Von Elke Fleing
Montag, 19. Mai 2014

nextMedia.Hamburg will Kristallisationspunkt werden

Die neugegründete Standort-Initiative nextMedia.Hamburg wird die Medien- und Digitalwirtschaft Hamburgs und dessen Start-ups unterstützen. Sie bietet eine echte Chance für die frühere 'Medienhauptstadt', sich die Pole Position zurückzuerobern – wenn denn alle an einem Strang ziehen.

Jahrelang war Unmut zu spüren in der Landschaft der Medien- und Digitalwirtschaft Hamburgs – auch bei deren Start-ups. Es gab keine richtige ‘Szene’, keine gute Vernetzung, zu wenig auffindbare und spürbare Unterstützung. In der öffentlichen Wahrnehmung lag die einstige ‘Medienhauptstadt Deutschlands’ unter ‘ferner liefen’. Irgendwie hatte man den Anschluss verpasst. Innovative Start-ups, von denen es reichlich gibt in Hamburg, bastelten still vor sich hin.

Die Medien kämpften harte und einigermaßen einsame Kämpfe, um sich vor der Abrissbirne des digitalen Zeitalters zu ducken. Die riesige Digitalwirtschaft Hamburgs brachte viele und darunter einige sehr erfolgreiche Unternehmen hervor – aber auch hier machten die meisten einfach ihr Ding. Vernetzung? Synergien? Kooperationen? Voneinander lernen? Gab es, aber doch recht punktuell und einigermaßen unter dem Radar der Öffentlichkeit.

Initiativen, Mentoring-Programme und Netzwerke, die den Medien, den Start-ups und der Digitalwirtschaft Nutzen brachten, ihnen spannende und hilfreiche Events bescherten und die einzelnen Unternehmen miteinander verbanden? Gab und gibt es ebenfalls reichlich in Hamburg, aber auch hier muckelten die einzelnen Initiativen ziemlich unkoordiniert nebeneinander her.

Sie kannibalisierten sich gegenseitig mit parallel stattfindenden Veranstaltungen, erfanden jede für sich sämtliche Räder neu: Mehrere Initiativen pflegten und pflegen ihren eigenen Eventkalender, ihre eigenen Who is Who-Datenbanken und Glossare, veröffentlichen ihre eigenen Wissensressourcen, gern auch mit einander überschneidenden Themen.

Die Medien- und Digitalwirtschaft in Hamburg erwacht aus ihrem Dornröschenschlaf

Aber seit einigen Monaten spürt jeder, der sich in der Medien- und Digitalwirtschaft Hamburgs tummelt, wie es knistert und ruckelt in der ‘Szene’. Wie an allen möglichen Ecken und Enden Verbindungsknoten geknüpft, aktiv nach Kooperations- und Vernetzungsmöglichkeiten gesucht und Synergiemöglichkeiten ausgelotet werden.

Die Digitalwirtschaft und deren Start-ups, aber auch die Medien Hamburg machen sich auf den Weg, stärker voneinander zu profitieren und in der Außenwahrnehmung ihre Pole-Position zurückzuerobern:

Das Reeperbahn Festival mausert sich erstaunlich schnell zu einem der wichtigsten, wenn nicht dem wichtigsten Musik- und Interactive-Event Deutschlands und arbeitet dabei mit vielen der Digital-Szene Hamburgs zusammen.

Die alljährlich stattfindende Konferenz Online-Marketing-Rockstars ist innerhalb weniger Jahre ein national bekannter und beliebter Jour Fix der Branche geworden – und Macher Philipp Westermeyer erzählt beim Start-up RoundTable Interessierten sehr offen, wie die Konferenz gewachsen ist und lässt sie an seinen Learnings teilhaben.


Links: Das Team von Startups@Reeperbahn – im Rahmen des Reeperbahn Festivals – um die Kuratoren Tim Jaudszims und Sanja Stankovic;
Rechts: Philip Westermeyer, Macher der Online-Marketing-Rockstars, beim Start-up-Roundtable im betahaus Hamburg

Große Unternehmen wie EY engagieren sich zunehmend für die Start-up-Szene – sie treten als Sponsoren auf, bilden wie InnoGames einen Start-up-Hub und haben ihr Ohr an der Szene, sind mitten im Geschehen.


