#Gastbeitrag

Im Stealth Mode an der Konkurrenz vorbei

Entschließt man sich dazu ein Startup im Stealth Modus aufzubauen, verpasst man von die Chance, wertvolles Feedback zu erhalten. Tatsächlich sehe ich das genauso, zumindest wenn man sich auf die gängige Definition des Stealth Modus bezieht. Ein Gastbeitrag von Moritz Weisbrodt.
Im Stealth Mode an der Konkurrenz vorbei
Donnerstag, 28. Juli 2022VonTeam

Manche sagen: Entschließt man sich dazu ein Startup im Stealth Modus aufzubauen, verpasst man von vornherein die Chance, wertvolles Feedback der Kunden zum eigenen Produkt zu erhalten. Denn im Stealth-Modus lässt sich nur schwer ein Kundenstamm aufbauen und aus dem Kundenfeedback lernen. So werden im schlimmsten Fall monate- oder jahrelang Ressourcen investiert, bevor sich überhaupt zeigt, ob das Produkt oder Geschäftsmodell erfolgversprechend ist.

Tatsächlich sehe ich das genauso, zumindest wenn man sich auf die gängige Definition des Stealth Modus bezieht: Der Stealth-Modus ist nämlich üblicherweise der Zeitraum, in dem Startups ein Produkt oder ein Unternehmen im Verborgenen entwickeln, um sich vor der Markteinführung einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Die Entwickler programmieren an einem geheimen Ort, jedem Gespräch über die Geschäftsentwicklung geht eine Geheimhaltungsvereinbarung voraus und Startup-Gründer neigen dazu, in vagen Worten über ihr Produkt zu sprechen, um keinesfalls zu viel zu verraten.

Wir haben uns für einen etwas anderen Weg entschieden: eine Art “Marketing Stealth Modus”. Und das hing vor allem mit den Besonderheiten unseres Marktes zusammen. Denn die Entwicklung eines digitalen Produkts für die Logistikbranche bringt ein sehr hohes Maß an Komplexität mit sich. Wir mussten also von Anfang an eine Software entwickeln und Strukturen vorausdenken, die es ermöglichen, dass wir unsere Kunden von heute auch noch in drei Jahren und darüber hinaus bedienen können. Denn unsere Software und Services haben zum Ziel, bereits erfolgreiche und stark wachsende D2C Brands reibungsloses Wachstum zu ermöglichen. Das heißt, wenn wir Fulfillment & Operations eines Online-Shops mit 10.000 Sendungen im Monat auf 20.000 Sendungen im Monat skalieren, stehen wir gemeinsam mit unseren Kunden vor der nächsten Herausforderung: “Welche Wachstumsschmerzen wird der Online-Shop im Bereich Customer Service haben, wenn er auf 50.000 Sendungen im Monat skaliert?” oder “Wie verändert sich die Post-Purchase-Experience eines Online-Shops, wenn er auf 20.000 Sendungen pro Monat wächst? Welche Services müssen wir heute schon in unser Produkt mit einbauen, damit dieser Kunde reibungslos weiter wachsen kann?”

Diese Komplexität erfordert ein hohes Maß an Fokus. Als Gründer ist es deshalb sehr wichtig sich zu fragen: Womit verbringe ich meine Zeit? Für mich war klar: Mit der Entwicklung des Product-Market-Fit in enger Zusammenarbeit mit unseren Zielkunden.

Das ist leichter gesagt als getan. Zwar arbeitet man mit seinem Zielkunden zusammen, um das beste Produkte zu entwickeln, jedoch ist kein großer Online-Shop dazu bereit, eine unausgereifte Lösung einfach so auszuprobieren. Sollte beim Verpacken, Frankieren oder an irgendeinem anderen Punkt bis zur Zustellung beim Kunden, etwas schief gehen, leidet das Kerngeschäft unseres Kunden. Die Brand nimmt einen erheblichen Schaden, der nur schwer wieder zu beheben ist. Immerhin versenden große Online-Shops tausende Sendungen am Tag. Für uns bedeutete das im Umkehrschluss von Beginn an: Wir mussten stets eine Produktversion bauen, die nahezu 100%ig reibungslos funktioniert und wir wussten, dass dabei kein Spielraum bestand. 

Jeder first time Founder, der Interviews mit Investoren, Fachbeiträge auf Medium oder LinkedIn-Artikel mit Titeln liest wie: How to achieve Product-Markt-Fit in no time; The Do’s & Don’ts as first time founder; Common strategies to challenge your Product after seed funding, etc. wird schnell feststellen, dass alle diese Artikel immer wieder die gleiche Message rüberbringen: “Get uncomfortably close to your audience!”

Und genau das haben wir gemacht. Innerhalb der Branche wusste so ziemlich jeder in kürzester Zeit Bescheid: Es gibt ein Team, das eine Fulfillment-as-a-Service-Plattform für erfolgreiche Online-Shops baut, damit diese schneller skalieren können. Wir haben uns nicht versteckt oder mit zwei Kunden im Geheimen ein Jahr lang unsere Software getestet. Bei uns gab es weder Geheimhaltungsklauseln, noch haben mein Co-Founder und ich in Gesprächen verheimlicht, an was wir gerade arbeiten. Wir haben lediglich keine PR und kein Marketing gemacht, weil wir uns auf das Produkt fokussieren wollten. Das haben wir bis zu dem Augenblick gemacht, in dem wir mit dem Produkt eine für uns wichtige Anzahl an Kunden gewonnen hatten. Dieser Moment fiel zudem mit der Kommunikation eines weiteren Meilensteins zusammen: Dem erfolgreichen Abschluss einer großen Series A Runde mit internationalen Top-Investoren wie Tiger Global oder Next47.  

Klar, andere Unternehmen, die ebenfalls im Bereich Fulfillment für Online-Shops unterwegs sind, haben das Thema während unserer Stealth Mode-Phase PR-wirksam bespielt. Wir hingegen haben in der Zwischenzeit ein komplexes und stark nachgefragtes Produkt und darüber hinaus ein ausgereiftes Geschäftsmodell entwickelt. Beides beschert uns einen großen kommerziellen Erfolg in Relation zum Wettbewerb.

Über den Autor
Moritz Weisbrodt ist Gründer von Alaiko. Das Münchner Startup, das 2020 von den Kaia-Gründern Weisbrodt und Gabriel Thomalla sowie Investor Harald Braunstein gegründet wurde, positioniert sich als Fulfillment-as-a-Service-Plattform für Direct-To-Consumer-Brands (D2C).

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Foto (oben): Shutterstock