Von Christina Cassala
Freitag, 7. August 2015

“Die Gründung eines Start-ups ist ein emotionales Hin-und-Her”

Jeden Freitag beantwortet ein Gründer oder eine Gründerin unseren standardisierten Fragebogen. Der Fragenkatalog lebt von der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fragen, die alle Gründerinnen und Gründer beantworten müssen – diesmal antwortet Christoph Jung von mycs.

Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Selbst entscheiden zu dürfen, was das Beste für mein Unternehmen ist und, in der Frühphase, überall auch selbst anzupacken. Mein eigener Chef zu sein bedeutet eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der ich und meine Mitarbeiter täglich gerne arbeiten. Es bedeutet auch eine Menge Verantwortung, dafür, dass die Firma erfolgreich ist, aber auch gegenüber Kunden, Mitarbeitern und Investoren.

Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Ich habe aktiv nach interessanten Geschäftsideen Ausschau gehalten. Ich bin schnell auf den Möbelmarkt gestoßen, weil ich gemerkt habe, dass es praktisch keine guten Angebote gibt, die qualitativ über Ikea liegen, aber immer noch erschwinglich sind. Konkret habe ich nach einem Bett gesucht und bin verzweifelt, als ich bei BoConcept und Co. mit Lieferzeiten von 12 Wochen und sehr hohen Preisen konfrontiert wurde. Am Ende wurde es dann doch wieder ein Ikea-Bett, ich wollte nicht drei Monate auf einer nackten Matratze schlafen wollte und nicht mehr als 1000 Euro ausgeben.

Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
mycs wurde von namhaften Business Angels, ehemaligen Massivkonzept-Investoren sowie von der KfW finanziert.

Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Wir haben ziemlich lange gebraucht, ein schlagkräftiges und hochwertiges Programmierteam in Berlin zu rekrutieren, welches unsere Konfiguratoren entwickelt. Wichtig ist es zu verstehen, was hochkarätige Entwickler wollen: neueste Technologie, interessante Herausforderungen, effiziente Arbeitsprozesse, eine tolle Teamatmosphäre und eine überzeugende Unternehmensvision. Nach sechs Monaten haben wir es geschafft, ein tolles, erfahrenes Team aufzubauen, das nun Produkte baut, welche die Welt in dieser Qualität noch nicht gesehen hat.

Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Da dies nicht das erste Unternehmen ist, das wir gründen, haben wir schon viele Learnings aus der Vergangenheit in mycs einfließen lassen. Trotzdem macht man noch immer Fehler. Ich würde beispielsweise nicht wieder versuchen, so schnell wie es nur geht einen MVP auf den Markt zu bringen, sondern direkt ein ausgereifteres Produkt launchen, auf welchem später weiter aufgebaut werden kann.

Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Alle sozialen Kanäle sind für uns von besonderer Bedeutung. Wir verkaufen hoch emotionale Produkte, mit denen sich unsere Kunden identifizieren und die sie gerne mit anderen teilen. Die Grundvoraussetzung dafür ist es natürlich, dass unsere mycs Produkte den Kunden zufrieden und glücklich machen können.

Wenn die Produktqualität und der Service überzeugen und es schnell und unkompliziert ist sein Traum-Möbel zu finden, teilen die Kunden gerne Ihre guten Erfahrungen und das tun sie bei Facebook und Co. Selbstverständlich tun sie das auch mit negativen Erfahrungen, das versuchen wir durch hohe Qualitätsstandards und enorme Ansprüche an uns selbst zu vermeiden. Jeder glückliche Kunde ist ein potentieller mycs-Botschafter.

Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Sicherlich Aditi, meine Frau. Die Gründung eines Start-ups ist ein emotionales Hin-und-Her. Da hilft es sehr, wenn man jemanden hat, der einen immer wieder ermutigt und bestätigt, aber auch ehrlich sagt, wenn man sich gerade auf dem Holzweg befindet.

Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Das wichtigste ist: gründet Euer Unternehmen nicht, während Ihr andere Fulltime-Jobs habt oder neben der Uni. Ich habe viele Freunde, die tolle Geschäftsideen hatten, aber gescheitert sind, weil sie sich nicht voll auf deren Umsetzung fokussiert haben. Es geht nur ganz oder gar nicht!

Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Natürlich geringere Steuern, weniger Bürokratie, mehr staatliche Finanzhilfen für Startups. Aber unter uns: ich finde den Gründungsstandort Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern schon sehr gut. Es gibt viele Fördertöpfe für Gründer und ganz ohne Bürokratie geht es ja nicht.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Das ist so schwer zu beantworten, da ich mir eigentlich kaum was anderes vorstellen kann. Ich wäre wahrscheinlich als Ingenieur bei einem Großkonzern gelandet in der Produktentwicklung oder im R&D.

Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Bei einem Spieleentwickler wie z.B. Wooga. Unsere Konfiguratoren nutzen ähnliche Technologien und sollen unseren Usern auch Spaß bereiten. Es ist sehr spannend für uns von Unternehmen zu lernen, die solche Produkte laufend auf den Markt bringen.

Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
In die Zukunft! Ich bin sehr gespannt, wie unsere Welt im Jahre 2050 aussehen wird und wie wir dann die vielen neuen Technologien nutzen werden.

Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Wahrscheinlich gründe ich wieder ein Unternehmen und werde zu meinem eigenen Risikokapitalgeber.

Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Mit meiner Frau und Tochter in der Natur. Meist irgendwo am Wasser, denn die Berge sind ja ziemlich weit von Berlin entfernt.

Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Mit Yves Béhar. Ich bewundere die Ästhetik, Einfachheit und Formsprache seiner Produkte sehr, aber auch die Art, auf die er sie vermarktet.

Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an

Zur Person:
Christoph Jung studierte Maschinenbau an der Universität Duisburg-Essen. Im Anschluss absolvierte er seinen Master of Science in Mechatronics und seinen MBA in Technology Management an der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Seine berufliche Karriere begann er als Berater bei McKinsey, ehe er sich 2010 mit Massivkonzept stelbständig machte, welches er an das amerikanische Unternehmen Fab.com verkaufte. Mit der iDsign GmbH, dem Betreiber des Berliner Start-ups mycs, ist er seit vergangenem Jahr am Markt aktiv.

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