#Interview

“Durch den Shift zu B2B haben wir Spielraum gewonnen”

Das Health-Startup Likeminded startete als B2C-Produkt, schwenkte dann aber auf B2B um. "Es hat sich gezeigt, dass unsere Gesellschaft zum Großteil noch nicht bereit ist, Geld für die eigene Gesundheit in die Hand zu nehmen. Im B2B-Kontext sieht das nun anders aus", sagt Gründerin Kimberly Breuer.
“Durch den Shift zu B2B haben wir Spielraum gewonnen”
Mittwoch, 2. November 2022VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup Likeminded, dass von Kimberly Breuer, Maximilian Heberger und Stefan Anca gegründet wurde, kümmert sich um “psychische Gesundheit am Arbeitsplatz”. Zunächst versuchten die Hauptstädter den B2C-Markt mit Gruppenkurse samt psychologischer Betreuung zu erobern. “Wir haben fast 12 Monate lang den Product-Market-Fit gesucht. Das ist erstmal gar nicht so verkehrt und für viele Startups normal. Doch der Gruppenansatz mit dem dazugehörigen Business Modell ist an vielen Stellen nicht aufgegangen”, sagt Gründerin Breuer.

Durch den Pivot Richtung B2B gewannen die Jungunternehmer:innen dann nicht nur “Spielraum” bei den Formaten, sondern auch beim Erlösmodell. “Es hat sich gezeigt, dass unsere Gesellschaft zum Großteil noch nicht bereit ist, Geld für die eigene Gesundheit, insbesondere für Präventionsarbeit, in die Hand zu nehmen. Im B2B-Kontext sieht das nun anders aus: Viele nutzen unser Angebot aus präventiven Zwecken, was genau unser Ziel ist”, erzählt die Likeminded-Macherin.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Likeminded-Gründerin Breuer außerdem über Leidenschaft, Verhaltensänderungen und Wahnsinn.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Likeminded erklären?
Likeminded ist wie Arzt und Fitnesstudio in einem – nur statt für den Körper, für deine mentale Gesundheit. Das heißt, wir helfen dir, wenn es dir nicht gut geht. Wir unterstützen dich aber auch dabei, dass es dir noch besser geht, wenn du keine akuten Herausfoderungen hast.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Tatsächlich ist Likeminded als B2C-Unternehmen gestartet – unser Angebot hat sich am Anfang also direkt an Endkunden gerichtet. Durch den Shift zu B2B haben wir Spielraum gewonnen, welche Formate wir anbieten können. Wir haben das Produktportfolio unter der Hypothese, dass die wirksamste Behandlung aus einer Kombination aus verschiedenen Formaten besteht, signifikant verbreitert. Diese Hypothese entstammt einerseits aus aktuellen Forschungsergebnissen, aber auch aus direkten Erfahrungen im B2C-Markt, wo wir das beobachten konnten, aber größere Abhängigkeit von der Zahlungsbereitschaft für verschiedene Formate hatten. Mit der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber konnten wir auch unsere Reichweite extrem vergrößern. Wir haben eine Möglichkeit geschaffen, durch die viel mehr Personen unser Angebot in Anspruch nehmen können. Für manche war das zuvor einfach nicht möglich.

War sprach denn konkret gegen den B2C-Ansatz?
Es hat sich gezeigt, dass unsere Gesellschaft zum Großteil noch nicht bereit ist, Geld für die eigene Gesundheit, insbesondere für Präventionsarbeit, in die Hand zu nehmen. Im B2B-Kontext sieht das nun anders aus: Viele nutzen unser Angebot aus präventiven Zwecken, was genau unser Ziel ist. Denn gerade bei mentaler Gesundheit ist es viel effektiver – und kostengünstiger -, Menschen zu erreichen, bevor sie in der Krise stecken. Gemeinsam mit den Ansprechpartnern in den Unternehmen ist zudem die Wirkung darauf, das Stigma um mentale Gesundheit zu brechen, vervielfacht worden.

