Gastbeitrag von Marcel Werner
Betriebssport hilft … nicht! Der Weg bringt kein Ziel
Immer mehr Unternehmen haben den Wunsch, mit Betriebssport die Fitness ihrer Mitarbeiter zu unterstützen. Dieser Trend ist durchaus lobenswert. Zugleich stellt sich die Frage nach dem Sinn und den tatsächlichen Effekten: Kann ein Unternehmen vom Betriebssport wirklich profitieren oder nutzt es allein dem Betriebssportanbieter?
Als Alumni der Humboldt Universität Berlin, langjähriger Gesundheits- und selbstständiger Betriebssporttrainer habe ich mich wissenschaftlich wie praktisch mit dem Thema Effektivität und Nutzen von Betriebssport auseinandergesetzt – u. a. als Partner mehrerer Berliner Startups. Meine Ergebnisse stelle ich in diesem Beitrag erstmals vor.
Kranke Mitarbeiter sind teuer
Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass langes Sitzen zu Rücken-, Nacken- und Gelenkschmerzen führt. Ein Arbeitnehmer sitzt im Laufe seines Arbeitslebens mindestens 80.000 Stunden vor seinem Bildschirm. Daraus resultieren Fehlzeiten, Arbeitsblockaden, Lustlosigkeit und eine geringe Arbeitsproduktivität.
Diese Attribute nutzen einem Startup wenig. Im Durchschnitt lässt sich ein Arbeitnehmer im Jahr 13 Tage krankschreiben. 2009 ist so ein volkswirtschaftlicher Schaden von rund 43 Milliarden Euro entstanden. Die Minimierung krankheitsbedingter Fehlzeiten kann essentiell für das Überleben eines Unternehmens sein und auf der anderen Seite zu einer Maximierung der Effektivität eines Betriebes führen.
Wer die Wahl hat, hat die Qual
Jedes Startup ist daran interessiert, die besten und motiviertesten Mitarbeiter zu haben. Einige Unternehmen setzen auf Feelgood-Manager, andere kaufen einen Kicker-Tisch, die nächsten nehmen an einem Betriebsportangebot teil. Einige sehen darin gar keinen Sinn. Fakt ist: Längsschnittstudien haben gezeigt, dass es positive Effekte auf beiden Seiten gibt, wenn sich ein Arbeitgeber um das Wohl seiner Arbeitnehmer kümmert.
1 Euro zahlen und 2,70 Euro sparen
Spätestens hier sollte jeder Arbeitgeber hellhörig werden. 1,70 Euro Gewinn und das immer und immer wieder? Wie ist das möglich? Eine der bisher größten Studien zum Thema gesundes Arbeiten hat die „Initiative Gesundheit und Arbeit“ im Jahr 2015 herausgebracht. Sie zeigt, dass durch betriebliche Gesundheitsförderung die Fehlzeiten im Durchschnitt um 25 % gesenkt werden konnten.
Für jeden Euro, den ein Unternehmen investiert hat, wurden letztendlich 2,70 Euro auf Grund von reduzierten Fehlzeiten eingespart. Das Return on Investment ist demnach überaus positiv. Bei mehreren hundert oder gar tausend Mitarbeitern in schnellwachsenden Startups ein signifikanter Faktor. Die Basis dieser Untersuchung bildeten rd. 2.400 Studien.
Auf der Suche nach dem Haken
Wie schön wäre das: Ein Later-Stage-Startup nimmt an einem Betriebssportprogramm teil. Alle Mitarbeiter aus Online-Marketing und Software-Entwicklung sind total begeistert und die CEOs werden, da sie sich um das Wohl ihrer Mitarbeiter bemühen, in höchsten Tönen gelobt und zum „besten Arbeitgeber“ gekührt. Die Teilnahmebereitschaft ist enorm. Alle sind dabei und hoch motiviert.
Das Angebot wird angenommen. Und dann? Dann kommt die zweite Woche Betriebssport. Petra hat noch was zu erledigen. Laura und Matthias möchten nicht erst eine halbe Stunde zum Betriebssport fahren. Sarah sagt: „Ich gehe nächste Woche auf jeden Fall hin“. Und auch Boris ist heute nicht mehr so motiviert wie noch vor einer Woche. Was ist das Problem? Hat der Sport den Leuten keinen Spaß gemacht? War es zu anstrengend? Nein. Das Problem ist der Weg!
Der Weg bringt kein Ziel
Auch wenn oft gesagt wird, der Weg sei das Ziel, so führt er doch am Ende oft zur Ziellosigkeit. Jeder kennt das: Am 31. Dezember hat man noch viele gute Vorsätze für das neue Jahr. Nach einer Woche kommt der Alltag wieder. Leider schaut die Realität oft so aus, dass ein Betriebssportprogramm daran scheitert, dass die Personen einfach nicht teilnehmen. Aber was kann der Arbeitgeber dagegen tun? Ganz einfach!
Dein Erfolg, Dein Büro
Die Arbeitnehmer müssen nicht zum Betriebssport kommen, sondern der Betriebssport zu den Arbeitnehmern. Es hat sich gezeigt: Umso näher der Sport am eigenen Arbeitsplatz stattfindet, umso höher ist die Teilnahmebereitschaft. An einem externen Sportangebot nehmen oft nur diejenigen teil, die ohnehin aktiv sind. Mit einem internen Angebot erreicht man oftmals auch diejenigen, die es wirklich benötigen. Nur so sinkt die Krankheitsrate (vgl. Pieter et al., 2014).
Einfach reich sparen
Ich stelle fest, dass Betriebssport – wenn er richtig geplant wird – durchaus einen sehr positiven Effekt hat. Ein Unternehmen spart langfristig gesehen nicht nur Geld, sondern verdient am Betriebssport durch eine geringere Krankheitsrate. Jeder CEO und jede/r HR-Manager/in sollte sich überlegen, ob er/sie den Betrieb voranbringen möchte und sich gesunde, motivierte Mitarbeiter wünscht – oder lieber einen Stapel Krankschreibungen auf dem Tisch haben will.
Passend zum Thema: “So kommt der individuelle Sport ins Start-up-Büro”
Über den Autor
Marcel Werner arbeitet seit 2009 als Sporttherapeut. Seine Schwerpunkte sind orthopädische Erkrankungen des Wirbelsäulenbereiches mit Spezialisierung auf die Halswirbelsäule. Er ist Absolvent der Humboldt-Universität zu Berlin und u.a. lizensierter Orthopädie-Trainer. Anfang 2014 hat er sich mit Sportup Berlin als Betriebssporttrainer selbstständig gemacht.