Sehstörung „Amblyopie“: Mit Caterna lernen Kinder spielend sehen

Gesunde Menschen können mit dem Begriff „Amblyopie“ meist nicht viel anfangen. Dabei verbirgt sich eine neurologische Sehstörung dahinter, die Studien zufolge 3 bis 5 % der Bevölkerung betrifft. Die Therapieform ist noch dieselbe wie vor tausenden von Jahren: Das gut sehende Auge wird abgeklebt, damit das schlecht sehende Auge gefordert wird. Nun präsentiert ein Team der TU Dresden auf der Plattform Caterna (www.caterna.de) ein Therapieverfahren, das auf Onlinespiele setzt und beachtliche Erfolge erzielt. Dank Casual Games erreichen betroffene Kinder innerhalb kürzester Zeit bis zu 80 % ihrer Sehleistung, berichtet Geschäftsführer Sascha Seewald. Wer hätte gedacht, dass in Tetris und Co. so viel Potential steckt?

Es war der Hinweis eines Arztes, der Seewald und seine Mitstreiter zu einem Forschungsprojekt und letztlich zu Caterna bewog: Als Augenarzt könne er Kindern mit Amblyopie leider nicht helfen, da es sich um eine Verarbeitungsstörung im Gehirn handle. Die Forschungsgruppe fand auf der Grundlage anderer Untersuchungen heraus, dass die Sehleistung betroffener Kinder – von denen ein Großteil schielt – durch konzentrierte Augenbewegungen, wie man sie in Casual Games durchführt, gesteigert werden kann. Allerdings: Gewöhnliche Flashgames taugen nicht, da Betroffene die grafischen Elemente und den Mauscursor meist nicht erkennen können. Caterna entwickelt hierfür spezielle Spiele: große Figuren, extra buntes Design, riesiger Cursor. Zusätzlich erwirbt Caterna Lizenzen für schon bestehende Spiele und passt sie entsprechend an. „Unsere Entwickler haben beim Programmieren eine spezielle Brille auf, mit der die Sehstörung simuliert wird“, erklärt Seewald.

große Figuren, extra buntes Design, riesiger Cursor

Das Tolle an dieser Therapieform ist, dass sie im Gegensatz zum Tragen eines Pflasters richtig Spaß macht. „Während Pflaster oft jahrelang getragen werden müssen, machen Kinder meist innerhalb weniger Wochen einen riesigen Sprung, wenn sie parallel 20 bis 30 Minuten pro Tag mit den Caterna-Spielen arbeiten“, freut sich Seewald. Das Ziel, die Behandlung vor Schulbeginn abzuschließen, ist damit in vielen Fällen realistisch – sofern die Diagnose rechtzeitig gestellt wurde. „Oft wird die Störung leider erst dann erkannt, wenn das Kind in der Schule keinen Ball fangen kann.“ Sind Kinder erst mal in der Schule, wird das Pflaster zum sozialen Stigma, das von den Betroffenen häufig abgenommen wird, sobald die Eltern außer Sichtweite sind.

In den USA ist mit RevitalVision (www.revitalvision.com) bereits seit Jahren ein Anbieter unterwegs, der ebenfalls Übungen für verschiedene Arten von Sehstörungen anbietet – allerdings für Erwachsene. Das Dresdner Team hingegen teilt die Überzeugung, dass Amblyopie nur bis zu einem Alter von zehn bis zwölf Jahren behandelbar ist. Deshalb richtet sich Caterna ausschließlich an Kinder. In Eigenregie kann man das Konzept übrigens nicht ausprobieren sondern nur in Zusammenarbeit mit einem Augenarzt, der die Ergebnisse kontrolliert und eine Empfehlung ausspricht. Bisher konnte das Caterna-Team 25 Augenarztpraxen in Deutschland überzeugen. Wenn sich Arzt und Eltern für die Caterna-Therapie entscheiden, gibt es eine zehntägige, kostenlose Testphase. Anschließend kostet die Therapie, die bisher – mit einigen Ausnahmen – privat finanziert werden muss, 680 Euro für drei Monate.

HTGF und TGFS investierten 650.000 Euro

Die aus einem Forschungsprojekt entstandene Plattform konnte schon einiges an Geld einsammeln: Bisher steckten der High-Tech Gründerfonds (HTGF) und der Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS) 650.000 Euro in Caterna. Die zweite Finanzierungsrunde ist schon in Planung. Mit dem Geld wird dann auch die Expansion ins Auge gefasst: Im deutschsprachigen Ausland ist Caterna schon aktiv, vor Kurzem wurde auch eine englische Version gestartet. Nun will das Team weitere europäische Märkte erschließen. Und daneben weitere Produkte launchen: Auch Betroffene von Makuladegeneration, Lese-Rechtschreibschwäche und bestimmten Wahrnehmungsstörungen sollen mit Caterna eine Therapiemöglichkeit für zu Hause bekommen. Neben Sascha Seewald gehören noch Uwe Kämpf, Nicolaus Widera, Robert Lange und Philipp Sende zum Gründerteam, das in Dresden sitzt.

Im Fokus: Alle Finanzspritzen und Exits in der Internetbranche gibt es in unserem Deal-Monitor