Von Christina Cassala
Freitag, 19. Februar 2016

“Scheue nicht das Risiko und sei entscheidungsfreudig”

Jeden Freitag beantwortet ein Gründer oder eine Gründerin unseren standardisierten Fragebogen. Der Fragenkatalog lebt von der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fragen, die alle Gründerinnen und Gründer beantworten müssen – diesmal antwortet Christian Chyzyk von ReachHero.

Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Viel wichtiger als sein „eigener Chef“ zu sein, ist es, etwas bewegen zu können. Das hat mich schon immer gereizt. Ein Unternehmen aufzubauen, bei dem das Team eine gemeinsame Vision verfolgt, ist ein unbeschreibliches Gefühl.

Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Tatsächlich durch mehrere Schlüsselerlebnisse: Bei meinem letzten Job als CTO der Axel Springer IdeAS Ventures wurde das Thema „Bewegtbild“ durch den digitalen Vormarsch immer stärker getrieben. Da hat es nicht lange gedauert, bis meine unternehmerische Ader geweckt wurde und ich über innovative Ideen in dem Bereich nachdachte. Schnell kam dabei YouTube auf den Schirm. Die Überlegungen waren hier, welche Möglichkeiten „Content Kreatoren“ geboten werden müssten, sich zu monetarisieren.

Gleichzeitig war die Frage, wie Werbekunden die massive Reichweite über eine innovative Lösung schnell und einfach nutzen und skalieren können. Durch verschiedene Gespräche mit Werbekunden und „Content Kreatoren“ war dann sehr schnell klar, dass in diesem Bereich definitiv Nachfrage herrscht. Besonders mein Co-Founder und „Head of Entertainment“ Aaron Troschke, selbst YouTuber mit über 230.000 Abonnenten und als Medienprofi in der Medien-Welt unterwegs, war damals direkt begeistert als wir darüber brainstormten. Die Idee zum Marktplatz für Influencer Marketing war geboren!

Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Gestartet sind wir im Axel Springer Plug & Play Accelerator mit der typischen Anschubfinanzierung von 25k. Da ich mich von Anfang an komplett um die IT gekümmert habe, entfielen die hohen Ausgaben auf die Entwicklung des Online-Marktplatzes. Nachdem reachhero.de dann online ging, konnten wir schnell relevante Umsätze aus dem operativen Geschäft erzielen. Das erlaubte es uns, das Unternehmen aus dem Cashflow zu finanzieren.

Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Nachdem wir operativ richtig gestartet waren, war der Workload für damals 2 Personen extrem hoch. Das Thema steckt – besonders in Deutschland – noch in den Anfängen, nimmt aber immer mehr Fahrt auf. Bei unserer Gründung war „Influencer-Marketing“ noch nicht so geläufig. Für uns bedeutete das, viel Aufklärungsarbeit bei den Kunden zu leisten, warum gerade dieser Marketingkanal für sie sehr spannend sein könnte. Gerade als erster automatisierter Online-Markplatz für Influencer Marketing in Deutschland mussten wir uns erst einmal beweisen und zeigen, wieso die Marketingbudgets nun in diese Art investiert werden sollten.

Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Glücklicherweise konnte ich durch die Gründung früherer Start-ups schon aus verschiedenen Fehlern lernen und bringe diese Erkenntnisse nun bei ReachHero mit ein. Das macht alles in der Gründungsphase – und darüber hinaus – einfacher und effizienter. Besonders die Erfahrungen aus früheren, unnötigen „Überoptimierungen“ in den vorherigen Start-ups, lassen uns jetzt schnell, kosteneffizient und agil handeln: Durch die konsequente Verfolgung des Lean-Start-up-Ansatzes, testen wir viele Dinge entsprechend dem Trial-and-Error-Prinzip, um so einen strategisch optimierten Weg zu finden.

Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Ganz klar: Influencer-Marketing! Denn wir bieten nicht nur unseren Kunden und Content Kreatoren die Möglichkeit, über einflussreiches Influencer Marketing an Größe und Bekanntheit zu gewinnen, sondern setzen auch selber darauf. Unsere Influencer nutzen nicht nur unseren Service, sondern berichten sogar in YouTube-Videos darüber.

So konnten wir schon direkt zu Beginn einen großen Zuwachs an Influencer- und Unternehmens-Registrierungen verzeichnen, nachdem „MrTrashpack“, ein erfolgreicher YouTuber, dessen Themengebiete sich rund um YouTube-News erstrecken, über ReachHero berichtet hat. Zudem ist die Influencer-Szene untereinander sehr gut vernetzt, so dass der „Word-of-Mouth“-Faktor eine zunehmende Rolle spielt. Retention ist uns sehr wichtig, deshalb legen wir großen Wert auf richtiges Customer Success Management, um unseren Kunden und Influencern den besten Service zu bieten. Selbstverständlich setzen wir aber auch in einem überschaubaren Maße auf klassische Online-Marketingstrategien wie Google Adwords und Facebook Ads.

Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Mein langjährige Freund Philipp John, mit dem ich bereits in den vergangenen Jahren einige Projekte gemeinsam umgesetzt habe, ist für mich schon immer ein zuverlässiger und kompetenter Sparringspartner gewesen, um Ideen vom Papier in die Realität zu überführen. Durch seinen 4-jährigen Aufenthalt in Palo Alto im Silicon Valley konnte er Erfahrungen aus einer ganz anderen Perspektive sammeln, als es mir bisher möglich war. Von Beginn an hat Philipp aus dem Silicon Valley zur Verwirklichung von ReachHero beigetragen und den Business-Development-Part mit seiner Expertise gefüllt. Die gemeinsame Entscheidung, dass er ein Teil von ReachHero wird und aus dem Valley nach Berlin wechselt, war für unser Unternehmen die Klügste.

Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Da gibt es tatsächlich unzählige, die ich in meinen letzten Start-ups gesammelt habe. Zusammenfassen kann man es am besten mit: Kämpfe mit der Angst, etwas falsch machen zu können, scheue nicht das Risiko und sei entscheidungsfreudig. Das Einzahlen in die eigene Persönlichkeitsentwicklung ist die wichtigste Investition in unserem Leben. Jeder, der schon einmal ein Start-up gegründet hat, kennt die Ups und Downs, die einen Tag für Tag begleiten. Erfolg ist kein linearer Prozess!

Wichtig ist es, an sich und an die Idee zu glauben und einfach immer kontinuierlich, konsequent und mit voller Energie weiterzumachen. Denn es ist eine Sache der Perspektive, ob Situationen als Problem oder Herausforderung angesehen werden. Der positive Spirit ist essentiell und wird nicht nur für einen selber, sondern für die gesamte Kultur des Start-ups förderlich sein.

Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Zwar ist die Investitionskultur in Deutschland schon auf dem Vormarsch, doch leider sind wir noch weit entfernt von der „Investitionslust“ des Silicon Valleys. Um an der Stelle mehr an Meilen zu gewinnen, wäre es hilfreich, weitere Programme wie den „Gründerzuschuss“ für Existensgründer oder bessere Investitions-Bedingungen für Investoren zu entwickeln. Den Schritt als Gründer zu wagen und ein Start-up aufzuziehen, ist schon eine der größten Herausforderungen, da darf es nicht an der monetären Unterstützung scheitern.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Ich hätte vermutlich einen Job in der IT, der meiner kreativen und unternehmerischen Art Freiheit gibt. Ein „normaler“ nine to five Job ist für mich zur Zeit undenkbar. Man hätte auf einmal soviel Freizeit – ich glaube, ich wäre damit erst einmal überfordert.

Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Bei einem von denen, die viele herausfordernde Situationen gemeistert und ihr Business so lange gedreht haben, bis es erfolgreich funktioniert hat. Das würde ich sehr spannend finden.

Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
Definitiv in die Zukunft! Als ITler ist für mich der technologische Fortschritt der nächsten Jahrzehnte am spannendsten. Besonders im Hinblick darauf, wie die Technologie unser Leben weiter verändern wird.
Und außerdem sind wir Marty ja noch das Hoverboard schuldig, mal schauen ob wir es bis dahin hinbekommen haben.

Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Eine Frage, die wahrscheinlich jeder Unternehmer ähnlich beantworten wird: mit mehr finanzieller Ruhe und Gelassenheit Projekte angehen. Und besonders die Investition in die eigene Persönlichkeitsentwicklung, die leider von vielen meist unterschätzt wird.

Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Brunchen ist dabei ein Muss! Und das in immer unterschiedlichen Cafés, um Vielfalt zu erleben. Schön entspannt genießen und mal nicht auf die Zeit achten. Danach einfach mal durch die Gegend schlendern und Vergangenes reflektieren, um in die eigene Persönlichkeitsentwicklung einzuzahlen. Oft auch gerne spannende Ausflüge oder Kurz-Trips mit den Liebsten, um die Welt zu erkunden und neue Dinge zu entdecken. Ein Gläschen Weißweinschorle lässt den Tag dann entspannt ausklingen.

Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Mit Mark Zuckerberg, denn er hat’s einfach drauf!

Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an

Zur Person:
Christian ist Diplom-Informatiker und verfügt über 17 Jahre Erfahrung im Feld der Software-Entwicklung, ehe er ReachHero gegründet hat. Zuvor verantworte er als CTO der Axel Springer IdeAS Ventures GmbH die fachliche Führung des internationalen Entwickler-Teams in Deutschland und Polen. Bereits als Teenager gründete er sein erstes Start-up im Software-Bereich.

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