#Interview

Ein Startup, das Klavierräume und Konzertsäle vermittelt

PianoMe-Gründer Rasim Heydarov baute seinen Buchungsdienst für Proberäume, Studios und Konzertsäle bisher ohne fremde Geldgeber auf. "Das war von Anfang an eine bewusste Entscheidung", sagt der Gründer aus dem Ruhrgebiet.
Ein Startup, das Klavierräume und Konzertsäle vermittelt
Mittwoch, 3. März 2021VonAlexander Hüsing

Über PianoMe können Künstler:innen Proberäume, Studios und Konzertsäle finden. “Das Inserieren ist momentan kostenlos. Genauso wie alle verfügbaren Funktionen. Nur für jede erfolgte Buchung erhält PianoMe eine Vermittlungsprovision”, sagt Gründer Rasim Heydarov. “Mittlerweile zählt die PianoMe-Familie bereits tausende Mitglieder. Das haben wir übrigens ohne nennenswerte Werbemaßnahmen geschafft”, führt der Gründer aus Essen fort.

Bisher baute der Ruhrgebietler PianoMe ohne fremde Kapitalgeber auf. “Das war von Anfang an eine bewusste Entscheidung! Denn das Konzept sowie die Idee mussten erst einmal getestet werden. Schwierig ist es natürlich vor allem wegen des eingeschränkten Kapitalvolumens und damit einher gehenden Wachstumsrestriktionen. Vor allem die geographische Abdeckung könnte viel schneller voranschreiten, wenn wir mehr Kapital zur Verfügung hätten”, sagt Heydarov.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der PianoMe-Macher außerdem über Konzepterweiterungen, Hörproben und das Ruhrgebiet als Gründer-Standort.

Wie würdest Du Deiner Großmutter PianoMe erklären?
PianoMe verbindet Künstler*innen mit den passenden Proberäumen, Studios sowie Konzertsälen.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Definitiv! Dabei hat uns die bereits stark gewachsene Community geholfen, denn die Veränderungen und Updates fanden auf Basis des Feedbacks der User*innen statt. Schließlich ist die Plattform ja für die Musiker*innen und Anbieter*innen da und deswegen sollen auch sie es sein, die PianoMe gestalten. Vielleicht ein paar Stichworte zu den stattgefundenen Veränderungen: Neben dem AirBnB-Gedanken ist auch die Reduzierung des administrativen Aufwandes auf beiden Seiten – gemeint sind sowohl Vermieter, als auch Mieter – im Zusammenhang mit der Raum-An sowie- Vermietung sehr stark in den Fokus des Konzeptes reingerutscht. Dies hatte unter anderen zur Folge, dass wir mit der Zeit nicht so auf die „Quantität“, sondern auch auf die Qualität der Partner geachtet haben. User-Erlebnis wird permanent weiter verbessert. Wir entwickeln uns nicht nur in die Tiefe sondern auch in die breite. Damit meine ich, dass PianoMe inzwischen nicht nur für Proberäume mit Klavieren und Flügeln steht, sondern auch für Proberäume aller Art, Studios sowie – kleinere – Konzertsäle. Weitere Konzepterweiterungen sind momentan entweder in Planung oder befinden sich bereits in der Implementierung. Ich kann bereits jetzt sagen, dass in der Zukunft das Wort „Video“ noch mehr an Bedeutung gewinnen wird.

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Das Inserieren ist momentan kostenlos. Genauso wie alle verfügbaren Funktionen. Nur für jede erfolgte Buchung erhält PianoMe eine Vermittlungsprovision, die übrigens im Marktvergleich – Airbnb & Co – weit unter dem Markt-Durchschnitt liegt. Diese deckt im Wesentlichen nur Kosten, die PianoMe selbst von Externen für die Transaktionsabwicklung in Rechnungen gestellt werden – Transaktionskosten, Finanzgebühren, etc.-, sowie die Umsatzsteuer. Der Rest fließt komplett wieder in das Projekt zurück. Es geht uns aktuell gar nicht darum, möglichst schnell Gewinne zu erzielen. Die Qualität der Plattform ist erstmal viel wichtiger. Wir möchten ein hochwertiges Produkt anbieten und die Services an die Wünsche der User*innen anpassen. Trotzdem denken wir auch über alternative Finanzierungsquellen nach, da wir noch einiges vorhaben. Im Moment nutzen wir aber die Zeit und konzentrieren uns auf die Weiterentwicklung der Plattform und werden zum gegebenen Zeitpunkt weitersehen.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Genauso, wie Du es sagst: Hart. Die Gesundheit unserer User ist aber uns am wichtigsten. Außerdem haben wir die Zeit genutzt, um neue Funktionen freizuschalten sowie die Plattform zu erneuern. Außerdem wurden Kapazitäten erweitert, Zahlungsabwicklung optimiert, der neue Video-Bereich gelauncht sowie weitere Ideen entwickelt, die sich bereits in der Implementierungsphase befinden. Der Wachstum hat sich natürlich in dieser Phase stark verlangsamt. Wir sehen aber optimistisch in die Zukunft.

