Von Ruth Cremer
Donnerstag, 13. April 2023

NewMa: Ein bisher ignorierter Markt

“Die Höhle der Löwen” präsentierte uns wieder einmal ein Tabu-Thema. Die NewMa-Gründerinnen wollen es frisch gebackenen Mamas mit ihren Pflegeprodukten im Wochenbett angenehmer machen. Wie konnte es sein, dass ein so großer Markt bisher einfach ignoriert wurde?

Viele neue Märkte entstanden dadurch, dass jemand ein Problem bemerkte, und es lösen wollte. Besonders schnell wuchs ein solcher Markt, wenn das Problem nicht unerheblich war – also ein gewisses Maß an Leiden hervorrief – und für eine möglichst große Zahl von Menschen relevant war. Die Schmerzen und Probleme, die die meisten Frauen nach einer Geburt haben, passen da eigentlich voll hinein, trotzdem werden ihnen bisher Lösungen angeboten, die diese Bezeichnung eigentlich gar nicht verdienen. Wie konnte es sein, dass ein so großer und zahlungswilliger Markt bisher einfach ignoriert wurde?

Die zweite Folge der dreizehnten Staffel von “Die Höhle der Löwen” präsentierte uns am Ostermontag gleich einmal ein Tabu-Thema. Die beiden Gründerinnen von NewMa wollen es frisch gebackenen Mamas mit ihren Pflegeprodukten im Wochenbett – also gleich nach der Geburt – deutlich einfacher und angenehmer machen.

Aber gibt es da denn noch nichts? wird man sich direkt fragen. Schließlich kann fast die Hälfte der Bevölkerung potenziell von diesen Problemen betroffen sein, 750.000 Geburten gibt es konkret jedes Jahr allein in Deutschland, von den entsprechenden Müttern leiden fast 80% an Wunden, Rissen oder Schwellungen als Folge der Geburt. Und was wird ihnen dagegen angeboten? Ein mit Wasser gefülltes, eingefrorenes Kondom, altmodische, oft viel zu kalte Kühlpads und Inkontinenzwindeln gegen die starken Blutungen. Was sich wie ein schlechter Scherz liest, ist für die betroffenen Frauen – hunderttausende jedes Jahr – bestimmt alles andere als lustig.

Klar, man könnte jetzt alles wieder auf unsere immer noch patriarchalisch geprägte Gesellschaft schieben, aber will man allen ernstes auch sämtlichen frisch gebackenen Papas unterstellen, das Leid ihrer Partnerinnen nach der Geburt des gemeinsamen Kindes wäre ihnen völlig egal? Oder sind nicht vielmehr genau sie auch die Zielgruppe, die sogar in den allermeisten Fällen gerne Geld für etwas ausgeben würden, das den Müttern ihrer Kinder gut tut und sie – nicht ganz uneigennützig vielleicht auch – schneller wieder regeneriert, schließlich ist gerade die erste Zeit mit einem Neugeborenen nicht gerade kraft- und nervenschonend.

Wie man es auch dreht und wendet, das Patriarchat als alleiniger Grund, dass ein Markt bis ins Jahr 2023 nicht vernünftig adressiert wurde, ist hier wohl etwas dünn.

Nicht ganz von der Hand zu weisen ist aber natürlich der Tabu-Charakter, den das ganze Thema – auch bis heute noch – irgendwie hat. Auch in der Löwenhöhle kommt das schon kurz nach dem Pitch der Gründerinnen zur Sprache, besonders Neu-Löwin Janna Ensthaler lobt, dass auf diese Weise auch einmal öffentlich thematisiert wird, dass nach der Geburt eben nicht alles so toll ist. Und Dagmar Wöhrl bestätigt das Tabu des Themas, vor allem zu früheren Zeiten, in denen eine Mutter mit ihrem Neugeborenen eben wunschlos glücklich zu sein hatte.

Dass wir jedoch zwischenzeitlich schon große gesellschaftliche Schritte gemacht haben, sieht man wohl vor allem an der Reaktion der männlichen Löwen, denn keiner lehnt das Thema ab, alle sind durchweg interessiert an den Produkten – und natürlich am Business.

Doch einer nach dem anderen steigt aus. Tillmann Schulz fragt Dagmar Wöhrl zwar zunächst, ob es etwas für sie wäre – es scheint sich schon fast ein Doppeldeal anzubahnen – doch letztendlich steigen beide aus, weil sie die Konkurrenz im Hygienebereich als zu stark empfinden. Schade, dass sie das nicht weiter ausführen (bzw. diese Ausführung nicht mehr in die Sendezeit hineinpasste), denn schließlich betonen die Gründerinnen immer wieder, dass in diesen Bereich noch keine der bekannten Hygiene-Marken eingedrungen ist. Glauben die beiden Löwen, dass das schnell passieren kann? Denn Widerspruch zu ihren Aussagen über ihre Pionierleistung in diesem Bereich bekommen die Gründerinnen anscheinend nicht.

Carsten Maschmeyer will dann vor allem wissen, was die Gründerinnen sich von einem Investor wünschen, und steigt aus, weil er beim fokussierten Vertriebskanal Einzelhandel nicht so gut helfen kann. Ralf Dümmel, der dies sicherlich könnte, hat einen ganz anderen Absage-Grund: er sieht einen aufkeimenden Portfolio Konflikt mit dem Social-Chain-Investments Mabyen.

Zuletzt bleibt also noch die Löwin, die mit die glühendste Verfechterin des Themas war: Janna Ensthaler. Sie bezieht sich auf ihre Erfahrungen mit Glossybox – einer Abo-Box aus dem Kosmetikbereich, die wohl auch eine Baby-Box im Angebot hatte – und ist skeptisch, was einen Markt angeht, der seine Kundinnen fast direkt wieder verliert, nachdem sie gewonnen wurden. Sie spricht auch den Aufwand zur Kundengewinnung an – spanned, könnte man doch erwarten, dass sie sich gerade mit den Kundenakquisekosten durch ihre Erfahrungen in diesem Bereich sehr gut auskennt. Vielleicht kann man ihre dann folgende Absage so interpretieren, dass sie hier mit nicht allzu günstigen Marketing-Kosten rechnet, denen wiederum die kurze Lebensdauer der KundInnen entgegensteht. Da das junge Startup nach nur gut 4 Monaten am Markt und ca. 500 verkauften Produkten hier auch noch nicht besonders gut gegenhalten kann, ist dieser Ausstieg trotz aller Begeisterung für das Thema durchaus nachvollziehbar.

Letztendlich haben alle Löwen sachliche, Investoren-würdige Absagegründe gegeben, die leider in der allgemeinen deutschen Startup-Szene laut den Berichten vieler “Female Health”GründerInnen oft noch etwas dünn gesät sind. Denn auch, wenn wir mittlerweile viele Tabus hinter uns lassen konnten, sind leider noch lange nicht alle Investoren in der Lage, Themen, mit denen sie Berührungsängste haben, rein wirtschaftlich und nicht allzu emotional zu bewerten.

Bleibt zu hoffen, dass NewMa einer jener Pioniere ist, die nicht nur einen Markt erschließen, sondern mit ihrem wirtschaftlichen Erfolg auch all jenen einen ordentlichen Denkzettel verpassen, die aus altmodischem Denken heraus sich nicht getraut haben, ein Problem zu lösen.

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Foto (oben): RTL / Bernd-Michael Maurer