Links: Eine Teil der Hamburg-Delegation auf der SXSW 2014 in Austin, Texas. Mit dabei: Jan Brorhilker von EY (3. v. l.)
Rechts: Der InnoHub, der von InnoGames eingerichtete Start-up-Hub.

Hamburg Startups wurde gegründet und ist schon auf dem besten Weg, eine wichtige Anlaufstelle für die Hamburger Gründerszene zu werden und sie untereinander und mit Kooperationspartnern zu vernetzen.


Rappelvoll bei den Veranstaltungen : Links beim Startup-Roundtable von nextMedia.Hamburg, wo Hamburg-Startups Medienpartner war – hier mit Dr. Judith Gentz, die über Lean Start-ups spricht (und für deutsche-startups.de bald einen Gastbeitrag darüber schreiben wird) und rechts beim 2. Start-up-Mixer in der großartigen Liberta-Garage.

Initiativen wie die Digital Media Women, die Hamburger Sektion der Geekettes, die Hamburg Kreativgesellschaft, die Community des Coworkings-Spaces betahaus Hamburg oder die Maker-Kultur erfreuen sich regen Zulaufs, hosten gemeinsam Veranstaltungen und tauschen sich zunehmend untereinander aus.

Der Digital Mesh Hamburg, ein regelmäßiger Stammtisch Hamburger Digital-Initiativen wurde ins Leben gerufen, um einander besser kennenzulernen, stärker zu vernetzen und Synergien zu schaffen.


Links: v.l.n.r. Inken Meyer (Digital Media Women), Helen Peetzen (Filmförderung Hamburg und SSH), Kerstin Ebert (Jimdo), Janine Hélène Lubas (finetunes) & Sina Greinert (Hamburg Kreativ Gesellschaft) bei einer gemeinsamen Veranstaltung zum Thema Video-Vermarktung
Rechts: Protonet beim Maker-Abend im MakerHub

Dieses zunehmende Bedürfnis nach Zusammenwachsen und Förderung der Medien- und Digitalwirtschaft Hamburgs hat jetzt auch eine hochkarätige Heimat gefunden in einer neuen, groß angelegten Initiative:

Mit nextMedia.Hamburg soll DER Kristallisationspunkt für die Medien- und Digitalwirtschaft Hamburgs geschaffen werden

Vorbereitet und konzipiert wurde die Standort-Initiative nextMedia.Hamburg schon seit mehreren Jahren durch verschiedene Vorläufer-Projekte und Roundtables.

Im März 2014 erblickte sie dann in Form ihrer Website offiziell das Tageslicht. Sie wird gemeinsam getragen und gestaltet vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Verein Hamburg@work (e.V.), die das Projekt mit je etwa einer Million Euro ausstatten und diversen engagierten Unternehmen.

nextMedia.Hamburg will genau die Lücke schließen, die oben angesprochen wurde: Die Digital- und Medienwirtschaft soll gestützt, gefördert und besser vernetzt werden. Und das bezieht sich auf Unternehmen aller Größenordnungen.

Dr. Carsten Brosda dazu: “Wir müssen den großen Unternehmen bei ihren Wandlungsprozessen in die digitale Ära helfen, wobei ‘helfen’ eigentlich das falsche Wort ist: Wir müssen ihnen Räume und Plattformen bauen, in denen sie dann selbst agieren, sich selbst helfen können. Und wir müssen die Start-up-Szene vitalisieren, die ja in der Stadt durchaus stark ist, nur nicht unbedingt die Sichtbarkeit hat wie an anderen Standorten.

Und wir wollen Brücken schlagen zwischen den kleinen Unternehmen, die neu entstehen und den etablierten Konzernen. Denn wenn man die zusammenbringt, entsteht die richtig spannende Dynamik am Standort. Und zwar nicht im Sinne, dass die Großen die Start-ups vom Platz fegen, sondern dass zwischen Start-ups und Großunternehmen Kooperationsbeziehungen entstehen – was übrigens beide gern wollen. Diese Möglichkeit ist nämlich etwas, was Hamburg richtig spannend macht.”

Um die Ziele zu erreichen verfolgt nextMedia.Hamburg konzeptionell einen neuartigen und spannenden Ansatz:

Thematisches Cluster statt branchenspezifischer Segmentierung

In der Regel werden von Initiativen immer bestimmte Branchen mit Events oder Infos adressiert. Im Fall der Zielgruppen von nextMedia.Hamburg: Medien- und Digitalwirtschaft und deren Start-ups wären das also zum Beispiel Veranstaltungen oder Know How für die E-Commerce-Branche, die Musikbranche, die Games-Branche, die Medienbranche oder, oder…

In diesen Branchen gibt es unterschiedliche aber auch erstaunlich viele gemeinsame thematische Interessen.
Ganz sicher verbindet all diese Branchen heutzutage, dass Content und Technologie zu den Schlüsseldisziplinen ihres Erfolgs gehören.

