Von Christina Cassala
Freitag, 6. November 2015

“Boris Becker ist der Held meiner Kindheit”

Jeden Freitag beantwortet ein Gründer oder eine Gründerin unseren standardisierten Fragebogen. Der Fragenkatalog lebt von der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fragen, die alle Gründerinnen und Gründer beantworten müssen – diesmal antwortet Marcel Düe von Tweek.

Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Für uns gab es damals zwei Gründe, Tweek zu gründen: Den Videomarkt disrupten, da dieser aus unserer Sicht vor allem Anbieter- und nicht Nutzer-getrieben war. Aber wir wollten auch eine Unternehmenskultur schaffen, in der jeder intrinsisch motiviert an den Themen arbeiten kann, die ihn wirklich interessieren. Ich denke, nur Spaß an der Arbeit führt letztendlich zu außergewöhnlichen Ergebnissen. Von daher bedeutet es mir sehr viel, mein eigener Chef zu sein, da wir unsere Vision von Unternehmenskultur bei Tweek jeden Tag leben können – das ist unbezahlbar.

Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Wir sahen, wie das Gerät „Fernseher“ aus dem Leben vieler Menschen verschwand. Gleichzeitig stieg der Konsum von Serien und Webinhalten. Daran war aus unserer Sicht keineswegs das Gerät schuld, sondern der Service, der an das TV Gerät gebunden war bzw. bis heute ist. Dies wollten wir ändern. Außerdem fanden wir es natürlich reizvoll, mit einem eigenen Unternehmen gleich den größtmöglichen der existierenden Werbemärkte – die TV-Werbe-Etats – zu adressieren. Jetzt – 5 Jahre später – sind wir langsam soweit, dass diese Werbeetats wirklich ins Digitale wandern.

Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Das erste Jahr haben wir selber finanziert, bis wir einen Produkt-Prototypen fertiggestellt hatten, um diesen zum Pitchen zu nutzen. Nach einem Jahr führten wir eine Seedrunde mit BMP Media Investors, der Euroserve Media, Catagonia Capital und kurz darauf Martin Sinner durch.

Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Es gab bei Tweek nicht die großen Stolpersteine, sondern viele kleine. Das Bewältigen von unvorhergesehenen Ereignissen wie z. B. eine rasante und sich ständig verändernde Marktsituation begleitet die Gründung eines Start-Ups tagtäglich. Ein vielleicht interessanter Stolperstein aus der frühen Phase war die Zusage eines Investors, der dann zwei Tage vor dem Notartermin einen Rückzieher machte. Ich denke, das haben viele Gründer erlebt, aber in dem Moment trifft es einen. Wir haben uns nicht entmutigen lassen und zum Glück haben unsere heutigen Investoren trotz dieses Verhaltens zu uns gehalten. Heute sind wir froh über die entstandene Konstellation.

Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Da gibt es sehr vieles. Ich würde definitiv probieren, schneller Geld aus dem Valley zu bekommen oder schneller Umsatz generieren. Unser Mittelweg eines innovativen, zunächst auf Europa fokussierten B2C-Modells war nicht sinnvoll.

Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Heute ist für uns im B2B-Segment vor allem die Referenz bestehender Kunden wichtig. Auch die Videobranche ist nicht riesig, die handelnden Personen kennen sich über die Unternehmensgrenzen hinweg. Wir setzen auf Qualität, die sich dann in der Branche rumspricht – natürlich flankiert durch entsprechende Kommunikationsmaßnahmen.

Wir haben zum Beispiel kürzlich ein A-B-Testing mit MyVideo durchgeführt, die mit unserer Entertainment-API die Videoviews ihrer eingeloggten Nutzer um 140 Prozent steigern konnten. Das ist ein unglaublicher Wert. Bei solchen Ergebnissen wird den Unternehmen schnell bewusst, dass es nicht mehr darum geht, nur Masse an Content anzubieten, sondern es eine Technologie braucht, die diese Content-Flut beherrscht und dem Nutzer das liefert, woran er auch wirklich interessiert ist. Solche Referenzen und Testergebnisse helfen natürlich sehr, um neue Kunden von unserer Technologie zu überzeugen.

Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Holger G. Weiss, CEO von Aupeo.

Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Immer Pitchen. Immer Recruiten! Klingt einfach, aber hilft aus meiner Sicht wirklich. Das Team ist das Wichtigste für mich. Beim Pitchen wiederum triffst Du hier und da Menschen, die etwas bewegen können und auch wollen. Das hilft, um Umsatz und Wachstum zu erzielen.

Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Ich wünsche mir einen einfacheren Visa-Prozess. Als Unternehmer lernt man allerdings schnell, wichtige Dinge selber voran zu treiben und nicht auf die Hilfe Dritter zu warten. Vor allem nicht bei der Bürokratie, die hier herrscht. Bei einer Veranstaltung hat sich die Berliner Wirtschaftsministerin unseres damals akuten Visa-Problems „persönlich“ angenommen und mich mit einem ihrer Mitarbeiter verbunden. Der war zunächst noch sehr eifrig. Als die Senatorin aus der Kommunikation verschwunden war, delegierte er weiter und ich habe nie wieder eine Antwort bekommen.

Inzwischen sitzt der Mitarbeiter aus Brasilien mir gegenüber, in vier Monaten zieht seine Frau nach. Ein Freund hat den beiden gerade eine Wohnung besorgt. Wir kümmern uns nicht nur um die geschäftlichen, sondern manchmal auch um private Belange unserer Mitarbeiter, wenn sie es denn wünschen.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Vielleicht würde ich eine Surfschule in St. Peter Ording betreiben.

Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Definitiv bei Number4. Number4 hat kurz nach uns begonnen und ist meines Wissens immer noch im Stealth Mode. Ein Freund von mir arbeitet dort. Wir haben ihn damals auch versucht zu Tweek zu bekommen. Mit wenig Geld und großer Vision. Er hatte allerdings gerade ein Haus gebaut und ist zum zweiten Mal Papa geworden. Da hat er lieber auf Marco Börries gesetzt. Ich glaube an das Projekt von Marco und seinem Team und würde gern wissen, wie weit sie sind.

Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
Ich bin dankbar, dass ich in der heutigen Zeit mit Frieden in Zentral-Europa und meine Familie in Sicherheit lebt.

Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
In Tweek investieren.

Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Bett, Kaffee, Netflix, Sport, Tatort. Reihenfolge und Frequenz variieren.

Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Boris Becker. Der Held meiner Kindheit. Noch heute verbringe ich Freizeit gern auf dem Platz, spiele Verbandsliga in Berlin/ Brandenburg für den TC Friedrichshain.

Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an

Zur Person:
Marcel Düe ist Gründer und Geschäftsführer von Tweek, das seit 2010 mittels Technologie den Video Entertainment Markt ein Stück besser macht. Zuvor war Marcel Teil des gate5 Teams, das 2006 an Nokia Inc. verkauft wurde. Marcel studierte in Berlin, Sydney und hält einen Abschluss der Universität Potsdam.

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