Von Ruth Cremer
Mittwoch, 14. Dezember 2022

Papydo: Warum die ellenbogenlose Form der Verhandlung für Startups (und Investoren) sinnvoller ist

Die beiden Papydo-Gründerinnen lieferten einen perfekt strukturierten und überzeugenden Pitch ab. Und auch von der Art, wie sie die Verhandlung führen, ohne irgendeine Art von negativ angehauchter Stimmung aufkommen zu lassen, kann man echt etwas lernen.

Auf Startup- wie auf Investorenseite hält sich immer noch stark die Einstellung, Verhandlungen müssten hart geführt werden. Gerade viele Gründer glauben, mit einer etwas erhöhten Bewertung einzusteigen, um dann um jeden Prozentpunkt zu ringen, gehöre einfach dazu. Investoren hingegen scheinen es manchmal als eine ihrer Kernaufgaben anzusehen, GründerInnen auf jeden Fall noch etwas herunter zu verhandeln. Doch ist diese althergebrachte, sehr patriarchalisch geprägte Verhandlungsweise wirklich die richtige in diesem Setup? In der Weihnachtsfolge von “Die Höhle der Löwen” zeigen die Gründerinnen von Papydo, wie es anders geht. Warum das Schule machen könnte und sollte.

Die beiden Papydo-Gründerinnen strahlten schon von Beginn an mit der Weihnachts-Deko um die Wette, lieferten aber auch einen perfekt strukturierten und überzeugenden Pitch ab. Sie nutzen eine klassische Technik der Startup-Pitch-Einleitung: den Eintritt über die große Zahl. Denn 8000 Tonnen Geschenkpapier, die jedes Jahr in Deutschland zur Weihnachtszeit gekauft werden, ist eine Menge, die man sich kaum vorstellen kann. Fußballfelder-große Abholzungen von Wäldern, um diesen Bedarf zu decken, will man sich dagegen gar nicht vorstellen, hat man einen Ansatz von ökologischem Gewissen.

Und so sind Löwen wie Zuschauer an diesem Punkt mehr als bereit, die Lösung der beiden jungen Gründerinnen zu hören, die dieser unglaublichen Verschwendung wertvoller Ressourcen endlich entgegentreten wollen. Denn ihr Geschenkpapier ist aus Gras, das nicht nur schneller nachwächst, sondern auch in der Herstellung 90 % weniger Wasser, Energie und CO2 benötigt. Trotzdem müssen auch Allergiker keine Angst haben, damit Geschenke zu verpacken. Die notwendigen Accessoires wie Geschenkband, Anhänger uns sogar Klebeband gibt es auch noch in nachhaltigen Versionen.

Die Löwen sind sichtlich angetan, eine Verhandlung liegt schon in der Luft, noch bevor es wirklich in die Zahlendiskussion geht. Doch auch hier Punkten die beiden Gründerinnen : 80 bis 90 % Rohmarge ihrer Produkte, eine Preispositionierung zwar am oberen Ende des Wettbewerbs, aber eben immer noch innerhalb der am Markt bereits etablierten Spanne.

Der Umsatz des Startups bleibt uns leider vorenthalten, diese wichtige Informationen zur Bewertung eines Startups fiel leider dem Schnitt zum Opfer, aber auch hier schienen Papydo überzeugt zu haben, denn der oft besonders zahlenkritische Löwe Carsten Maschmeyer springt schon sehr früh begeistert auf und reicht den beiden einen Check über die gewünschte Investitionssumme von 100.000 Euro. Er bietet ihnen das Geld für die angebotenen 12,5 %, will überhaupt nicht verhandeln, so begeistert ist er.

Und während noch ein paar weitere Fragen, zum Beispiel nach dem Wettbewerb gestellt werden, spürt man schon, dass es dabei nicht bleiben wird. Carsten Maschmeyer fragt Judith Williams, ob sie nicht mitmachen will, die es bald darauf bejaht. Auch zwischen Nils Glagau und Ralf Dümmel kommt es zu ersten Wortwechseln.