Und genau da setzt nextMedia.Hamburg an: Wenn denn Inhalte und Technologien so wesentliche Erfolgsfaktoren für alle Adressaten der Initiative sind, dann will man sie – und zwar branchenunabhängig alle – besonders in Bezug auf die Entwicklung dieser beiden Schlüsseldisziplinen fördern und unterstützen.

Dieser grundlegend neue Ansatz ist das Spannendste und Praxisrelevanteste im Konzept von nextMedia.Hamburg. Er verbindet statt zu segmentieren, legt die Basis für thematische Allianzen und macht es für alle Beteiligten leichter und naheliegend, sich für bestimmte Ziele und Interessen gemeinsam an die Tische zu setzen statt sich gegenseitig zu beharken.

Erklärtes Ziel von nextMedia.Hamburg: Unterstützung der Medien- und Digitalwirtschaft – Förderung des Standorts Hamburg

Die ortsansässigen Unternehmen sollen auf Ihrem Weg ins digitale Zeitalter begleitet und unterstützt werden. Dazu sollen sie gut informiert, zum Austausch untereinander und Lernen voneinander animiert werden und weitreichende Unterstützung auf theoretischer und praktischer Ebene bekommen.

Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle soll gefördert werden. Dazu sollen Schnittstellen zwischen großen Unternehmen, Mittelstand und Start-ups geschaffen werden, damit die Unternehmen sich austauschen und voneinander profitieren können. Klar können Gründer vom Know How und der Erfahrung größerer Unternehmen oder Konzerne profitieren. Aber auch umgekehrt können die alteingesessenen Unternehmen von der Kreativität und den innovativen Ansätzen der Start-ups lernen.

Start-ups sollen unterstützt werden, um die Innovationskultur in Hamburg noch weiter zu fördern. Ohne Innovationen kein Fortschritt, ohne Veränderung kein bleibender Erfolg. Start-ups sind oft die Keimzelle von Innovationen, sie sind meist viel schneller mit neuen Erfindungen und Entwicklungen unterwegs als alteingesessene Konzerne. Daher sind sie laut der Philosophie von nextMedia.Hamburg ein wesentlicher Faktor, um Hamburg wirtschaftlich nach vorn zu bringen und dort bleiben zu lassen.

Noch holpert die externe Kommunikation auf der Website

nextMedia.Hamburg will sehr praxisorientiert arbeiten – die geplante Herangehensweise ist so praxisnah und dialogorientiert, dass deutsche-startups.de dem geplanten Vorgehen einen separaten Artikel widmen wird.

Um aber Ziele, Aufgaben und Dialog-Orientiertheit der Initiative den Zielgruppen und der Öffentlichkeit näherzubringen und sie für nextMedia.Hamburg zu begeistern, sollte man noch tüchtig an den Inhalten und der Struktur der Website arbeiten.

Ich zum Beispiel hab mich viele Stunden die Website studierend und in einem langen persönlichen Gespräch mit Dr. Carsten Brosda, Jens Unrau und Dr. Esther Conrad mit nextMedia.Hamburg befasst und ich hab eeewig gebraucht, bis ich wirklich verstanden hab, was die Macher genau erreichen, wen sie adressieren und wie sie das bewerkstelligen wollen. Und ich zähl mich durchaus zu denjenigen, die einigermaßen schnell begreifen und die sich in der Hamburger Digital-Szene tummeln.

Klar, so ein Projekt muss wachsen und bekommt erst nach und nach seinen Feinschliff und Beispiele aus der Praxis. Aber es wäre schön, wenn man den noch oft allgemeinen Formulierungen nach und nach mehr Beispiel-‘Butter bei die Fische’ geben würde und klarer sowie stärker am Nutzen der Adressaten entlang formulierte.