Wie ist überhaupt die Idee zu PianoMe entstanden?
Durch Gespräche mit Musiker*innen sind wir auf die großen Herausforderungen gestoßen, die das Proben mit einem Instrument mit sich bringt. Viele Musiker*innen und Bands kennen das Problem, nicht genügend Möglichkeiten zum Proben zu haben. Nicht jedes Zuhause ist geeignet, um ein Instrument zu spielen und nicht immer ist die Qualität eines geliehenen Instrumentes gut. Oftmals sind Proberäume überlastet oder zu teuer. Wie soll man aber ein Instrument lernen oder das Spiel verbessern, ohne vernünftig zu proben? Nach einiger Recherche war klar: Zwar gab es einzelne Anzeigen-Portale, deren Angebot war aber enttäuschend. Einen Proberaum zu finden und zu mieten, war unnötig kompliziert – das Angebot war unübersichtlich, Anfragen mussten per Telefon gestellt werden, die Zahlungsabwicklung war nicht möglich und wenn gewisse Zahlungsansätze da waren, dann waren diese weder sicher noch transparent und es gab auch keine Bewertungen der Räume durch andere Musiker*innen, die geholfen hätten, sich ein realistisches Bild vom Proberaum zu machen. So war es von Anfang an das Ziel, eine Plattform zu schaffen, die wirklich etwas verändert, einen Mehrwert bietet und genau diejenigen Eigenschaften hat, die Musikschaffende und Anbietende brauchen. Hieraus ist beispielsweise die Idee entstanden, Anbieter*innen die Möglichkeit zu geben, Hörproben der Instrumente in ein Angebot zu integrieren. Musiker*innen können hierdurch schon vorab einen Eindruck vom Klang des Instruments im Proberaum erhalten. Es gab aber auch noch einen weiteren Aspekt, der eine sehr große Rolle für die Gründung der Plattform spielte: Das Angebot verfügbarer Proberäume war bis dato viel zu klein! Hier wollten wir ansetzen und haben uns auf die Suche nach ungenutzten Kapazitäten gemacht – und sind fündig geworden!

Nun einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist PianoMe inzwischen?
Mittlerweile zählt die PianoMe-Familie bereits tausende Mitglieder. Das haben wir übrigens ohne nennenswerte Werbemaßnahmen geschafft. Was unser Team angeht: Seit Beginn arbeiten wir als ein sehr kleines Team am Projekt, nicht zuletzt, um Kosten zu sparen, die wir sonst an unsere User*innen weitergeben müssten.

Du hast PianoMe bisher ohne Fremd-Finanzierungen und Kapitalgeber aufgebaut. War dies von Anfang an eine bewusste Entscheidung?
Das war in der Tat von Anfang an eine bewusste Entscheidung! Denn das Konzept sowie die Idee mussten erst einmal getestet werden. Dabei verlief der Start über mehrere Phasen verteilt: Nach den umfänglichen Recherchen, Designgedanken sowie der ersten Testphase, die im Herbst 2017 startete und bis Mai 2018 lief, fand der (Re-)Launch im Sommer desselben Jahres statt. Im Hintergrund wurde die Plattform kontinuierlich weiterentwickelt und ab August 2019 sichtbare Verbesserungen erhalten. Das Feedback war sehr positiv und die Entwicklung viel besser, als erwartet. Dies alles gab und gibt uns die Kraft sowie den Antrieb, weiter in die Entwicklung der Plattform zu investieren sowie für unsere Familienmitglieder da zu sein.

