“MyHeritage/verwandt.de ist die klare Nummer zwei im Weltmarkt” – Daniel Grözinger von verwandt.de im Interview

Wie gestern verkündet, übernimmt das israelische Stammbaum-Start-up MyHeritage (www.myheritage.com) die OSN Online Social Networking GmbH, das Unternehmen hinter verwandt.de (www.verwandt.de) und diversen weiteren Länderversionen des Ahnenforschungsnetzwerkes. Im Gespräch mit deutsche-startups.de spricht verwandt.de-Gründer Daniel Grözinger über schwarze Zahlen, Alternativszenarien  und den Plan, ein Facebook für Familien aufzubauen.

verwandt.de wandert unter die Obhut von MyHeritage. Was bleibt nach dem Verkauf von verwandt.de übrig?
Das Meiste. MyHeritage macht deswegen sogar ein Office in Hamburg auf. MyHeritage und verwandt.de sind fast 100 % komplementär: Stark in unterschiedlichen Ländern, sich ergänzende Produkte und Funktionalitäten, Mitarbeiter mit verschiedenen Kompetenzen. Das ist natürlich auch die Logik hinter dem Deal.

Bleiben die einzelnen Länderdomains von verwandt.de bestehen, oder wird das bisherige Angebot komplett in MyHeritage integriert?
Die Länderdomains bleiben bestehen. Es würde keinen Sinn machen, so starke Marken wie verwandt.de oder moikrewni.pl zu vernachlässigen. Parallel wird aber MyHeritage die weltweite Marke werden und die Datenbanken werden zusammen geführt.

Was zahlt MyHeritage für die Übernahme?
MyHeritage und verwandt sind beides nicht öffentlich notierte Firmen. Das erlaubt uns, dazu nichts sagen zu müssen.

Warum der Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt, haben Sie keine weitere Perspektive für verwandt.de gesehen?
Wir waren im Dezember 2009 erstmals Cash-Flow positiv und hätten 2010 Gewinn gemacht. Wir sind durch den Fokus auf den Verkauf von Premium-Mitgliedschaften Cash-Flow positiv geworden. Dabei hat uns sehr geholfen, dass die Kündigungsrate unserer Abos sehr gering war. Wir haben in 2009 primär an der Erweiterung der Premium Features gearbeitet und konnten so zahlreiche Nutzer der kostenlosen Version konvertieren. Zudem hatten wir noch relevant Kapital aus unserer letzten Finanzierungsrunde vom Dezember 2007 auf dem Konto. Verkauft haben wir jetzt, weil das Angebot gut war und sich die Firmen sehr gut ergänzen.

Gab es einen Alternativplan, falls die Übernahme geplatzt wäre?
Zum einen braucht man keinen Alternativplan, wenn man Cash-Flow positiv ist. Zum anderen war MyHeritage nicht der einzige Bieter.

Wie lange haben Sie die Übernahme verhandelt?
Wenn man mit verschiedenen Anbietern verhandelt, die nicht alle in Deutschland ihren Hauptsitz haben, dann dauert ein solcher Prozess schon ein bisschen. Insgesamt liefen die Gespräche circa drei Monate.

Wie kam der Kontakt zu MyHeritage zu Stande?
So viele relevante Anbieter gibt es weltweit nicht in diesem Segment. Mit dem Gründer und CEO von MyHeritage haben wir uns zum ersten Mal vor zwei Jahren getroffen. Seitdem waren wir immer in Kontakt.

Warum passen MyHeritage und verwandt.de zusammen?
MyHeritage hat einen Fokus auf Ahnenforschung, verwandt.de kommt mehr aus der Consumer-Internet-Ecke. Daher ergänzen sich unsere Funktionalitäten gut und auch die Kompetenzen der Mitarbeiter. Desweiteren ist verwandt.de sehr stark in Europa und Südamerika, MyHeritage in Nordamerika und Asien. Obwohl beide Seiten alleine jeweils weit mehr als zehn Millionen Nutzer haben, ist die Schnittmenge kleiner als 5 %.

Wie lange bleiben Sie und ihr Mitgründer Sven Schmidt noch an Bord?
Sven und ich begleiten die Transition, unterstützen MyHeritage beim Aufbau des deutschen Büros in Hamburg und bei der weiteren Expansion in Europa. Danach werden wir uns auf die Betreuung der ICS Tochterfirmen wie Farbflut, also Pennergame.de, Auskunft.de und Dealjaeger fokussieren.

Was passiert mit den verwandt.de-Mitarbeitern, bleiben die an Bord?
Alle verwandt-Mitarbeiter werden entweder von MyHeritage im neuen Hamburger Büro oder der ICS übernommen. MyHeritage übernimmt nicht alle Mitarbeiter, da teilweise Synergien gehoben werden. Sven und ich sind zugleich froh, das Team von ICS weiter ausbauen zu können.

Wer sind nach dem Zusammenschluss von verwandt.de und MyHeritage die wichtigsten Konkurrenten im Stammbaumgeschäft?
Mit Ancestry gibt es für die neue Kombo MyHeritage/verwandt nur noch einen relevanten Mitbewerber. MyHeritage/verwandt.de ist die klare Nummer zwei im Weltmarkt. Dahinter kommt mit Abstand Family Link und mit noch mehr Abstand Geni.com.

Blicken Sie bitte einmal zurück: Was seit dem Start von verwandt.de im Sommer 2007 so richtig schief gegangen?
Sven und ich waren überzeugt, dass wir ein Facebook für Familien aufbauen können. Das ist uns leider nicht gelungen, unter anderem da Facebook auch im Segment Familien extrem stark geworden ist. Seit Anfang 2009 haben wir uns daher auf Ahnenforschung und Stammbäume fokussiert.

Und wo haben Sie Ihrer Meinung nach alles richtig gemacht?
Wir waren schnell online, hatten ein gutes Team, waren schnell im Ausland, unsere Werbung hat super konvertiert. So sind wir mit sehr geringen Kundenakquisitionskosten auf über 11 Millionen registrierte User gewachsen und haben die ganze europäische Konkurrenz, wie FamilyOne oder Kindo erfolgreich aus dem Markt gedrängt. Im letzten Halbjahr hat auch die Monetarisierung durch den Verkauf von Premium-Mitgliedschaften gut funktioniert.

Zur Person
Daniel Grözinger studierte in Regensburg, Nantes, Leipzig und Buenos Aires. Danach war er Consultant bei Roland Berger. Im Jahre 2000 gründete Grözinger gemeinsam mit Sven Schmidt und weiteren Partnern getgo.de. Zwei Jahre später verkauften die Gründer die Ticketbörse an CTS Eventim. Danach gründeten Grözinger und Schmidt die ICS Internet Consumer Services. Das Unternehmen schickte bisher dialo.de (www.dialo.de), die Social-Shopping-Plattform Dealjaeger.de (www.dealjaeger.de) und das Familiennetzwerk verwandt.de (www.verwandt.de) ins Netz. Außerdem sind die Hanseaten bei Pennergame (www.pennergame.de) engagiert. Die Auskunfts- und Bewertungsplattform dialo.de verkaufte ICS im April 2007 an den Telefonbuchverlag Hans Müller.

Artikel zum Thema
* MyHeritage übernimmt verwandt.de
* Sehenswert: Sven Schmidt von verwandt.de im Interview