Heike Scholz, ihres Zeichens Macherin von mobile zeitgeist und ausdrückliche Unterstützerin der Initiative, formuliert ihre Kritik so:

“Die Webseiten von nextMedia.Hamburg sind an einigen Stellen sicherlich noch verbesserungswürdig. Besonders fällt mir auf, dass die Seiten überwiegend deskriptiv sind. Natürlich soll die Initiative dargestellt und erklärt werden.
Aber mir persönlich fehlt die Dynamik, der Dialog, die Vernetzung, also, um es zusammenzufassen: Das Herstellen von Gesprächen. Hier könnte man gerade im Zusammenspiel mit Social Media-Plattformen viel mehr machen. Ein “Social Media Deck”, in dem die Inhalte anderer Publikationen abgebildet werden, ist sicherlich zu wenig.

Das Blog habe ich noch nicht wirklich intensiv verfolgt, fand es meist eher etwas langweilig oder anders ausgedrückt, mir fehlte meist die ‘Hamburg-Relevanz’. Allgemeine Artikel zu neuen Medien lese ich tagtäglich sehr viele und auch sehr gute. Vom Blog der nextMedia.Hamburg würde ich mir mehr Lokalkolorit, mehr persönliche Artikel aus der Stadt wünschen und weniger die professionell durchgeführten, glatten Interviews mit ansässigen Großunternehmen. Die Kolumne von Andreas Wrede geht in diese Richtung. Bitte mehr davon!”

Einige Unklarheiten ließen sich auch schon durch eine nutzerfreundlichere Struktur beseitigen, Wichtiges wäre leichter auffindbar.

Ein Beispiel, wie man Lesern strukturell den Durchblick erleichtern könnte: nextMedia.Hamburg hat ein verantwortliches Team. Soweit, so klar, so wichtig.

Darüber hinaus aber gibt es Partner, Kooperationen, Advisors.

Und dann gibt es noch die Unterstützer der Initiative – das sind die Unternehmen und Initiativen, die einen Letter of Intent unterzeichnet haben. Die wiederum finden sich nur sehr schwer auffindbar versteckt im Punkt ‘Themen und Debatten’ in dem Beitrag Erster Bürgermeister Olaf Scholz startet neue Initiative (sprechende Permalinks für die Posts kommen sicher auch noch irgendwann).

Außerdem gibt es in der Sidebar der Unterseite ‘Medienstandort‘ eine verlinkte Übersicht der Hamburger IT- und Medienhochschulen. Und daselbst im Fließtext Links zu wichtigen Netzwerken und Awards.

All das findet sich – zum Teil nur zufällig auffindbar – auf verschiedenen und zudem sehr unterschiedlich gestalteten Unterseiten bzw. Beiträgen.

Leider wird nirgendwo gebündelt klar und knapp erklärt, wie die einzelnen Beziehungen der Personen, Initiativen und Unternehmen im Verhältnis zu nextMedia.Hamburg zu verstehen sind: Wie unterscheide ich als ‘Laie’ zum Beispiel einen Partner von einem Unterstützer?

Und warum packt man nicht alle mehr oder weniger in die Initiative Involvierten, ihr Wohlgesonnene und für die Medien- und Digitalwirtschaft Hamburgs Wichtigen auf eine gut gestaltete, Glossar-ähnliche Seite? Dort ergänzt man jeden Namen außer um wichtige Infos per Schlagwörter um seine Beziehung zu nextMedia.Hamburg und bietet schicke Suchfunktionen nach Tags und Alphabet dazu.

So fände der geneigte Leser gleich ein stetig wachsendes, übersichtliches Who is Who der Hamburger Medien- und Digitalwirtschaft. Und müsste sich durch weniger sperrige Fließtexte und Seitenstrukturen kämpfen.

Soweit zum Konzept und den Zielen von nextMedia.Hamburg. In der Fortsetzung dieses Artikels wird es darum gehen, auf welchen Wegen die Initiative ihre selbst gesetzten Aufgaben erfüllen will – aber auch darum, dass Zusammenarbeit keine Einbahnstraße ist.

Was also können Initiativen und Unternehmen tun, um gemeinsam mit nextMedia.Hamburg ihrer beider Interessen voranzutreiben?

Danke für die Fotos an:
Hamburg-Startups: Fotos vom Reeperbahn Festival, Philip Westermeyer, 2 Fotos von Hamburg-Startups-Events
Sanja Stankovic: Foto SXSW 2014
InnoGames: Foto InnoHub
Rieka. at the Pixsalon: Foto DMW-Event Videovermarktung
Inken Meyer: Foto: Maker-Abend der DMW