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richtiggutbewerben.de – wie viele Drogen-Witze verträgt ein Pitch?

Es versteht sich von selbst, dass Diskriminierung jeglicher Art in einem Pitch absolut tabu ist. Auch kritische oder schwierige Themen wie Politik oder Religion lässt man meistens besser sein - Drogen fallen übrigens auch durchaus in diese Sparte.
richtiggutbewerben.de – wie viele Drogen-Witze verträgt ein Pitch?
Dienstag, 15. September 2020VonRuth Cremer

Der Schock in den Gesichtern der Löwen war deutlich zu sehen, als Bilal Zafar mit den Worten “Unsere Margen sind bei unglaublichen 70 % – so hoch wie beim Drogenhandel” ein Tütchen mit weißem Pulver in die Höhe hielt. Mit Nico Rosberg hat er es sich so direkt verscherzt, doch am Ende gab es trotzdem einen Deal. Wie viel Witz und Provokation passt also in eine Investorenverhandlung?

Schließlich sieht man nicht nur in “Die Höhle der Löwen”, sondern z.B. auch bei vielen offiziellen Pitch-Wettbewerben immer wieder Startups, die kleine Späße und manchmal auch Provokationen effektvoll in ihre Präsentation eingebaut haben. Doch immer wieder geht das schief. Nach Bilals “Witz”, der gemeinsam mit seinem Bruder die Bewerbungsplattform richtiggutbewerben.de vorstellte, fühlte sich für Nico Rosberg jedenfalls alles falsch an und er stieg sofort aus.

Aber natürlich heißt das nicht, dass Gründer nie Witze oder Provokationen als Effekte nutzen dürfen. Im Gegenteil, gut genutzte Stilmittel dieser Art können die Aufmerksamkeit der Zuhörer verstärken. Sie können auch Emotionen wecken und damit die Informationen, die in diesem Zusammenhang übermittelt werden sollen, verstärkt in den Köpfen des Publikum verankern. Denn dass richtiggutbewerben eine Marge von 70% erreicht, vergisst nun so schnell wahrscheinlich kein Zuschauer mehr. Aber für viele war diese Provokation dann doch zu viel, denn im Fernsehen ein Tütchen mit weißem Pulver hochzuhalten, hat bestimmt nicht nur in Nico Rosberg eine ungutes Gefühl ausgelöst. Worauf also sollte man als Gründer achten, damit man nicht mehr Schaden als Nutzen anrichtet?

Zunächst einmal sollte man sich genau überlegen, welchen Effekt man mit dem Witz oder der Provokation erreichen möchte und diesen mit dem Publikum abgleichen, das man vermutlich haben wird. Daraus ergibt sich praktisch auch schon, dass man sich den Zeitpunkt ebenso gut überlegen sollte und diese Effekte vor allem auf den Pitch selbst konzentrieren sollte. Ein vorbereiteter Effekt in Frage-Antwort-Teil wirkt generell immer etwas künstlich und oft unpassend, im Pitch ist er wesentlich besser aufgehoben.

Dann sollte man natürlich angemessen für einen öffentlichen Rahmen bleiben. Je öffentlicher, desto kritischer sollte man hier sein. Drogen (oder deren Imitation) gehören also wie von Nico Rosberg bemerkt nicht ins Fernsehen, aber auch bei großen Events ist definitiv davon abzuraten. Es mag Ausnahmen geben, z.B. könnte Bilals Move bei Gründerevents mit recht jungem Publikum und explizit lockerer Atmosphäre gut ankommen, er bleibt aber auch dort ein Risiko.

Es versteht sich auch von selbst, dass Diskriminierung jeglicher Art absolut tabu ist. Auch kritische oder schwierige Themen wie Politik oder Religion lässt man meistens besser sein – Drogen fallen übrigens auch durchaus in diese Sparte.

Auch das “wie” kann natürlich erhebliche Unterschiede machen. Bei den meisten Pitches haben Gründer schließlich nicht die Möglichkeit eine kompletten Kulisse wie bei “Die Höhle der Löwen” aufzubauen. Dafür können aber meistens Präsentations-Slides gezeigt werden. Die reinen Bilder sind ein bisschen weniger plastisch, und daher oft nicht ganz so anstössig. Ein Bild von weißem Pulver und dazu nur eine Andeutung, dass 70% Marge in kaum einem legalem Geschäftszweig zu erreichen ist, würden daher wohl bei gleichem Effekt weniger Gegenwehr erzeugen.
Generell ist es bei Provokation sinnvoll, Dinge nur anzudeuten und nicht allzu deutlich auszusprechen. Alternativ kann man seine Zuhörer auch ein wenig in die irre führen und und eine Schock-Situation zunächst kreieren, dann aber auflösen, in dem man klar macht, dass man es ganz anders gemeint hat. Das sorgt – wenn es gut gemacht ist – oft für Lacher und gesteigerte Aufmerksamkeit, denn das Publikum fühlt sich so gewissermaßen “ertappt”.

Schließlich gibt es aber nur einen Weg, um herauszufinden, ob eine lustige Bemerkung oder einen absichtliche Provokation den gewünschten Effekt erzielen: testen! Mit einem Testpublikum, dem man vertraut, sollten Gründer ihren Pitch ohnehin üben, um vor einem wichtigen Auftritt so viele ehrliche Meinungen und Eindrücke zu sammeln wie möglich. Das gibt für den Ernstfall auch eine gewissen Sicherheit, den Effekt richtig platzieren und überbringen zu können.

Im Fall von richtiggutbewerben.de hätte solch ein rettender Filter dem als Drogen getarnten Zucker sicherlich noch rechtzeitig den passenden Kaffee gefunden.

Tipp: Alles über die Vox-Gründer-Show gibt es in unserer DHDL-Rubrik. Die jeweiligen Deals und Nicht-Deals gibt es hier: “Die Höhle der Löwen (8. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (7. Staffel)Die Höhle der Löwen” – Deals (6. Staffel)Die Höhle der Löwen” – Deals (5. Staffel), “Die Höhle der Löwen – Deals (4. Staffel)“, Die Höhle der Löwen – Deals (3. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen – Deals (2. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen – Deals (1. Staffel)“.

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Foto (oben):  TVNOW / Bernd-Michael Maurer

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und als Beraterin, Coach und Speaker tätig. Außerdem ist sie Hochschuldozentin im Bereich Unternehmertum und eCommerce. Die ehemalige Investment-Managerin kennt die Szene in- und auswendig und hilft Startups insbesondere dabei, Pitches vorzubereiten und Investment- sowie Akquisitionsprozesse zu meistern. Ruth Cremer ist bereits seit der fünften Staffel als externe Beraterin für das Format „Die Höhle der Löwen“ tätig und unterstützt die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten. Mehr zu ihr auch unter www.ruthcremer.de.