Bei novego und psycheplus den Depressions-Test machen

Viele Menschen nutzen das Internet für gesundheitliche Fragen: als ersten Ratgeber, für die Arztsuche oder um sich bei Themen wie Fitness oder Rauchentwöhnung coachen zu lassen. Immer mehr Angebote bewegen sich allerdings im Grauzonenbereich. So führte beispielsweise das Angebot der Online-Sprechstunde DrEd zu heftigen Diskussionen, genauso wie der Nährstoff-Konfigurator Purmeo. Nun nehmen sich zwei neue Anbieter namens psycheplus (www.psycheplus.de) und Novego (www.novego.de) die psychische Gesundheit von Menschen vor und zeigen beispielsweise auf, ob depressive Tendenzen vorliegen. Längst überfällig oder grob fahrlässig?

Novego: zehn beantwortete Fragen geben Aufschluss

„Selbsthilfe bei Depressionen“ verspricht das Start-up Novego gleich auf der Startseite, während eine hübsche Blondine nachdenklich in die Ferne blickt. Ob man selbst betroffen ist, klärt ein kostenloser Online-Test: zehn Fragen beantworten, schon erfolgt die Auswertung. „Sie leiden möglicherweise unter einer unterschwelligen oder leichten Depression“, lautet das Ergebnis beispielsweise. Im Anschluss folgt der Hinweis, das Unwohlsein doch am besten mit dem Hausarzt oder einem Psychotherapeuten abzusprechen. „Eine weitere Unterstützung kann Ihnen unser Programm Depressionshelfer bieten“, lädt Novego seine Besucher ein.

Hinter dem Depressionshelfer verbirgt sich ein zwölfwöchiges Online-Programm, das pro Monat 59 Euro kostet – macht bei zwölf Wochen also 177 Euro. Will man während dieser Zeit zusätzlich drei telefonische Beratungsgespräche mit einem Psychologen in Anspruch nehmen, erhöht sich der Preis auf 119 Euro pro Monat und damit auf 357 Euro für das gesamte Programm. Jede Woche steht unter einem anderen Thema, inhaltlich geht es um Dinge wie Entspannung, das Selbstkonzept und körperliche Signale. Ein Berater erklärt in Videos den Inhalt und die Übungen. Auch Audiodateien für Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen stehen zur Verfügung.

Insgesamt vermittelt Novego den Eindruck, dass man dem Thema Depression in relativ kurzer Zeit mit wenig Aufwand beikommen kann: „Wie viel Zeit Sie konkret pro Woche investieren, entscheiden alleine Sie. Schon 30-45 Minuten genügen, um ein Modul zu bearbeiten.“ Die Herangehensweise wirkt dabei zum Teil so oberflächlich, als ob es um Wellness-Themen ginge: „Illustrationen unterstützen den ‘Depressionshelfer’ an unterschiedlichen Stellen und zeigen nach und nach, wie es uns gelingen kann, aktiv mit dem inneren ‘Schweinehund’ umzugehen.“ Als ob Depressionen irgend etwas mit einem „inneren Schweinehund“ zu tun hätten, den man bezwingen könnte! Bei solch einer Herangehensweise nützt auch das „Gütesiegel der gemeinnützigen Stiftung Gesundheit“ nichts mehr, das die Seite ziert. Immerhin gibt es auch eine “Doc”-Version, die eine Begleitung des Patienten durch den Hausarzt vorsieht. Sie wird eigenen Angaben zufolge aktuell in einigen Pilotpraxen eingesetzt.

Psycheplus: den passenden Therapeuten finden

Auch die Webseite psycheplus ist in sanfte, helle Töne getaucht. Eine melancholisch dreinblickende Frau macht deutlich, dass es hier nicht um Mode- oder Kosmetikthemen geht. „33% aller Deutschen leiden im Laufe ihres Lebens an einer psychischen Erkrankung“, steht in großen Buchstaben daneben. Und darunter die Aufforderung, einen Test zur psychischen Gesundheit zu machen. Anders als bei Novego ist dieser aber nicht in zehn Minuten abgearbeitet sondern dauert etwa 60 (!) Minuten, was für einen Online-Test außergewöhnlich lang ist. Psycheplus wirbt zwar damit, dass der Test kostenlos ist, für die Auswertung müssen Nutzer dann aber doch bezahlen. Und zwar 60 Euro 29,90 Euro. Dies macht die Aussage, der Test sei kostenlos, ziemlich absurd – wer füllt einen 60-minütigen Test aus, um dann auf das Resultat zu verzichten?