Wie war der Start ohne fremdes Geld – was geht recht einfach, was ist als Bootstrapping-Startup recht schwierig?
Nicht einfach, aber ohne Druck von außen, mit voller Entscheidungskontrolle und starker Kostendisziplin von Anfang an. Schwierig ist es natürlich vor allem wegen des eingeschränkten Kapitalvolumens und damit einher gehenden Wachstumsrestriktionen. Einen weiteren Vor- und gleichzeitig Nachteil, je nach Phase und Bedeutung, stellt die Tatsache dar, dass vieles in Eigenregie gemacht werden muss. Inzwischen wurden bereits einige Sachen, wie Buchhaltungs- und Steuerprozesse, ausgelagert. Auch bei der Entwicklung und Umsetzung von Marketingkampagnen arbeiten wir inzwischen vermehrt mit Externen zusammen. Mit dem Wachstum wachsen aber auch die Aufgaben sowie die Themenbereiche. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einigen Themen externe Unterstützung unabdingbar wird. Weder zeitlich, noch fachlich, kann ich alleine alles abdecken. Um die technische Umsetzung bzw. Entwicklung der Plattform kümmern sich von Anfang an IT-Profis. Bei rechtlichen Angelegenheiten verlassen wir uns von Anfang an auf unseren externen Berater. Ich muss aber unterstreichen, dass das Wort §Extern§ eher einen rechtlichen Charakter hat. Alle sind Teammitglieder und die Kooperation läuft wunderbar. Was zum Beispiel auch schwierig ist, die Zeiten, wie aktuell, ohne externer Unterstützung zu überbrücken. Wir hätten gerne auch viel mehr aus unserer Agenda umgesetzt. Einige Punkte werden aber höchstwahrscheinlich nun ein wenig länger dauern. Wir bewerten aber unsere Finanzierungsstrategie immer wieder neue und halten uns alle Optionen offen.

Gab es denn viele Dinge, die Du einfach nicht umsetzen konntest, weil das Geld fehlte?
In der Tat. Vor allem die geographische Abdeckung könnte viel schneller voranschreiten, wenn wir mehr Kapital zur Verfügung hätten. Wir erhalten immer noch Anfragen aus dem Ausland, können diese aber nur sehr begrenzt, wenn überhaupt, bedienen. Nach Abwägung aller Pros- und Kontras, ist uns die Qualität unseres Produktes viel viel viel wichtiger, als die Quantität der angebotenen Räume. Wenn alles stimmt, dann wird auch die geographische Expansion viel schneller voranschreiten.

Was rätst du anderen Gründer:innen, die sich für Bootstrapping entscheiden?
Die Entscheidung ist immer einzelfallabhängig. Jeder muss selbst unter Berücksichtigung vieler Faktoren eine Entscheidung für sich bzw. seine Idee oder sein Produkt treffen. Da gibt’s kein schwarz oder weiß.

Reden wir zudem noch kurz über das Ruhrgebiet. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für das Ruhrgebiet als Startup-Standort?
Die Musikkultur Essens ist so vielfältig wie die Stadt selbst. Nicht nur verfügt sie mit der Philharmonie über das größte Konzerthaus im Ruhrgebiet mit den im Jahr 2004 als „Bestes Opernorchester im deutschsprachigen Raum“ prämierten Essener Philharmonikern, sie kann auch mit einer lebendigen Jazz-Szene aufwarten, die internationale Größen einlädt. Zahlreiche Konzerte unterschiedlichster Genres ziehen jedes Jahr musikbegeisterte Besucher und Musiker in ihren Bann. So überrascht es nicht, dass nun auch PianoMe die Musik-Szene Essens bereichert.

Wo steht PianoMe in einem Jahr?
Wir arbeiten kontinuierlich an der Plattform. Dabei stehen wir immer mit unseren User*innen in Kontakt. Unser Ziel ist es, nicht nur die Suche nach einem Proberaum zu erleichtern, sondern auch beiden Seiten – Musikschaffenden und Anbietenden – möglichst viel administrativen Aufwand abzunehmen. Es sollte nicht nur ganz einfach und schnell gehen, einen geeigneten Proberaum zu finden oder anzubieten, sondern auch, den Buchungsprozess zu verwalten. Das klappt schon alles sehr gut, für die Zukunft haben wir aber noch weitere Verbesserungen, Funktionen, Services und sogar neue Produkte geplant. Außerdem werden wir unser Netzwerk von Kooperationen und Partner*innen weiter ausbauen. Vieles hängt auch von der Dauer der aktuellen Corona-Zeit ab, ich möchte aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht viel verraten!

Themenschwerpunkt Ruhrgebiet

#Ruhrgebiet: Gemeinsam mit dem ruhrHUB berichtet deutsche-startups.de regelmäßig über die Startup-Szene im Ruhrgebiet. Mit hunderten Startups, zahlreichen Gründerzentren und -initativen, diversen Investoren sowie dutzenden Startup-Events bietet das Ruhrgebiet ein spannendes Ökosystem für Digital-Gründer – mehr im Startup Guide Ruhrgebiet. Das Buch “Wann endlich grasen Einhörner an der Emscher” wiederum erzählt die spannendsten Startup- und Grown-Geschichten aus dem Ruhrgebiet.

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.