“Wenn man es wirklich will, ist es die interessanteste Reise des Lebens” – 15 Fragen an Frank Westermann von mySugr

Jeden Freitag beantwortet ein Gründer oder eine Gründerin unseren standardisierten Fragebogen, den es inzwischen auch in gedruckter Form und als eBook gibt – siehe “Hinter den Kulissen deutscher Start-ups“. Der kurze Fragenkatalog lebt von der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fragen, die alle Gründerinnen und Gründer beantworten müssen – diesmal antwortet Frank Westermann von mySugr.

Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Sein eigener Chef zu sein klingt für manche ja nach „ich mach mal einfach worauf ich Bock hab und der Rest muss mitmachen…” Die grausame Wahrheit ist, dass man als Chef eigentlich am allerwenigsten sein eigener Chef ist. Man hat im Unternehmen die meiste Verantwortung: für die Kunden, Mitarbeiter und das Geld der Investoren. Also gibt’s gleich drei Chefs, für die du besser mal einen extrem guten Job machst! Aber genau darin liegt der Reiz. Es ist verdammt herausfordernd die verschiedenen Erwartungen zu erfüllen und mit seinen Ideen und Impulsen das Unternehmen in die richtige Richtung zu lenken.

Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Die Idee kam mir, als ich mal wieder auf meinem Blutzuckermessgerät einen Wert von über 200mg/DL (zufrieden bin ich bei Werten zwischen 80-140) lesen musste und ich mir dachte: Verdammt! So kann es nicht weitergehen. Deshalb fing ich an zu überlegen, wie ich meine Therapie wieder besser in den Griff bekommen kann. mySugr hilft mir jetzt jeden Tag dabei, dass meine Therapie wieder in geordneten Bahnen läuft.

Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Wir haben das große Glück zwei Investoren gefunden zu haben, die uns seit Beginn mit Rat, Tat und vor allem Geld unterstützen. Das ist unser Super-Angel Johann Hansmann und der Austria Wirtschaftsservice (AWS)

Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Der Teamaufbau war und ist mit Abstand die größte Herausforderung. Diese Herausforderung begleitet einen permanent und besonders intensiv mit jedem Wachstumsschub.

Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase andersmachen?
Noch stärker auf’s Bauchgefühl verlassen und noch rigoroser handeln, wenn die ersten Signale aus der Magengegend kommen, dass etwas nicht 100%-ig stimmt.

Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Das Community Marketing ist unser wichtigstes Tool. Die meisten Mitarbeiter bei mySugr sind selbst Diabetiker, wir begegnen unserer Community deshalb auf Augenhöhe. Wir treffen unsere User Offline oder Online in Communities für Diabetiker, auf Facebook oder in unserer online “mySugr Coffee Kitchen”, in der wir unser Produkt gemeinsam mit dem harten Community Kern weiterentwickeln.

Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Meine Frau Sara und unseren Angel Johann Hansmann. Beide musste ich wahrscheinlich gleich oft um Verzeihung bitten. Entweder dafür, dass das Wochenende doch wieder hinter dem Rechner verbracht werden muss oder dafür, dass der geplante Milestone einfach noch etwas länger dauert als geplant.

Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Man muss bereit sein, sein Leben radikal auf das eine Ziel zu fokussieren: sein Unternehmen ans laufen zu kriegen. Man wird seine Freunde vernachlässigen, Hobbys aufgeben und eigentlich nie freie Zeit haben. Das ist wahnsinnig unglamourös und viel, viel uncooler als es sich in vielen Tech-Blogs anhört, auf denen man nur die Erfolgsmeldungen liest. Aber wenn man es wirklich will, ist es die interessanteste Reise des Lebens.

Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
mySugr ist ein Wiener Unternehmen und von daher möchte ich nicht so vermessen sein, kluge Ratschläge für den Gründungsstandort Deutschland zu geben.
Aber der Blick über den Tellerrand lohnt sich ja oft und da würde ich mal den südlichen Tellerrand vorschlagen. Wir haben in Österreich extrem guten Support für Start-Ups von staatlicher Seite (Austria Wirtschaftsservice, INITS) von dem wir enorm profitieren.