Dafür ist die Auswertung des Tests sehr ausführlich. In drei längeren Abschnitten wird ausgiebig erklärt, bei welchen Störungsbildern der Fragebogen-Ausfüller vergleichsweise hohe Werte aufweist, wo die Werte etwas über dem Durchschnitt liegen und in welchen Bereichen keine Störungsbilder ersichtlich sind. Mit dem Test wolle man keine Diagnose stellen sondern lediglich Tendenzen aufzeigen, betont das Unternehmen: „Was wir mit psycheplus erreichen können, ist, den Nutzer für das Thema psychische Gesundheit zu sensibilisieren und im Ernstfall rechtzeitig eine fundierte Warnung auszusprechen.“

Nach dem Test hilft psycheplus auf Wunsch dabei, einen passenden Therapeuten zu finden. Und beruft sich dabei auf eine Studie, derzufolge rund 60 Prozent des Therapieerfolges an der Passfähigkeit zwischen Therapeuten und Klienten hängen. „Das gezielte Therapeutenmatching auf psycheplus.de hilft, diese Passfähigkeit durch eine gezielte Auswahl zu erhöhen – und damit die Zahl der Therapieabbrüche sowie die Wartezeit auf den Therapiestart zu reduzieren“, erklärt Gründer Geschäftsführer Benjamin Martens. Qualifizierte Therapeuten wiederum haben eine Plattform, auf der sie sich präsentieren und ihre Dienste anbieten können. Daneben betreut das psycheplus-Team eine Community, in der sich Gleichgesinnte in unterschiedlichen Kategorien austauschen können, darunter Schlafstörungen, Depression oder auch Erfolgsgeschichten. Immer wieder bringen sich auch die Therapeuten selbst mit Ratschlägen und Tipps ein.

Psychische Krankheiten – ein Fall für die Online-Diagnose?

Sowohl Novego als auch psycheplus werfen die Grundsatzfrage auf, inwiefern psychische Krankheiten ein Fall für die Online-Therapie – oder auch nur die Online-Diagnose – sind. Zwar behauten beide Anbieter, nur Tendenzen aufzuzeigen und keine Diagnose liefern zu wollen, trotzdem lässt sich dieser Eindruck kaum vermeiden. Aber es zeigt sich auch, wie unterschiedlich beide Anbieter an die Sache herangehen. Während Novego einen Onlinetest bietet, der sich noch unter dem Niveau von Frauenzeitschriften-Tests befindet, bietet psycheplus einen von Experten zusammen gestellten, differenzierten Fragebogen an, den man nicht mal eben in der Kaffeepause ausfüllt.

Auch dieser Test kann letztlich nicht das Urteil eines Therapeuten ersetzen. Aber Ziel von psycheplus ist es immerhin, Menschen an einen passenden Therapeuten zu vermitteln und ihnen darüber hinaus einen Ort zu bieten, wo sie sich mit Gleichgesinnten über ihre Schwierigkeiten austauschen können. Auch hier ziert übrigens ein Gütesiegel die Seite: Der Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen hat psycheplus für zwei Jahre das Gütesiegel „Beratung durch PsychologInnen“ verliehen, da dem gesamten Team ausschließlich Diplom-PsychologInnen angehören. Unseriös ist es hingegen im Fall von Novego, Nutzern ein Online-Seminar zu verkaufen, mit dem der innere Schweinehund bekämpft wird. Als normales Onlineseminar wäre dies in Ordnung, nicht jedoch unter dem Label „Selbsthilfe bei Depressionen“.

Sicherlich wird es im Bereich „Mental Care“ bald noch unzählige andere Anbieter geben, die Nutzern Hilfe beim Umgang mit psychischen Problemen versprechen. Der Markt ist schließlich riesig! Dabei handelt es sich um einen gefährlichen Grauzonenbereich: Depressionen sind schließlich kein Schnupfen, der irgendwann von selbst wieder geht. Allerdings kann es hier auch gute Ansätze geben: Angesichts unfassbar langer Wartezeiten auf einen Therapieplatz können Anbieter wie psycheplus möglicherweise dabei helfen, einen passenden Therapeuten zu finden. Hier wird die Herausforderung sein, sinnvolle Kriterien zu schaffen, damit die Plattform nicht zu einem Sammelbecken für schlechte Docs wird, deren Praxen leer sind.

Foto (ganz oben): Katharina Bregulla / pixelio.de

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