#Gastbeitrag

So gewinnt man auch in Krisenzeiten Investoren

Die Corona-Krise stellt Gründer vor neue Herausforderungen. Ob Corona für eine langanhaltende Veränderung bei Investorengesprächen führen wird? Ich wage keine Prognose, aber die Effektivität, die gerade vorherrscht, genieße ich. Und vermutlich auch die Kapitalgeber.
So gewinnt man auch in Krisenzeiten Investoren
Donnerstag, 25. Juni 2020VonTeam

Es sind keine einfachen Zeiten für Startups, vor allem wenn man sich auf der Suche nach Kapitalgebern befindet. Trotz Lockdown ist zwar vieles bereits wieder möglich, aber persönliche Aufeinandertreffen sind noch immer schwierig, und Events für Akquise fallen bis auf Weiteres erst mal weg. Wer darauf gebaut hat, auf der NOAH oder Hannover Messe neue Kontakte in der Industrie zu knüpfen, muss sich das leider abschminken. Das stellt uns Gründer vor ganz neue Herausforderungen, für die es noch kein Patentrezept gibt.

Wenn wir ehrlich sind, wann haben uns Networking-Events wirklich etwas gebracht? Dahingegen funktioniert Linkedin noch immer extrem gut, gerade um Corporates oder auch KMUs zu erreichen. Eigentlich überraschend in einer Zeit, in der sich die Qualität der Linkedin-Posts massiv verschlechtert hat. Ich vermute, ich bin nicht der einzige, der sich von unterbeschäftigten Purpose Coaches und Pseudo-Mutmacher Posts verfolgt fühlt. Der Schlüssel, damit eine Anfrage nicht im Postfach versandet bleibt weiterhin simpel – eine individuelle Kontaktanfrage, die klar sagt, warum du genau diese Person oder Firma anschreibst. Wäre ich ein Coach würde ich sagen: „Gib dir Mühe und mach das, was ein guter Sales-Mensch tut – geht auf das individuelle Target ein.“

Die Pandemie hat nicht dafür gesorgt, dass Investoren mehr Zeit haben. Die meisten Kontaktanfragen werden weiterhin kommentarlos angenommen. Man kommt also nicht drumherum, in einer längeren Nachricht sein Anliegen noch mal detailliert zu erklären. Doch nach diesem Erstkontakt ist mehr als früher vor allem Geduld gefragt. Mindestens eine Woche, denn Abstimmungen dauern dieser Tage länger. Und niemand mag nach wenigen Tagen mit derselben Frage gleich nochmal konfrontiert werden. Da hilft auch keine Flut an PDFs und das ausgeklügeltste Pitch Deck. Was Erfolg bringt ist ein persönliches Schreiben, das erklärt, warum genau dieser Kontakt zustande kommt. Das persönliche Moment trägt umso mehr Gewicht, je weniger man es im Verlauf der späteren Verhandlungen herstellen kann. Zum Kaffee kann man gerade eben niemand mehr einladen, daher gilt es von Beginn an, sich auf eine persönliche Ebene zu begeben. Kontraproduktiv ist es, Calendly-Links mit dem Text „Buch Dir doch einfache einen Zeitslot in meinem Kalender“ zu verschicken. Das ist unpersönlich und hilft niemandem. Nicht vergessen, der Empfänger deiner Nachricht ist vermutlich des Lesens mächtig und wird reagieren. Keine Reaktion ist auch eine Reaktion.

Wie aber die persönliche Ebene forcieren, wenn der Erstkontakt vorraussichtlich nicht im Cafe, Büro oder auf einem Event stattfindet? Auf unabsehbare Zeit wird man sich per Videokonferenz oder klassischem Telefonat kennenlernen. Dabei kann man sein Gegenüber schnell aus den Augen verlieren. Es lohnt daher gerade zu Beginn sich nicht in technischen Hilfsmitteln zu verlieren. So verführerisch es auch ist, vermeide ich es, beim ersten Videocall Slides zu zeigen. Die Message und was man vom Gegenüber will, muss klar sein. Slides bilden nicht nur im Gesprächsverlauf eine Zäsur, sondern können auch zu Verzögerungen führen. Wir kennen das alle, wenn es mit der Übertragung mal nicht richtig klappt oder andere technische Probleme auftreten. Calls haben eine zeitliche Begrenzung, das ist kein nettes Wir-treffen-uns-mal-zum-Mittagessen. Eine klare Gesprächsführung mit ganz klar formulierten Zielen ist notwendig.

