Von Stephan Meixner
Montag, 2. August 2010

Zukunftsmarkt Mode-Handel: Online-Web-Verkaufsansätze dringend gesucht

„Wie verkauft man Mode im Internet?“: Zukunftsweisende Antworten auf diese Frage sucht Marcel Brindöpke, Shopmanager bei Otto, seit Frühjahr in seinem E-Commerce-Fachblog Shopanprobe.de (www.shopanprobe.de). Dabei liegt die Antwort eigentlich auf der Hand, wie man vorschnell meinen mag. Denn Mode lässt sich im Internet prinzipiell genau so verkaufen wie auch Bücher, PCs oder DVDs – über einen ganz normalen Online-Shop. Doch Brindöpke fragt zu Recht nach der Zukunft des Mode-Handels. Denn ganz so trivial ist das Online-Geschäft mit Mode wirklich nicht. Auch wenn die nackten Zahlen auf den ersten Blick etwas anderes vermuten lassen.

Stolze 17,8 Milliarden Euro werden Verbraucher allein 2010 für Waren im Web ausgeben, wie der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) prognostiziert. Und am stärksten nachgefragt werden beim Online-Shopping der Prognose zufolge Bekleidung, Textilien und Schuhe. So rechnet der BVH damit, dass deutsche Internetnutzer in diesem Jahr mehr als 5,2 Milliarden Euro beim Mode-Shopping liegen lassen werden. „Die Ausgabebereitschaft der Deutschen für Mode steigt“, untermauert der Verband seine Prognose. „Das zeigt sich besonders stark im Internet, weshalb der BVH hier mit einem überdurchschnittlichem Wachstum rechnet.“

Mode-Handel 2010: Über fünf Milliarden Online-Umsatz

Die BVH-Zahlen bestätigen: Der Online-Modehandel hat sich nicht nur etabliert, sondern brummt geradezu. Dennoch ist im virtuellen Klamottengeschäft noch viel Luft nach oben. „Die Killer-App für den Verkauf von Mode im Internet gibt es immer noch nicht“, weiß auch E-Commerce-Berater Thomas Lang von der Schweizer Carpathia Consulting GmbH. Denn nach wie vor haben Mode-Shops im Internet mit überdurchschnittlich hohen Retourenquoten zu kämpfen. Lang: „Vor allem jüngere Käufer tragen Produkte zunehmend auch gerne einmal einen Tag oder an einem Event und schicken den Artikel danach als angeblich ungebraucht zurück an den Händler.“

Das Retouren-Problem veranschaulichen stellvertretend Zahlen aus dem E-Commerce-Leitfaden vom Marktforschungsinstitut iBi Research. Demnach liegt die Retourenquote im Online-Handel im Schnitt zwar nur bei 4 %. „Erfahrungen aber zeigen, dass in der Textilbranche eine durchschnittliche Retourenquote von 40 bis 50 % nicht ungewöhnlich ist“, erklären die Marktforscher. Zum Vergleich: Bei Elektronikartikeln beträgt die Retourenquote im Online-Handel laut ibi Research 10 bis 15 %. Gibt es bei Digitalkameras oder Spielekonsolen doch keine Konfektionsgrößen. Bei Jeans und T-Shirts allerdings schon.

Um Retouren einzudämmen, verfolgen Online-Händler verschiedene Wege. Der Berliner Shopping-Club Brands4Friends (www.brands4friends.de) beispielsweise bietet bei jedem Produkt einen Link zu einem Größenberater, damit Kunden möglichst von Anfang an weniger Ausführungen von einem Artikel bestellen. Schuh-Shop Zalando (www.zalando.de) setzt auf hochwertige Produktfotos und Zoom-Funktionen. Und die Aachener Online-Boutique Navabi (www.navabi.tv) produziert zu jedem Produkt im Shop ein kurzes Video, um einen besseren Eindruck vom Artikel zu vermitteln.

E-Commerce-Experten: „Killer-Anwendung fehlt nach wie vor“

Doch trotz Produktvideos, Zoom-Funktionen und Größenberater: Anfassen oder anprobieren lässt sich Mode in Online-Shops immer noch nicht. Weshalb die meisten Verbraucher ihre Klamotten nach wie vor am liebsten im stationären Einzelhandel kaufen. So geben deutsche Internetnutzer zwar laut BVH über 17 Milliarden Euro im Jahr beim Online-Shopping aus. Der Versandhandel aber – also Online-Händler und Katalogversender – generiert nur etwa 8 % der Umsätze im deutschen Einzelhandel. Die meisten Umsätze im Mode-Handel kommen damit nach wie vor über Ladengeschäfte zu Stande. Vielleicht auch, weil Mode-Shops im Web oft noch recht starr wirken.