Wer jetzt aber gedacht hätte, dass ein Kombi-Angebot die Bewertung – wie es in der Höhle oft der Fall ist – zumindest rechnerisch noch einmal sinken lässt, wird überrascht: Auch im Doppelpack verhandeln der Finanz-Löwe und die Beauty-Unternehmerin nicht nach, Carsten Maschmeyer und Judith Williams bieten auch zu Zweit die gewünschten 100.000 Euro für 12,5 %. 

Die Gründerinnen nehmen das Angebot strahlend und dankbar entgegen, bleiben aber auch bei Nachfragen erst einmal standhaft, denn sie wollen alle Löwen anhören, bevor sie eine Zusage machen.

Von der Art, wie sie hier die Verhandlung führen, ohne irgendeine Art von negativ angehauchter Stimmung aufkommen zu lassen, kann man echt etwas lernen. Denn die Löwen sind sich der Konkurrenzsituation sehr wohl bewusst, und die Tatsache, dass Nils Glagau und Ralf Dümmel mit ihrem Angebot noch zögern, könnte die Gründerinnen trotz der guten Ausgangssituation in eine Art Reaktionszwang bringen.

Doch das lassen sie nicht zu, selbst, als Judith Williams ob des Zögerns des Männer-Duos ein wenig Richtung Entscheidung pusht, ändern sie ihre Haltung kein bisschen. Doch das geschieht weder stur noch taktierend: freundlich, überaus positiv und mit Betonung der Dankbarkeit für das bestehende Angebot sagen sie, sie wollen auf jeden Fall so höflich sein, alle anzuhören, und fragen dann aktiv die anderen Löwen, was sie denn vorhaben.

Eine genauso kluge wie schöne Art, den Ball weiterzuspielen. Manch einer mag nun denken, man hätte seine gute Verhandlungspositionen hier betonen können, um bessere Gegenangebote zu erhalten. Doch wozu, alle Teilnehmer haben verstanden, dass hier eine tolle Investitionsmöglichkeit besteht. Künstlich ein Gefälle herzustellen, das diesen Umstand betont, würde erst einmal zu nichts führen, außer die gute Stimmung zu gefährden. Damit könnte man sogar provozieren, dass auch die andere Seite das Taktieren anfängt und eher noch tiefer in die Verhandlungen einsteigt, weil sie davon ausgehen muss, dass es nun darum gehen wird. Warum sonst sollte man seine gute Position betonen, wenn diese nicht nur schon klar geworden ist, sondern man auch durchgehen für sein tolles Startup gelobt wurde?

Doch die Gründerinnen halten die Stimmung, nicht zwanghaft, sondern mit durchweg positiver Energie. So bietet dann auch Dagmar Wöhrl genau den gewünschten Deal, Ralf Dümmel und Nils Glagau wollen hingegen 20 %. Tatsächlich hört man auch ein wenig heraus, dass Ersterer sich Sorgen macht, den Deal wegen des rechnerisch schlechteren Angebots nicht zu bekommen, beide sind sich aber einig, dass sie nicht mit weniger Prozenten arbeiten können. Ein Feilschen um Prozente scheint hier also ohnehin recht aussichtslos zu sein.

Am Ende entscheiden sich die beiden Gründerinnen dann schließlich für das Duo Maschmeyer/Williams, und die Prozente scheinen nicht den Ausschlag gegeben zu haben, sondern neben dem Mehrwert der beiden Löwen war es vor allem wohl auch Carsten Maschmeyers Begeisterung für Thema und Gründerinnen, die er von Anfang an gezeigt hat. Auch etwas, das gegen jede althergebrachte Verhandlungsregel geht. Und das war gut so.

Denn was viele Fans der patriarchalisch geprägten Verhandlungsmethoden oft übersehen: Geht es um die Bewertung eines Startups, verhandeln hier zwei Parteien, die im Normalfall noch lange miteinander arbeiten wollen und müssen. Ellenbogen in der Verhandlung können daher das noch frische Vertrauensverhältnis nachhaltig schädigen, und so den langfristigen Erfolg schon aufs Spiel setzen, bevor man überhaupt richtig angefangen hat, zusammen daran zu arbeiten. Künstlich ein Gefälle herzustellen und um die letzten Prozentpunkte zu feilschen, sollte man sich also gut überlegen. Oder besser gleich sein lassen.

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Foto (oben):  TVNOW / Bernd-Michael Maurer