das aber selbst machen.

Vor ein paar Tagen habe ich das letzte Mal meine eigenen Regeln gebrochen. Ich hatte ein Meeting mit meinem Team und wir waren gerade im Flow als mein Sohn Max anfing, sich bemerkbar zu machen. Er hatte offenbar Hunger. Ich habe das Meeting noch beendet, erst danach habe ich ihn gestillt. Warum fange ich diesen Text mit dieser Geschichte an? Ganz einfach – normalerweise mache ich das nicht so. Normalerweise hole ich Max in solchen Situationen einfach aus dem Kinderwagen und stille ihn. Ja, im Meeting, dann, wenn er Hunger hat. Und warum mache ich das? Ganz einfach, weil ich es kann. 

In vielen Unternehmen sind stillende Mütter ein Tabu. Was für viele nach einer Kleinigkeit klingt, ist in Wahrheit einer der größten Hämmer dafür, dass Frauen und Männer gleichberechtigt Karriere machen können. Wie soll das in den althergebrachten Strukturen gehen – sich ums Kind kümmern und gleichzeitig in den wichtigen Meetings sitzen. Die Antwort ist einfach und sie ist nicht gut für die Frauen: Es geht nicht. 

Meine Lösung: Gründen

Zum Glück wird inzwischen sehr viel darüber diskutiert, wie man das Ungleichgewicht aufheben kann. Es ist also schon längst etwas in Bewegung gekommen. Für viele Frauen kommt diese Diskussion aber zu spät und sie wird zu langsam geführt. Für sie muss eine andere Lösung her. Die kann sehr individuell aussehen – für mich lag sie darin, dass ich mein eigenes Unternehmen gegründet habe: Pumpkin Organics mit Sitz in München

Ich habe mein gesamtes Leben in der Lebensmittelindustrie verbracht. Zuerst bei den großen Playern wie General Mills oder Pizza Hut. Mein Ziel war es, diese Unternehmen von innen heraus zu verändern und damit auch das, was wir jeden Tag essen. Gutes Essen war seit meiner Kindheit ein integraler Bestandteil meines Lebens – ich bin in Saskatchewan, Kanadas Kornkammer geboren worden und auch dort aufgewachsen. Frisches Gemüse und Obst direkt vom Feld waren in meiner Familie Alltag. Ein absolutes Privileg, das weiß ich heute, und genau das war auch meine Motivation, in diese Industrie zu gehen – also dafür zu sorgen, dass es eben kein Privileg mehr ist. 

Ich habe aber schnell gemerkt, dass es schwer ist, Unternehmen zu verändern, die von Börsen- und Stakeholderinteressen angetrieben sind. Außerdem: In diesem schnellen und harten Umfeld irgendwann einmal die Karriere mit einer Familie zu kombinieren: sehr schwer! Als ich meinen Mann kennengelernt habe, wurde mir schnell klar, dass ich meine Strukturen dafür selber schaffen muss. 

Welche Rollen haben wir? 

Seitdem arbeite ich nur daran, den Markt für gesunde Lebensmittel für Babys und Kinder neu zu gestalten, sondern auch daran, eine Organisationsstruktur zu schaffen, die es allen ermöglicht, erfolgreich zu sein – Frauen wie auch Männern. Ich nehme meine Kinder mit ins Büro, weil ich meinem Team ein Vorbild sein will. Ich gehe um 16 Uhr auf den Spielplatz, weil das zum Leben nun mal dazugehört. Für mich sind Unternehmen wie mein eigenes nicht nur ein Weg, Geld zu verdienen oder mich selbst zu verwirklichen, sondern auch ein Tool, um Veränderung anzustoßen. 

Ich finde, das Deutschland ein großes Problem damit hat, offen und ehrlich über die Rollen zu diskutieren, die Frauen und Männer in dieser Gesellschaft innehaben. Um wirkliche Veränderung zu schaffen, braucht es Mut und es braucht Leute, die vorangehen. Ich habe meine Rolle genau darin gefunden und hoffe, möglichst viele andere zu erreichen und sie dazu zu motivieren, das auch zu machen. 

Ich weiß, dass es nicht leicht ist, für das einzustehen, was man erreichen will. Und noch schwerer ist es, sich dafür von hergebrachten Strukturen abhängig zu machen. Das ist nichts für jede*n und das ist auch okay so. Wichtig ist für mich nur, dass wir uns als Gesellschaft klarmachen, dass wir uns verändern müssen und dass wir dafür im Kleinen anfangen müssen. Wollen wir auch in Zukunft die nötige Innovation auf die Straße bringen und neue wegweisende Ideen kreieren, müssen wir es schaffen, dass möglichst viele unterschiedliche Stimmen gehört werden und möglichst viele unterschiedliche Perspektiven Einzug in unser Denken erhalten. Ich denke, dass es sich dafür schon mal lohnt, die Regeln zu brechen – auch die eigenen. 

Über die Autorin
Jaclyn Schnau ist die Gründerin des Babynahrungsherstellers Pumpkin Organics mit Sitz in München. Sie ist in Kanada geboren worden und aufgewachsen. Das hat ihr Verhältnis zu Nahrungsmitteln und Essen nachhaltig geprägt. Ihre Überzeugung ist, dass der Esstisch das Herz eines jeden Haushaltes sein sollte und dass gutes Essen die Grundlage für ein gutes Leben ist. Ihr Ziel ist es nicht nur, zu verändern, wie wir auf Essen blicken und mit ihm umgehen, sondern auch die Strukturen, wie es hergestellt wird.  

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): Shutterstock