#Interview

“Ohne die richtige Vision wird auch das beste Team sich schwer tun”

"Wir haben eine große Verantwortung, die wir uns immer wieder bewusst machen", sagt Maximilian Mayer von Activant Capital. Der amerikanische Growth-Investor investierte hierzulande zuletzt in Hive, vivenu und Workmotion
“Ohne die richtige Vision wird auch das beste Team sich schwer tun”
Freitag, 28. Januar 2022VonAlexander Hüsing

Der amerikanische Growth-Investor Activant Capital setzt immer mehr auf Deutschland. Zuletzt investierte der Geldgeber in Hive, vivenu und Workmotion. Im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht Maximilian Mayer, Leiter des Berliner Standort und Teil des Senior Investment Teams bei Activant Capital über VC-Karrieren, Reportings und Transparenz.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Wir wollen in Europa dazu beitragen, Technologieunternehmen von Weltklasse aufzubauen. Also unterstützen wir bei Activant Capital unermüdliche Unternehmer:innen, die ihre Branchen umgestalten und den digitalen Fortschritt vorantreiben. Unser Credo: “Build something better than yourself”. Das gilt sowohl für uns selbst, aber auch für die CEOs und Founder, mit denen wir zusammenarbeiten. Mich reizt vor allem die Arbeit mit den Gründer:innen, etwas wirklich Großes aufzubauen.

Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Es gibt keine klassische VC-Karriere, aber ich würde jedem raten, der VC-Investor:in werden möchte, zu Beginn zumindest ein bis zwei Jahre operativ zu arbeiten. Für mich hat alles mit einem MBA an der HHL begonnen. Dort habe ich 2014 eine Startup-Konferenz organisiert – unter anderem mit Max Tayenthal von N26 und Philipp Petrescu von Rocket – und bin so in die Berliner VC- und Startup-Szene eingetaucht. 2016 habe ich in London mit Philipp mein eigenes Start-up gegründet und nach zwei Jahren verkauft – kein großer Exit, aber wir hatten am Ende 25 Leute im Team, über 500 Merchants und 20.000 User:innen auf der App. Nach dem Verkauf hat Philipp mich mit Oli Samwer in Kontakt gebracht, der sein Team für Global Founders Capital in Berlin ausbauen wollte. Die drei Jahre vor Activant habe ich mit GFC Investments in San Francisco und Deutschland getätigt und saß auf dem Board von zehn Firmen.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Absolut. Wir haben eine große Verantwortung, die wir uns immer wieder bewusst machen. Unsere eigenen Kapitalgeber:innen bei Activant sind beispielsweise Krankenhäuser und Stiftungen, deren Gelder wir anvertraut bekommen. Mit diesem uns übergebenen Geld gehen wir extrem verantwortungsvoll um und prüfen sehr genau, in welchen Firmen wir großes Potential sehen. Diese Verantwortung erdet, sodass man nicht den Bezug zur Wirklichkeit verliert.

Was sollte jede Gründerin, jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Activant wurde mit dem Ziel gegründet, die Kluft zwischen Venture und traditionellem Growth Equity zu schließen. Hier setzen wir an. Unsere Expertise liegt dabei vor allem in den Bereichen E-Commerce Infrastruktur Software, Logistik und Fintech. Wir tätigen nur wenige Investments pro Jahr und suchen uns diese sehr genau aus. Wir beobachten die Unternehmen lange Zeit und tauchen tief in die jeweiligen Märkte ein, bevor wir ein Investment tätigen. Denn wir möchten nicht einfach nur finanziell investieren, sondern für die Start-ups ein echter Partner sein, sie unterstützen und eng mit dem jeweiligen Management zusammenarbeiten. Daher sind unsere Fonds auch mit einer Laufzeit von fünfzehn Jahren und somit auf langfristige Partnerschaften ausgelegt. Es besteht bei ihnen also kein künstlicher Druck, Beteiligungen frühzeitig zu veräußern.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Wir unterstützen die Start-ups nicht einfach nur mit Kapital, sondern agieren als echter Partner. Wir sind langfristig orientiert und stärken unsere Portfolio-Unternehmen neben der strategischen Arbeit auf dem Board durch unser eigenes operatives Team in den Bereichen Brand Building, Personalrekrutierung und Skalierung der Organisation. Letzteres ist ein Thema, das viele Gründer:innen oftmals unterschätzen.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Der Austausch mit Portfoliounternehmen findet klassischerweise über Calls und Zoom zum Beispiel im Board und per E-Mail oder WhatsApp statt. Für Reportings und Datenaustausch nutzen wir spezielle Software, wie etwa Visible VC und Affinity. Diese Tools helfen uns dabei, unsere Portfoliounternehmen an Ihren und unseren eigenen Plänen mit bestimmten KPIs zu messen und die Daten in Grafiken aufzubereiten.

Was ist wichtiger: Das Team oder die Idee?
Beides ist wichtig. Ohne die richtige Vision wird auch das beste Team sich schwer tun. Aber: Gute Ideen haben viele. Am Ende kommt es vor allem auf die Umsetzung an und hierbei spielt das Team die entscheidende Rolle.

