Live-Shopping brummt

Ein Produkt pro Tag ist im Internet auf den ersten Blick ein ungewöhnlicher Ansatz für einen Online-Shop. Dennoch kommt das Thema Live-Shopping derzeit phänomenal an. Kein Wunder: In der realen Welt sind Sonderangebote und -aktionen eine ganz normale Sache. Discounter, Elektroketten und Warenhäuser locken Kunden seit Jahrzehnten regelmäßig mit Schnäppchen. Die Mutter aller Live-Shopping-Dienste ist die US-Plattform “Woot“. In Deutschland heißen die Live-Shopper “schutzgeld.de“, “dealirio“, “yobri“, “Hauptstadtprodukt” und “Cyberport.24“. Letzteres ist ein Ableger des bekannten Online-Shops “cyberport.de“. Die Plattform bietet Onlinern von Montag bis Freitag spezielle Schnäppchen an. Jeder Tag ist dabei einer Produktgruppe zugeordnet. Montags heißt das Thema beispielsweise “Mac & PC (Notebooks)”, mittwochs “Cool Stuff” und freitags “TV & Games”. Die “cyberport.24”-Macher versprechen dabei einen “unschlagbaren Preis”. Für den etablierten Online-Shop ist Live-Shopping somit eine nette Möglichkeit, dass Thema Sonderangebote und Restposten auf spielerische Weise abzufeiern.

Ebenfalls der Ableger einer etablierten Marke ist “Hauptstadtprodukt”. Unter dem Motto “Eine Hauptstadt, eine Woche, ein Produkt” bietet der “ProMarkt“-Sprössling aktuelle Elektroschnäppchen an. Der größte Nachteil von “Hauptstadtprodukt” ist der wöchentliche Verkaufsrhythmus. Einem einwöchigen Angebot fehlt der Schnäppchencharme. Kaum ein Nutzer wird denken: “Bei diesem Preis muss ich sofort zuschlagen”. Und Live-Shopping lebt nun einmal von Impulskäufen. Die angebotenen Artikel stammen übrigens aus einem Berliner Schnäppchenmarkt, den Betreiber ProMarkt Online im Dezember des vergangenen Jahres in der Hauptstadt eröffnete. Somit ist “Hauptstadtprodukt” nur ein weiterer Vertriebskanal für den stationären Schnäppchenshop.

Nur “hochwertige Original-Ware”

Erst seit Mitte März im Live-Shopping-Einsatz ist “yobri”. Jeden Tag wird seitdem ein Produkt von “12 Uhr eines Kalendertages bis zum kommenden Kalendertag 11:59 Uhr” angeboten. Einzige Ausnahme: Das Produkt ist vorher ausverkauft. Verkauft wird nach Unternehmensangaben nur “hochwertige Original-Ware”. Beim Sortiment will “yobri”-Betreiber ConVin aus Bielefeld durch ein breites Sortiment punkten – dazu gehören unter anderem Unterhaltungselektronik, Marken-Bekleidung, Elektro-Geräte, Möbel und Sportequipment. Diese breite Angebotspalette macht “yobri” für die Nutzer allerdings unberechenbar. Wenn allzu lange kein interessantes Schnäppchen in einer bestimmten Warengruppe auftaucht, vergrault man so sicherlich viele Schnäppchenjäger. Zudem ist “yobri” kein eigenständiger Verkaufsdienst, sondern nur ein Shopping-Dienstleister. Alle Händler können ihre Waren über “yobri” selbst verkaufen. Der Restposten- und Schnäppchencharme leidet darunter deutlich.

Ebenfalls im März startete “dealirio”. Die grün-weiß-graue Website ist optisch leider nicht sehr ansprechend. Wer deswegen nicht sofort die Flucht ergreift, darf sich zumindest Dienstag und Freitag auf ein attraktives Angebot freuen. Wie bei “Hauptstadtprodukt” leidet der Schnäppchencharakter der Plattform unter dem langen Verkaufsrhythmus deutlich. Beim Sortiment setzt Enrico Cordisco, Geschäftsführer beim “dealirio”-Betreiber Kontor Medien Hamburg, ebenfalls auf ein breites Angebot. Grob eingrenzen lässt sich das Warenangebot auf die Produktgruppen Unterhaltungselektronik, Computer, Lifestyle, Wohnen, Trend und Freizeit. Die jeweiligen Waren kaufen die Hanseaten auf eigene Rechnung bei Produzenten und Großhändlern selbst ein. Nach kleinen technischen Problemen läuft “dealirio” inzwischen einwandfrei. Mit “klassischen Online-Werbemaßnahmen” will Cordisco seine Live-Shopping-Plattform in den kommenden Wochen bekannter machen und so noch mehr Nutzer gewinnen.

Die Mafia lässt grüßen

Der Veteran unter den deutschen Live-Shopping-Plattformen ist “schutzgeld.de”. Seit Sommer des vergangenen Jahres bietet die Düsseldorfer Agentur Marketing Factory Consulting unter dem Slogan “Das Preisverbrechen des Tages” jeden Tag ein neues Produkt an. Besonders mit dem liebevoll inszenierten Mafia-Konzept und den Produktbeschreibungen (“Hast du ausserdem Hammer-Vorteil Imagemässig, wenn du vor den Chicas diese Gerät mit Riesendisplay rausholen tust und Eros Raffrotzi hörst”), können die Rheinländer bei Schnäppchenjägern aus ganz Deutschland punkten. Beim Warenangebot hat “schutzgeld.de” einen eindeutigen Schwerpunkt auf Unterhaltungs- und Haushaltselektronik. Die Waren für die täglichen Preisverbrechen kaufen die “schutzgeld.de”-Macher auf eigene Rechnung bei verschiedenen Lieferanten ein. Die Zahl der registrierten Nutzer, also Onliner, die mindestens einmal bei “schutzgeld.de” eingekauft haben, gibt Peter Faisst, Geschäftsführer von Marketing Factory Consulting, mit “über 7.100” an. Inzwischen ist aus dem Agentur-Ableger sogar eine eigene Gesellschaft, die Impulse Network Limited, geworden. Nun will Faisst die “schutzgeld”-Welt weiter ausbauen. Details möchte er nicht verraten. Offenbar denkt er an eine Ausweitung richtig Social Commerce nach.

Ebenfalls in Expansionslaune ist Michael Wallraven von Exclusive Brand Retail. Die Kölner betreiben seit Januar dieses Jahres die Live-Shopping-Plattform “sportlet.de”. Anfangs kamen meist Turnschuhe der Marken adidas, Puma oder Nike in den täglichen Cyber-Verkaufsraum. Inzwischen ist das Warenangebot deutlich breiter. Zuletzt wurde beispielsweise ein Rucksack, eine Sonnenbrille und Tennisschläger angeboten. Künftig sollen weitere Warengruppen hinzukommen. Das große Oberthema umschreibt Wallraven dabei mit “Sport und Lifestyle”. Parallel zur Ausweitung der “sportlet”-Welt – geplant ist unter anderem eine stärkere Einbindung der Nutzer – basteln die Rheinländer bereits an einem zweiten Live-Shopping-Konzept. Schon bald will Wallraven “youwine.de” ins Rennen schicken. Leider soll die Wein-Plattform im Gegensatz zu “sportlet.de” nicht mit täglich wechselnden Schnäppchen glänzen. Angedacht sind wöchentliche Preishits. Dafür verspricht er “nicht nur ein Produkt, sondern attraktive Themenzusammenstellungen”. Vielleicht funktioniert’s. Im Idealfall sollten Live-Shopping-Plattformen aber mit täglichen Schnäppchen locken.