Auch beim Mode-Shopping müssen sich Internetnutzer meist – wie beim Kauf von Büchern, PCs oder DVDs – durch klassische Produktdatenbanken wühlen. Zwar lassen sich über Filter-Funktionen beispielsweise nur solche T-Shirts auswählen, die eine bestimmte Farbe, Größe oder Passform („V-Ausschnitt“) haben. E-Commerce-Experten bezweifeln aber, dass solche klassischen E-Commerce-Verkaufsansätze einem so emotionalen Sortiment wie Mode wirklich gerecht werden und Nutzer zum Stöbern in einem Online-Shop einladen. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass gerade deutsche Start-ups bei Fashion-Portalen mit neuen visuellen Verkaufsansätzen experimentieren.

Auf dem Münchner Mode-Portal Stylight.de (www.stylight.de) beispielsweise kann sich seit Ende 2008 die (vorwiegend weibliche) Nutzerschaft über eine visuelle Suchmaschine zu Mode-Käufen inspirieren lassen. Sobald Nutzer auf dem Portal einen Menüpunkt auswählen („Kleider), startet die visuelle Stylight-Suchmaschine. Nutzer sehen dann auf einen Blick, welche Cocktail-Kleider in Form und Farbe zueinander passen. Angezeigt werden Produkte aus 70 angeschlossenen Online-Shops von bekannten Marken wie Adidas, Esprit oder Marc O\’Polo. Und sobald ein Verkauf über das Mode-Portal zu Stande kommt, gibt es für Stylight.de eine „marktübliche“ Verkaufsprovision.

„Die Suche von Stylight basiert auf komplexen Algorithmen aus der Bilderkennungsforschung“, beschreibt Gründer Benjamin Günther sein Fashion-Portal. „Auf diese Weise ist es möglich, gleiche und ähnliche Artikel in vielen Online-Shops zu suchen und zu vergleichen. So kann man zum Beispiel zu einem teuren Designer-Kleid ein ähnliches, aber deutlich günstigeres Kleid finden.“

Stylight.de: Produktempfehlungen in der Cloud

Auf einem gleichen Business-Modell wie Stylight.de basiert die bereits 2007 gestartete Shopping-Community Smatch (www.smatch.com), hinter der Versandhandelsriese Otto steckt. Auch auf Smatch.com können sich Internetnutzer durch Produkte von angeschlossenen Online-Händlern wühlen. Im Sortiment sind derzeit Artikel von über 600 Unternehmen, bei denen die Macher der Shopping-Community Verkaufsprovisionen kassieren können. Um Mode-Shopper für Fashion zu begeistern, verfolgt Smatch.com aber einen anderen Verkaufsansatz als Stylight.de.

„Smatch.com verbindet die Produktsuche mit Komponenten aus dem Social-Shopping“, erklärt CEO Björn Schäfers. „Als Mitglied in der Community können User eigene Produktempfehlungen abgeben, sich über die neusten Shoppingtrends austauschen und mit dem Style Editor eigene Outfits zusammenstellen und veröffentlichen.“ Diese so genannten User Styles zeigen dann beispielsweise neben einem T-Shirt auch eine Jeans und ein paar Schuhe, die farblich zum gewählten Shirt passen.

Sobald Nutzer dann im Shop die Produktdetailseite mit dem T-Shirt öffnen, bekommen sie auch das dazu passende Outfit angezeigt. Und solche User Styles wirken auf Anhieb gleich persönlicher als automatisch generierte Produktempfehlungen über Recommendation Engines („Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch“). Kein Wunder, dass auch das Münchner Start-Up Stylefruits (www.stylefruits.de) und die Otto-Tochter Yalook (www.yalook.de) ähnliche Ansätze verfolgen.

Doch auch wenn User-Styles zum Stöbern in Mode-Shops einladen und visuelle Suchmaschinen ein Einkaufserlebnis vermitteln mögen: Das Problem der fehlenden Haptik können auch Stylight.de und Smatch.com nicht lösen. Noch nicht. So hat das US-amerikanische Unternehmen Zugara (www.zugara.com) bereits eine Augemented-Reality-Anwendung entwickelt, mit der Nutzer am PC zu Hause virtuell Mode anprobieren können. Nutzer müssen nur die Webcam ihres PCs aktivieren sowie einen kleinen Marker ausdrucken und vor die Kamera halten. Anschließend können sie ihr Ebenbild per Live-Stream ins Web übertragen und darauf Klamotten aus einem Shop projizieren.

Ausprobieren lässt sich die Anwendung von Zugara unter anderem im US-amerikanischen Mode-Shop Tobi.com (www.tobi.com). Dass ein Kleidungsstück nachher auch richtig sitzt, kann Zugara zwar auch nicht garantieren. Die Webcam-Anwendung vermittelt aber schon in Ansätzen ein Gefühl dafür, ob einem Internetnutzer ein T-Shirt oder eine Jacke nachher wirklich steht. Und liefert damit bereits eine erste Antwort auf die Frage, wie man Mode online künftig am besten verkaufen kann.

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