Ryan Hood im Interview

“Keine Angst haben, dass jemand eine Idee klaut”

"Ich halte es für sehr wichtig, dass man alle Ideen auch sofort einem Realitätscheck unterzieht. Also: Hat man eine Idee für ein Geschäftsmodell dann sollte man es einfach im realen Leben ausprobieren", sagt Ryan Hood, der vor 15 Jahren mit Hood.de an den Start ging.
“Keine Angst haben, dass jemand eine Idee klaut”
Mittwoch, 18. November 2015VonAlexander Hüsing

Vor sage und schreibe 15 Jahren ging das Onlineauktionshaus hood.de ins Netz. Mit 7 Millionen Kunden und über 5 Millionen Angeboten pro Tag kann Gründer Ryan Hood heute protzen. Und mit einem Gross Merchandise Volume (GMV) von 39 Millionen Euro. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht er über Dinosaurier, Fehler und Realitätschecks.

15 Jahre Hood.de: Wie fühlen Sie sich als Dinosaurier unter den Start-ups im Lande?
In Internet-Jahren ist das tatsächlich eine lange Zeit, wir fühlen uns aber tatsächlich immer noch mehr als Start-up statt als Dinosaurier. Es ist immer noch jeden Tag spannend, da der Markt sich ständig weiterentwickelt und man dynamisch agieren muss. Wenn man das gut macht, vergehen 15 Jahre schneller als man denkt.

Blicken Sie noch einmal zurück auf die Anfänge von Hood.de: Wie war das damals, ein Start-up zu gründen?
Hood.de habe ich 1999 gegründet. Das war tatsächlich eine andere Zeit und hat mit der Start-up-Kultur wie wir sie heute kennt wenig zu tun.

Was genau war anders?
Es gab weder VC-Strukturen, noch bekannte Business Angels, an die man sich hätte wenden. Heute nennt man das bootstrappen, damals hat man einfach alles gegeben, ausprobiert und nach dem try-and-error Prinzip getestet, was funktioniert und was nicht. Mangels Investoren habe ich dann kurzer Hand alles selbst finanzieren müssen und hatte den Druck sehr schnell Umsätze zu generieren, was glücklicherweise auch gelang. Heute bin ich über den damaligen Investorenmangel jedoch sehr glücklich. Auch die technische Infrastruktur war damals noch extrem teuer. Wer heute 20 Euro im Monat für einen Mietserver ausgibt, hätte 1999 für die gleiche Leistung monatlich mehrere Tausend Euro zahlen müssen – hinzu kam, dass Netzwerktraffic noch in 1-GB-Schritten abgerechnet wurde – zu Preisen zwischen 20 und 40 D-Mark pro GB. Da kann die erste Traffic-Rechnung in Höhe von 3.000 Mark damals schon ziemlich schocken.

15 Jahre sind eine lange Zeit, gibt es etwas, dass sie – wenn Sie könnten – anders machen würden?
Natürlich gibt es aus Unternehmerischer Sicht rückblickend immer Verbesserungspotenzial, sonst würde niemand Fehler machen. Wirklich anders machen würde ich jedoch nichts. Etwas anders machen bedeutet nicht zwangsweise, dass dadurch auch irgendetwas “besser” wird. Hätte ich etwas anders machen können? Ja, aber wären wir damit auch erfolgreicher? Kann sein, vielleicht aber auch nicht. Wir sind seit über 10 Jahren sehr profitabel und wachsen weiterhin. Wir haben also anscheinend nicht alles falsch gemacht.

Wäre es heute noch möglich, etwas wie Hood.de auszubauen?
Heute einen neuen Marktplatz ganz ohne Venture Capital zu etablieren, halte ich für nahezu unmöglich.

Wo steht Hood.de denn heute: Sind Sie nur die ewige Nummer 2 hinter eBay?
Wir sehen uns als eigene Marke mit eigener Identität, weniger als eine Nummer. Wir haben die Chance genutzt und Alleinstellungsmerkmale entwickelt. So bieten wir zum Beispiel persönliche Berater für unsere über 5.000 Händler, die sich auch wirklich mit der Materie auskennen und unsere Gebührenstruktur folgt weiterhin dem Vorbild von Robin Hood mit den in Deutschland niedrigsten Verkaufsprovisionen. Auch wenn Ebay und Amazon den Markt dominieren, bemerken wir eine eher steigende Nachfrage nach Alternativen. Viele Händler haben inzwischen verstanden, dass es ein hohes Risiko in sich bürgt, wenn man sich von einer einzigen Umsatzquelle abhängig macht. Multichannel ist deshalb schon lange nicht nur den großen vorbehalten und dank inzwischen ausgereifter Software ist das auch kein Hexenwerk mehr, neben Ebay auch Hood.de in seine Warenwirtschaft anzubinden.

Was raten Sie anderen Gründern, die noch am Anfang stehen?
Da ich selbst als Business Angel sehr aktiv bin und meine Erfahrungen und Wissen gerne weitergebe, fällt mir häufig auf, dass insbesondere Erstgründer sich oft in Details verlieren und dadurch kein Gefühl entwickeln können für das große Ganze. Ich kann als Gründer selbst verstehen, wie man sich in Ideen verlieben kann, aber ich halte es für sehr wichtig, dass man alle Ideen auch sofort einem Realitätscheck unterzieht. Also: Hat man eine Idee für ein Geschäftsmodell dann sollte man es einfach im realen Leben ausprobieren.

Wie macht man das?
Dazu reicht es oft schon zum Hörer zu greifen und zehn potenzielle Kunden anzurufen und deren Bereitschaft auszutesten. Nur so bekommt man ein Gefühl für den Markt. Soviel wie möglich ausprobieren und so agil wie möglich auch später bleiben. Ansonsten kann ich nur den Tipp geben, mit möglichst vielen Leuten zu sprechen und keine Angst davor zu haben, dass jemand eine Idee “klaut”. Gespräche regen die Kreativität an und können einen auch einmal dazu bringen eine Idee auch von einer ganz anderen Seite zu betrachten.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.