#Gastbeitrag

Jetzt ist die perfekte Zeit, die eigene Firma zu töten!

Die massiven Veränderungen, die wir alle in Deutschland in den letzten Wochen durchmachen mussten, haben – als ungeplante Nebenwirkung – viel Festgefahrenes gelöst. Die Zeit für mutige Experimente und echten Change ist so gut, wie lange nicht mehr.
Jetzt ist die perfekte Zeit, die eigene Firma zu töten!
Donnerstag, 23. Juli 2020VonTeam

Seit Ende des ersten Quartals ist unser Unternehmen tot. Projekte gingen in die Vollbremsung, Akquisitionstermine wurden gecancelt und von Umsatz ist kaum noch die Rede. Gott sei Dank, waren wir schon vorher gestorben. Das wird uns retten! Wir zeigen Ihnen, wie Sie von unseren Erfahrungen profitieren können.

Wenn Ihr Geschäft auch auf direkten Kunden-Begegnungen beruht, kennen Sie unsere aktuelle Situation. Dann haben Sie in der Pandemie vermutlich ähnliche Register gezogen wie wir: Kurzarbeit, Homeoffice, Skype-Konferenzen, Gespräche mit Steuerberater und Bank. Wir sind Führungsspezialisten, d.h. unsere Leistungen bestehen aus Beraten, Trainieren und Coachen. Ein sehr persönliches Geschäft, das selbst durch die pfiffigsten „digitalen Begegnungen“ nicht wirklich zu ersetzen ist. 

Das meiste, was Sie gerade tun, schafft keinen USP

Haben Sie in letzter Zeit auch (Lern-)Videos produziert, Produkte digitalisiert und die Social-Media-Aktivitäten erhöht? Vermutlich. Haben Sie sich dabei an irgendeiner Stelle ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Wohl kaum. Viel wahrscheinlicher ist es, dass gerade nur eines passiert: Wir lassen den Kampf um die Aufmerksamkeit der Kunden noch mörderischer werden. Wenn alle die gleichen „Innovationen“ produzieren, sollte man eigentlich aufhören, diese so zu nennen. 

Irgendwann werden wir feststellen, dass die meisten Unternehmen in diesem Augenblick kaum signifikante Veränderungen vornehmen. Es werden Kosten reduziert und Prozesse gestrafft, die begonnene Digitalisierung wird ernster betrieben, massenhaft Content produziert und starke Partner gesucht. Alleinstellungsmerkmale entstehen so nicht. Aber gibt es denn eine sinnvolle Alternative? 

Killen Sie jetzt Ihr Unternehmen

Ich bin heute froh, schon vor Corona zwei jungen Leuten in der Firma den Freibrief gegeben zu haben, mein Unternehmen quasi zu “hacken”. Inspiriert durch Gedanken von Lisa Bodell, haben wir die klassische Standardfrage “Wie können wir im Markt erfolgreich sein?” auf den Kopf gestellt. Stattdessen überlegten wir, wie uns unternehmerische Nerds killen könnten. 

Selbst wenn Sie sich gerade darauf konzentrieren müssen, Ihren Verantwortungsbereich in der Spur zu halten: Es gab selten einen günstigeren Moment für einen echten, wertvollen Change. Dabei ist es unwichtig, ob Sie ein Startup managen, eine Organisation leiten oder ein Team. Das Prinzip ist übertragbar. Das einzige, was Sie benötigen, ist Mut und Vertrauen. Ich erzähle Ihnen, wie das bei uns ablief.

Stellen Sie mutig alles in Frage

Ausgehend von der Arbeitsfrage “Wie würden uns freche, ungezügelte Kreative attackieren?”, haben wir zwei junge Talente unseres Unternehmens mit einem Budget und viel Freiheit ausgestattet. Ich wusste, dass die beiden in ihrer Altersgruppe – auch außerhalb des Unternehmens – gut vernetzt sind und echten Drive haben. Zudem waren sie lang genug bei uns, um unser Geschäft und den Markt gut zu kennen. Ich habe erst später erfahren, was die beiden dann gemacht haben:

  1. Als erstes aktivierten sie ihr Netzwerk: junge verrückte Typen, zumeist branchenfremd, Leute mit einer gehörigen Portion unternehmerischer Lust.
  2. Sie mieteten für zwei Tage eine inspirierende Location, bereiteten sich selbst gut vor (ich wurde dabei mehrmals interviewt) und holten ein gutes Dutzend dieser Kreativen in einem Workshop zusammen. 
  3. Man erzählte mir später, wie schwer es für unsere eigenen Kolleg*innen war, sich selbst zurückzuhalten, damit Raum für branchenfremde Gedanken entstand. Aber genau das scheint ein wichtiger Erfolgsfaktor gewesen zu sein.
  4. Bei einer Idee wurden die Probleme unserer Zielgruppe in einer Weise gelöst, die in unserem Markt völlig unüblich ist – und für die Kunden auch noch bequemer. Der Haken: Dazu war es nötig, unser Führungs-Know-how in Algorithmen zu „übersetzen“.  Das hatte weltweit noch nie jemand gemacht. Die Vision: Ein digitaler Assistent für Führungskräfte! 
  5. Diese Idee bekam ein so faszinierendes Eigenleben, dass daraus ein Startup entstand! Vermutlich kennen Sie die Gedanken von Eric Ries. Für uns waren sie auf dem dann folgenden Weg eine wertvolle Inspiration. 

Das Corona-Virus gab dem Team den letzten Schub. Die Vision von damals ist Wirklichkeit geworden. Und was für die meisten Unternehmen nur umgekehrt vorstellbar ist, wird bei uns auch gerade Realität: Wir werden unser Stammgeschäft in das flügge gewordene Startup integrieren. Die beiden jungen Innovatoren von damals sind bei uns mittlerweile im Management-Kreis. 

Die massiven Veränderungen, die wir alle in Deutschland in den letzten Wochen durchmachen mussten, haben – als ungeplante Nebenwirkung – viel Festgefahrenes gelöst. Die Zeit für mutige Experimente und echten Change ist so gut, wie lange nicht mehr. Also: Warum warten? Kill your Company!

Über den Autor
Michael Alznauer ist seit über 25 Jahren als Dipl.-Psychologe, Autor und Führungsspezialist in der Wirtschaft beratend tätig. Auf den Erkenntnissen der Evolutionspsychologie aufbauend, schuf er einen weltweit im Springer-Verlag veröffentlichten Führungsansatz für die Zusammenführung unterschiedlichster Management-Perspektiven. Mit seiner Co-Autorin, der Wirtschaftspsychologin Valerie Lesaar, gründete er MP Management-Profiling. Resultat der damaligen “Kill-the-Company”-Initiative ist die LEAD2gether – Das Online-Führungssystem.

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Foto (oben): Shutterstock