Von Team
Dienstag, 6. Mai 2014

Auch Start-ups müssen dauerhaft Gewinne erzielen!

Vielen jungen Gründern wird zu wenig vermittelt, dass grundsätzlich Unternehmen dauerhaft und langfristig Gewinne erzielen müssen. Und dass das eine Lebensrealität ist, die sich auch durch die allerneusten technischen Errungenschaften nicht verändert. Gastbeitrag von Hans Peter Ruehl.

Start-ups haben aus Sicht des Rechnungswesens immer eine besondere Relevanz. Klassische Kennzahlen sind zunächst fehl am Platze und man hat noch keine Ahnung, wohin sich das Unternehmen entwickelt. Vor allem: Entgegen üblicher betriebswirtschaftlicher Selbstverständlichkeiten interessieren sich die meisten Start-ups überhaupt nicht dafür, ob sie Gewinn oder Verlust machen. Es ist unerheblich.

Warum das so ist? Nun, weil man unter einem klassisch-modernen Startup ein Internetunternehmen versteht, bei dem die Gründer hoffen, nicht etwa durch innere Wertschöpfung über lange Jahre hinweg mühsam Gewinne zu erzielen, sondern vielmehr ein neues technisches oder funktionelles, möglichst revolutionäres Konzept zu entwickeln, das für andere, große, etablierte, finanzstarke Firmen so interessant ist, dass diese das Startup zu exorbitanten Preisen aufkaufen, die dann den Gründern und den Investoren eine märchenhafte Gewinnspanne garantieren. Das ist der Traum der meisten Internet-Start-ups – der wenigstens millionenschwere Exit.

Ist das verwerflich? Nein! Wir brauchen auch diese Ansätze, sie ermöglichen Entwicklungen, die ein traditionelles mittelständisches Unternehmen nicht erreichen könnte. Ich stehe dem also positiv gegenüber, wenn auch mit einigem “Aber”. Es ist eine Frage des Blickwinkels. Aus Sicht der Gründer habe ich volles Verständnis und wünsche jedem, der sich auf das Abenteuer einlässt, viel Glück. Es sei allen gegönnt, die mit Kreativität, Mut und Durchhaltevermögen (das braucht man nämlich, um die vielen Finanzierungsrunden zu überstehen) dieses “Turbo-American-Dream-Ziel” erreichen: Vom Codierschwein zum Milliardär.

Aus Sicht der Investoren, der “Venture Capitalists”, habe ich ebenfalls Verständnis. Sie gehen ein hohes Risiko ein, weil nur ein minimaler Prozentsatz der Start-ups dieses Ziel erreicht. Die Investoren schreiben den allergrößten Teil der Gelder ab (subjektiv und ohne Recherche würde ich mal annehmen, deutlich über 90 %), um mit dem verbleibenden Rest und somit in einer Art Mischkalkulation ihre Ertragsziele zu erreichen.

Volkswirtschaftlich ist es ein zweischneidiges Schwert. Als Beimischung zu einer ansonsten klassisch auf langjährige Wertschöpfung ausgerichteten Volkswirtschaft mit einer somit breiten, mittelständischen, dezentralen, hochflexiblen und auf langjährige Tätigkeit ausgerichteten Unternehmerschaft sind solche Internet Start-ups ein Segen. Sie sind das Salz in der Suppe. Sie treiben Innovationen mit einer brutalen, atemberaubenden Geschwindigkeit voran und bieten mutigen Jungunternehmer/-innen eine Gelegenheit, sich auszutoben – mit Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg. Gäbe es diese Optionen nicht, würden viele Talente verkümmern und Chancen blieben ungenutzt

Nun zum Aber: Das Salz in der Suppe ist idealerweise eine Prise. Wenn es die Fleischbrocken und Nudeln ersetzt, wird die Suppe ungenießbar. Zu exorbitanten Preisen werden die erfolgreichsten Start-ups beim Exit verkauft, weil die Käufer sich für die Zukunft einen noch exorbitanteren Ertrag erhoffen (z.B. durch  Werbeeinnahmen über die neuen Zielgruppen, die man sich erschließen möchte) und manchmal auch, um entstehende Konkurrenten vom Markt zu nehmen. Irgendwann aber muss es sich lohnen. Und wenn das nicht passiert, hat man die klassische Blase: Gigantische Investitionen, die auch langfristig keine passenden Erträge nach sich ziehen und deshalb zwangsläufig irgendwann kollabieren werden.