Generell glaube ich, dass man nirgends volkswirtschaftlich so effizient etwas erreichen kann, wie beim Support von Internet Start-Ups. Oft reichen schon wenige zehntausend Euros um ein Projekt zum Start zu verhelfen und damit zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn man sieht für welche sinnlosen, rückwärtsgewandten Projekte Staaten Geld verschwenden und trotz aller Rhetorik eben doch nicht in die Zukunft investieren, kann es einem die Tränen in die Augen treiben.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Mir läuft’s eiskalt den Rücken runter, wenn ich daran denke wieder irgendwo als Angestellter zu arbeiten. Wenn ich nicht in einem Start-Up arbeiten würde, würde ich mir schleunigst was einfallen lassen um wieder eins zu gründen.

Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
In einem der Execution Powerhouses der Samwers. Eine Idee ist schnell mal geboren, aber die Umsetzung entscheidet über den Erfolg. Da macht ihnen keiner was vor und ich kann ganz sicher eine Menge lernen.

Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
In eine hoffentlich nicht allzu ferne Epoche: die in der Typ1 Diabetes endlich geheilt ist.

Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Da würde ich gerne frei nach George Best antworten: “Das meiste für Alkohol, Weiber und Autos ausgeben – und den Rest einfach verprassen.” Aber so cool bin ich dann doch nicht. Ich würde wahrscheinlich eher mal 6 Monate Auszeit für eine Weltreise nehmen, eine Wohnung in den Alpen direkt an der Skipiste kaufen und den Rest in mySugr stecken.

Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
So entspannt wie möglich: Lange schlafen, lange Frühstücken, viel Zeitung lesen (noch immer super gerne auf Papier) und hoffentlich weder Steuern noch Krankenkassenabrechnungen machen müssen, keine Strafzettel zahlen oder sonstige dieser nervenden Aufgaben, die man so gerne auf den Sonntag schiebt. Dann noch irgend etwas sportliches für 2-3 Stunden und Freunde und Familie treffen. Was Sonntag Abend um 20.15h passiert ist ja hoffentlich sowieso jedem klar…

Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Mit Angela Merkel. Ich wollte ihr schon immer mal einfach einen Brief schreiben und sie zum Essen einzuladen, damit sie mal ein paar normale Leute um sich hat. Aber ein Kaffee oder Bier würde es für’s erste auch tun. Ich finde es einfach klasse, wie Angie den Laden zusammenhält. Den deutschen und den europäischen. Unser friedliches Europa ist ein großes Geschenk. Wir alle sollten weiter daran arbeiten, dass es so bleibt.

Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an

Zur Person:
Nach dem Abschluss seines BWL Studiums 2004 arbeitete Frank Westermann in verschiedenen Positionen in der Telekommunikations- und Medienindustrie in Deutschland und Österreich. 2011 hat Frank mit seinen Co-Foundern Gerald Stangl, Michael Forisch und Fredrik Debong die mySugr GmbH in Wien gegründet und entwickelt seitdem die Diabetes mySugr (www.mysugr.com).

15 Fragen als eBook und in gedruckter Form

“Hinter den Kulissen deutscher Start-ups: 45 Gründer über den Aufbau ihres Unternehmens”, heißt der erste Titel der neuen Buchreihe von deutsche-startups.de. Unser erstes Buch, ein Best-of der Rubrik 15 Fragen an, steht unter dem Motto: Von Gründern lernen, sich von deutschen Unternehmern inspirieren lassen. 45 Gründer berichten von Ihren eigenen Erfahrungen, geben wertvolle Tipps und teilen ihre Inspirationen mit den Lesern. Weitere Infos über “Hinter den Kulissen”. Unser erstes Buch jetzt bei Amazon bestellen.