Wie sieht das ideale Gründerteam aus bzw. gibt es überhaupt das ideale Gründerteam?
Das gibt es für uns nicht. Ein Beispiel: Es gibt starke Teams, die absolute Expert:innen in den jeweiligen Branchen sind, die sie verändern wollen, wie etwa Oskar Ziegler und das Team rund um Hive. Auf der anderen Seite wiederum gibt es enorm starke Teams, die bewusst einen Markt ausgewählt haben, den sie zwar spannend finden, bei dem sie aber keine Insider sind – siehe Simon Hennes und das Team von Vivenu. Auch was die Hintergründe der Teams angeht haben wir absolut keine Idealvorstellung, geschweige denn Ausschlusskriterien. Jedoch müssen die Gründer:innen zu unserer Philosophie passen und große Ambitionen für Ihr Unternehmen besitzen, so wie Carsten Lebtig von Workmotion.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Startup investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Wir sind als Growth-Investor natürlicherweise sehr stark auf die Analyse von Daten fokussiert. Das spielt bei uns eine entscheidende Rolle. Aber: Das Unternehmen muss auch sonst zu uns passen. Uns ist besonders wichtig, dass wir die Philosophien und Visionen der Gründer:innen teilen und sie auch unsere. Außerdem schauen wir sehr stark auf Produktdifferenzierung. Viele Unternehmen scheinen auf den ersten Blick genau die gleichen Lösungen bzw. Produkte anzubieten. Schaut man jedoch genauer hin, sieht man entscheidende Unterschiede.

Nicht jedes Startup läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Wir analysieren was die Probleme sind, um dann gemeinsam mit dem Management an passenden Lösungen zu arbeiten und gegenzusteuern. Man sollte jedoch auf keinen Fall in Panik verfallen. Denn das bringt gar nichts.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Startup die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Da gibt es keine allgemeine Formel. Es gibt ja auch nicht die „eine Reißleine”. Wir haben hier aber meistens klare Ziele, die in Businessplänen abgestimmt und vereinbart sind. Anhand dieser können wir den Erfolg des Unternehmens messen und frühzeitig erkennen, wenn etwas nicht nach Plan läuft.

Wie wichtig und bindend ist ein Businessplan?
Businesspläne sind für uns eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Wie gesagt: Wir investieren in Firmen, die meistens bereits signifikante Umsätze machen. Der Businessplan gibt uns Auskunft darüber wie gut die Gründer:innen Ihr Unternehmen kennen, wie strukturiert sie arbeiten – da gibt es große Unterschiede – und was für Potentiale sie in Ihrem Unternehmen sehen. Bei jeder Firma, die wir uns genauer ansehen, bauen wir auch unseren eigenen Businessplan mit spezifischen Annahmen basierend auf den existierenden Unternehmensdaten. Das hilft uns, die Wachstumstreiber und Optimierungspotentiale besser zu erkennen und die Gründer:innen in der Ausrichtung Ihres Unternehmens zu beraten.

Wie spricht man als Gründer:in am besten einen Investor an?
Am Besten lässt man sich von jemanden aus seinem Netzwerk vorstellen, der diese:n Investor:in gut kennt. Außerdem ist es ratsam, sich vorher eine Liste mit Investor:innen zu machen, die man als Gründer:in ansprechen möchte und die zu dem jeweiligen Unternehmen passen könnten. Immerhin haben die meisten Investor:innen einen bestimmten Fokus – wie auch wir.

Was sollten Gründer:innen vor Investoren niemals sagen oder machen?
Da gibt es meiner Meinung nach keine No-Gos, außer vielleicht, nicht transparent zu sein. Ich finde es sehr wichtig, dass von Anfang an Transparenz herrscht. Natürlich will jede:r Gründer:in das Unternehmen von der besten Seite zeigen, aber es gibt immer Dinge, die noch nicht ganz optimal laufen und das ist auch ok. Wenn man als Investor:in dann während der Due-Diligence Ungereimtheiten findet oder Dinge, die anders dargestellt wurden, gibt einem das kein gutes Gefühl, da kann die Firma noch so schnell wachsen.

Gibst Du uns zum Abschluss noch einen Einblick in Dein bzw. Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen bist Du, seid Ihr leider nicht eingestiegen
Je länger man das Privileg hat, sich spannende Tech-Firmen anzusehen, desto größer wird das Anti-Portfolio. Es gibt zwei Anti-Portfolios: Erstens Firmen, in die man nicht investieren wollte und tweitens Firmen, in die man zwar investieren wollte, aber nicht investieren konnte. Letzteres gewinnt im heutigen Marktumfeld an immer größerer Bedeutung. Mein persönliches Anti-Portfolio bei Activant ist noch nicht so groß, da ich erst Anfang 2021 Teil des Teams bin. Bei GFC habe ich den Gorillas Gründer Kagan in der Seed-Runde getroffen. Das war ganz am Anfang des Lockdowns im März 2020. Er hat eine Lieferung ausgefahren, sich bei mir aufs Sofa gesetzt und mir seinen 15-Minuten Lieferdienst vorgestellt. Ich dachte, er sei verrückt und sowas brauche niemand. Zum Glück hatten wir bei Activant die Chance, Anfang 2021 durch meinen Kollegen David Yang mit Ralf Wenzel und dem Jokr-Team zusammenzuarbeiten. Somit konnte ich das wieder ausgleichen.

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Foto (oben): Activant Capital

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.