Vielen jungen Gründern wird zu wenig vermittelt, dass grundsätzlich Unternehmen dauerhaft und langfristig Gewinne erzielen müssen. Und dass das eine Lebensrealität ist, die sich auch durch die allerneusten technischen Errungenschaften nicht verändert. Die größte Gefahr, wenn man sich auf die Mentalität einer nachfolgenden Unternehmergeneration bezieht, besteht darin, dass Gründer dem Irrglauben verfallen, das Internet hätte die Grundregeln des Wirtschaftens der letzten zehntausend Jahre überwunden und “reicher werden” sei gesamtgesellschaftlich auch ohne nachhaltige Wertschöpfung dauerhaft möglich. Wenn der Eindruck entsteht, Wohlstand würde sich durch Downloadstatistiken, Userzahlen, Reichweiten oder anderen Kriterien generieren anstatt durch reale Nutzenmehrung, wird es kritisch (obwohl das seit der Dotcom-Blase eigentlich klar sein müsste).

Viele Start-ups – nicht alle, ich komme noch dazu –  leben in einer Welt, in der Kapitalbeschaffung durch Kapitaleinlagen und nicht Kapitalbeschaffung durch Gewinnerzielung den Fokus darstellt. Die Denkweise der Eigenkapitalmehrung durch selbst erzielte Gewinne als dauerhaftes Unternehmensziel (“going concern”) erscheint vielen Start-ups nicht als antiquiert, sondern sie kennen dieses Konzept kaum, höchstens als nebulöse Sache “da war doch noch was”, um die man sich dann kümmern kann wenn es soweit ist und in der Hoffnung, dass es nie soweit kommen wird, weil ja vorher der Exit ansteht. Hauptsache, der Pitch stimmt und Kapitalgeber stellen Liquidität bereit.

Mitschuld sind auch die vielen Förderangebote (an sich eine gute Sache), die ausschließlich auf das “Pitchen” abstellen: Das Überzeugen von Investoren, Kapital bereitzustellen. Der unbequeme Weg, anschließend durch marktorientiertes unternehmerisches Handeln im Tagesgeschäft regelmäßig Gewinne zu erzielen, wird  oft nicht oder zu wenig eingefordert.

Zu meiner Freude aber, und das ist ein weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehender Teil der Szene, gründen durchaus viele in der Absicht, das eigene Unternehmen dauerhaft ertragreich zu führen. Oft wollen sie gar nicht im Fokus stehen, sondern freuen sich über eine profitable Nische, die kein anderer entdeckt hat und in der sie ertragreich wachsen können, wie mir ein Insider berichtete. Schön wäre es, wenn diesen dauerhaften Gründern, die sich eher als traditionelle Unternehmer verstehen, die gleiche Anerkennung zukäme wie dem anderen Bereich, der sich aus sehr wenigen Exit-Millionären und sehr vielen kurzlebigen Modellen zusammensetzt. Ein Umdenken  ist erkennbar, Start-ups müssen sich stärker als früher rechtfertigen, ob und sie eigentlich Mehrwert schaffen und deshalb spreche ich auch bei den langfristig orientierten Neugründungen lieber von Gründern als von StartUps. Das ist zugegebenermaßen eine persönliche, willkürliche Begriffsunterscheidung, aber vielleicht ganz passend. Ich hoffe, dass wir volkswirtschaftlich die richtige Mischung erreichen werden.

Passend zum Thema: “Früher Umsatz in High-Tech-Start-ups: kein Widerspruch!

Zur Person
Hans Peter Rühl (HPRühl®), Dipl. Betriebswirt (BA), ist darauf spezialisiert, Führungskräfte in Fragen des Rechnungswesens zu schulen. Er ist zudem Entwickler von BuchenLernen, der erfolgreichsten deutschen Lern-App zur doppelten Buchführung (für das iPhone), des Grundlagen-Podcasts Rechnungswesen und neuerdings Buchautor von „BuchenLernen. Die App als Buch!“. Er ist Saarländer, freiberuflich tätig und lebt in Berlin.

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