Wie funktioniert denn nun euer Geschäftsmodell?
Um Likeminded zu nutzen, stellen Arbeitgeber:innen allen Mitarbeitenden die Plattform zur Verfügung und zahlen hierfür einen monatlichen Betrag. Mitarbeitende können dann genau die psychologsischen Unterstützungsformate nutzen, die sie möchten und brauchen. Und sie bleiben dabei jederzeit anonym – was für viele wegen des anhaltenden Stigmas rund um psychische Gesundheit immer noch ein wichtiges Argument ist.

Wie genau hat sich Likeminded seit der Gründung entwickelt?
Zum einen natürlich vom B2C-Produkt mit übersichtlichem Angebot hin zu einem B2B-Produkt mit einer breiten Palette an ausgefeilten Formaten. Aus Nutzerperspektive haben wir uns zudem definitiv zu einer immer stärker personalisierten Lösung hinentwickelt. Für mich ist aber auch unsere interne Entwicklung eine sehr besondere. Wir sind nicht nur gewachsen, sondern haben eine starke Kultur entwickelt, die wir eng mit unserem Produkt verknüpfen. Diese innere Stärke und Klarheit in der Positionierung spiegelt sich nun auch immer mehr extern wider.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Likeminded inzwischen?
In den letzten 12 Monaten ist unser Team mehr als 80 % gewachsen und ist jetzt mehr als 30 Mitarbeiter:innen stark. Hinzu kommt ein stetig wachsender Pool an Coaches, Psycholog:innen und Therapeut:innen. Mittlerweile arbeiten wir mit namhaften Kunden wie N26, sennder oder Oliver Wymann zusammen.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist seit dem Start so richtig schief gegangen?
Im Grunde – auch wenn wir viel gelernt haben – unser B2C-Versuch. Wir haben fast 12 Monate lang den Product-Market-Fit gesucht. Das ist erstmal gar nicht so verkehrt und für viele Startups normal. Doch der Gruppenansatz mit dem dazugehörigen Business Modell ist an vielen Stellen nicht aufgegangen. Wenn man A versucht hat, ging B nicht mehr, wobei B eine wichtige Bedingung für A dargestellt hat. Das war der bestehende Grundtenor, der sowohl mich selbst als auch unser gesamtes Team immer wieder mal in den Wahnsinn getrieben hat.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Auf jeden Fall bei den Menschen, die heute unser Team darstellen. Jede:r einzelne ‘Likie’ & Psycholog:in ist mit voller Leidenschaft und Hingabe dabei. Das was uns alle vereint, ist die Vision möglichst vielen Menschen Zugang zu mentaler Gesundheit zu ermöglichen und somit zu einem besseren Leben für jeden Einzelnen beizutragen. Das erfüllt mich jeden Tag mit Freude. Ein zweiter Punkt ist definitiv unser Customer Service. Seit dem ersten Tag stellen wir unsere Nutzer:innen an erste Stelle. Gerade weil uns das Thema so wichtig ist und wir wissen, wie sensibel es für viele sein kann, ist es uns besonders wichtig, unseren Nutzer:innen jederzeit beiseite zu stehen. Wir möchten, dass sie die bestmögliche Erfahrung bei uns haben, sich jederzeit aufgehoben und willkommen fühlen und somit einen Safe Space erfahren, in dem sie wahrhaftig wachsen können. Und ich kann mit Stolz sagen, dass uns das bis hierher immer gelungen ist.<

Wo steht Likeminded in einem Jahr?
In einem Jahr wird sich unser Team und Pool an Psycholg:innen, mit einer neuen Finanzierungsrunde im Rücken, verdreifacht haben. Das Produkt wird der “beste Begleiter” für jede:n Einzelne:n und deren/dessen individuelle “Mental Health Journey” sein. Das heißt, wir optimieren die Empfehlungen hin zu personalisierten Journeys, sodass wir erstens sicherstellen, dass jede:r die Unterstützung und Hilfe erhält, den er/sie braucht und zweitens der Support möglichst effektiv ist, da wir Nutzer:innen klare Pläne an die Hand geben, was es ihnen erleichtert, Gelerntes in den Alltag zu integrieren und echte Verhaltensänderung zu bewirken. Wir werden so viele Menschen wie noch nie befähigen, ihre eigene Stärke zu realisieren und das Steuerrad ihres Lebens in die Hand zu nehmen. Wenn das mal keine guten Aussichten sind.

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Foto (oben): Likeminded

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.