Ohne Trends: BITKOM Trendkongress 2012

Die ganze Veranstaltung begann mit der Begrüßung des BITKOM-Präsidenten Professor Dieter Kempf. Eine besonders innovativer und zukunftsorientierter Kongress sollte es sein – so gab es sogar ein System für Liveabstimmungen und sogar eine Twitter-Wall. Letztere listete unter den ersten drei Tweets die Frage auf, ob denn Herr Professor Kempf ausgeschlafen sei. Der Präsident kommentierte die Frage als “unerhört”, woraufhin selbige aus der Twitter-Wall verschwand. Und so lief dann dieser Kongress auch ab: Ängstlich im Umgang mit Innovation, keine neuen Erkenntnisse und vor allem keine Trends.

Dabei ist der BITKOM Trendkongress die logische Folge der Vorhersicht der BITKOM. Denn schließlich wusste der Verband bereits vor Jahren, wo die ITK heute steht. Auf der Pressekonferenz rühmte sich der Branchenverband mit seiner Weitsicht: “Internettechnologien sowie Informations- und Kommunikationssysteme sind inzwischen dort angekommen, wo wir sie bereits vor Jahren perspektivisch verortet haben: im Zentrum von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.”

Klar also, das ein Trendkongress her muss, der “die wichtigsten Hightech-Trends der kommende Jahre” benennt. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Und um die “aktuellen Entwicklungen mit Vordenkern der Technologiebranche” zu diskutieren, ging BITKOM (www.bitkom.org) eine Partnerschaft mit dem Marktforschungsunternehmen Gartner (www.gartner.com) ein. Ziel ist es, “eine Brücke [..] zwischen etablierten Unternehmen und jungen Startups” zu schlagen. Professor Kempf betont: “Ein entsprechender Treffpunkt fehlt bislang.”

Trendthemen 2012

Auf dem BITKOM Trendkongress 2012 standen vier Trendthemen im Mittelpunkt:

  • Mobile Technologien
  • Social Innovation
  • Big Data
  • Cloud Computing

Vordenker und Industrie 4.0

Als Keynote-Vordenker setzte Bundeswirtschaftsminister Dr. Philip Rösler die politischen Aufgabenschwerpunkte auf Vernetzung, Regulierung und Startup-Kultur. Gerade letztere ist notwendig, um ein Klima für neue Unternehmen und neue Gründungen in der vierten industriellen Revolution zu schaffen. Eine Startup-Kultur muss kreatives Unternehmertum fördern und jungen Unternehmern den Zugang zu Geld erleichtern. Ziel muss es sein, dass der Streubesitz steuerfrei bleibt und es müssen die Möglichkeiten, Risikokapital und Unternehmen zusammenzubringen, verbessert werden. Außerdem bedarf es einer Willkommenskultur, die für eine Gründungskultur notwendig ist. Die Blue Card ist ein Ansatz, der seit Beginn vor ca. zwei Monaten, immerhin schon 180 Fachkräfte nach Deutschland holte.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler fordert eine Startup-Kultur

Im Anschluss an den Bundeswirtschaftminister hielt Stephen Prentice, als Vertreter des Hauptsponsors Gartner, einen Vortrag über die Trends “that matter in 2013”. Der Vortrag wirkte dabei mehr als eine Zusammenfassung, was bereits alles passiert ist und weniger als ein Ausblick, auf das was tatsächlich kommen wird. Das wundert nicht, denn schließlich lässt sich die Zukunft nicht voraussagen. Dessen war sich der Stephen Prentice auch bewusst, in dem er das Publikum darauf hinwies: “the biggest competitor are the small businesses that we don’t know now.”

Stephen Prentice von Gartner erklärt Trends

Das Dilemma der großen, erfolgreichen, etablierten Unternehmen, wie z.B. SAP, ist ja, dass sie alles richtig machen: auf ihre Kunden hören, in neuen Technologien investieren und den Wettbewerb genau beobachten. Und trotzdem an neuen Technologien, an neuen Geisteshaltungen, an neuen Unternehmen, die heute noch unbekannt sind, scheitern. Märkte, die es nicht gibt, können nicht analysiert werden, lautet eine Regel, die dieses Dilemma beschreibt.

Jim Hagemann Snabe will eine Million Entwickler für SAP motivieren

Heute geht es SAP (www.sap.com), dem Marktführer für Unternehmenssoftware (noch) blendend. 60% aller Businesstranskationen laufen über ein SAP-System und die SAP-Aktie entwickelt sich zur Freude der Investoren. Investoren und Analysten fordern Wachstumsfantasie und als letzter Redner des Vormittags erklärte Jim Hagemann Snabe, Co-CEO SAP AG, die Zukunft des Wachstums. Dazu holte Jim Hagemann Snabe etwas aus und erläuterte am Beispiel der Musikindustrie, wie Digitalisierung, MP3 und iPod Wertschöpfungskette und Geschäftsmodell dieser Branche grundlegend veränderten. Eine Reaktion von SAP auf Industrie 4.0 ist die Öffnung der Hana-Plattform und dem Programm, Entwickler dafür zu motivieren, auf dieser bzw. für diese Plattform Business-Apps zu entwickeln.

Zukunftstrends

Der Versuch mit dem BITKOM Trendkongress 2012, den gewünschten Dialog zwischen etablierten Unternehmen und jungen Startups zu fördern, ist misslungen. Auch das Ziel Trendthemen zu diskutieren, wurde nicht erreicht. Die beschriebenen Trends sind ein alter Hut und das Brot-Und-Spiele-Eventkonzept, ein alter eingetretener Pfad. Systeme lassen sich nicht aus sich selbst heraus verändern. Die Musikindustrie wurde von Eindringlingen von außen verändert. Der Gesundheitsbereich wird durch Nicht-Mediziner und Nicht-Pharma neu definiert. Zukunftsthemen, wie Quantified Self oder Open Government und die ganzen Service-Design-User-Experience-Design-Thinking-Ansätze blieben aus. Das Veranstalter-Duo BITKOM und Gartner könnte sich für das nächste Mal bei Amazon Piratenhüte und Augenklappen bestellen und zur Vorbereitung für den Trendkongress 2013 unter das Pirate Summit mischen. Eines ist für die Zukunft auf jeden Fall klar. Der BITKOM Trendkongress 2012 war der Auftakt für regelmäßig stattfindende Trendkongresse. Wenn der BITKOM Trendkongress 2013 dann durch AARRRGGHHH eröffnet wird, dann wird der Präsident auch bei der Frage, ob ausgeschlafen oder nicht, sicherlich ein Auge zu drücken können.