Hoffen wir mal, man hat seine Investoren bis hierhin überzeugt, kommt nun der Teil, bei dem es sich durch die Corona-Situation am stärksten neu aufzustellen gilt. Kein Meeting mehr, bei dem man alle im Raum mitreißen kann. Natürlich kann ich auch im Videocall mit den Händen fuchteln, aber ob ich dadurch mein Gegenüber emotional stärker erreiche, ist fraglich. Was noch weit schwieriger wiegt, ist, sich nicht zu sehen. Zumindest nicht in 3D. Das macht es nahezu unmöglich eine andere Person zu lesen. Der Blick auf die Gesichter im Raum, wie überzeugend man war, fällt nahezu weg. Menschen agieren vor der Kamera anders.

Um dem entgegenzusteuern und herauszufinden, wen es noch zu überzeugen und wo es noch nachzubessern gilt, hilft es von vornherein, nicht alles in einem einzigen Meeting abhandeln zu wollen. Seien wir ehrlich, Telkos sind echt anstrengend. Wer daraus einen Ganztagesworkshop machen will, stellt sich selbst ein Bein. Es lohnt sich, ein bis anderthalb Stunden-Slots mit klaren Themen anzuvisieren. Das mag auf den ersten Blick so wirken, als würde man den Gesamtprozess strecken. Das Gegenteil ist der Fall. So schafft man ein schnelleres Zusammenfinden und Sicherheit beim möglichen Investor. So gut es tut, sich nach dem Business auch mal über Privates auszutauschen: im Videocall ist das unangebracht. Auf professioneller Ebene heißt es zusammenzufinden und zu überzeugen. Privates und Small Talk müssen auf One-to-One-Telefonate verschoben werden.

Durch das fehlende persönliche Moment leidet die Chance, Vertrauen zum Investor aufzubauen. Um dieses an anderer Stelle zu gewinnen hilft es, mehr Transparenz zu schaffen. Gerade in den Gruppencalls. Befindet man sich bereits in Detailgesprächen oder Vertragsverhandlungen leistet Technik dafür einen riesen Dienst. Per Screen Sharing arbeiten wir direkt gemeinsam an den wichtigen Dokumenten. Egal ob am Term Sheet oder an den Verträgen, Änderungen werden für alle sichtbar durchgeführt. Diese „Anwaltssituation“ lässt sich wunderbar digital abbilden. Alle sind beteiligt, erhalten die Ergebnisse direkt nach dem Austausch. Meine Erfahrung zeigt, auch wenn noch weitere Tasks zur Veränderung notwendig sind, lohnt es trotzdem den Stand aus dem Call direkt zu versenden. Wo vor der Pandemie neben all den Zahlen des Startups die Personen stärker im Fokus standen, ist es jetzt der gemeinsame Arbeitsprozess. An dessen Verlauf und Ergebnis lässt sich der Erfolg stärker messen denn je.

Ob Corona für eine langanhaltende Veränderung bei Investorengesprächen führen wird? Ich wage keine Prognose, aber die Effektivität, die gerade vorherrscht, genieße ich. Und vermutlich auch die Kapitalgeber. Effektiv heißt ja nicht unpersönlich. Denn was es in keinem Fall zu vergessen gilt ist, nach dem Closing gemeinsam anzustoßen. Auch per Videocall kann das ausgelassen sein.

Über den Autor
Manfred Tropper ist CEO von mantro

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Foto (oben): Shutterstock