#Interview

Große Maschinen lassen sich jetzt digital begehen

Weare bringt Ingenieure in virtuellen Räumen zusammen. "Seit Sommer 2019 hat WeAre sein Beta-Stadium verlassen und ist heute bereits bei diversen namenhaften Industrieunternehmen im Einsatz", sagt Mitgründer Marvin Tekautschitz.
Große Maschinen lassen sich jetzt digital begehen
Dienstag, 30. Juni 2020VonAlexander Hüsing

Das junge Unternehmen Weare entwickelt virtuelle Konferenzräume. “Die Software von WeAre ermöglicht es Ingenieuren und deren Stakeholdern sich mittels einer Virtual Reality-Brille in einem virtuellen Raum zusammenfinden und in Echtzeit digitale Modelle von großen Maschinen gemeinsam zu besprechen, zu bearbeiten und zu begehen”, erklärt Mitgründer Marvin Tekautschitz das Konzept hinter WeAre.

Für das 2017 gegründete Unternehmen arbeiten inzwischen 15 Mitarbeiter. In den vergangenen Jahren flossen rund 3 Millionen Euro in die Jungfirma, die aus einem Projekt im Innovation Hub von innogy entstanden ist. “Aktuell planen wir eine Wachstumsrunde – Series A -, um von dem durch Corona drastisch gestiegenen Interesse zu profitieren und WeAre zum Marktführer für VR Engineering auszubauen, zusätzliche Märkte zu erschließen, sowie die Marke durchdringend bekannt zu machen”, sagt Tekautschitz.

Im Interview mit deutsche-startups spricht der WeAre-Macher, der das Startup gemeinsam mit Maximilian Noelle gegründet hat, außerdem über Krisen, Hypethemen und das Ruhrgebiet.

Wie würdest Du Deiner Großmutter WeAre erklären?
Die Software von WeAre ermöglicht es Ingenieuren und deren Stakeholdern sich mittels einer Virtual Reality-Brille in einem virtuellen Raum zusammenfinden und in Echtzeit digitale Modelle von großen Maschinen gemeinsam zu besprechen, zu bearbeiten und zu begehen. Somit wird die Kommunikation zwischen den Parteien einfacher, es werden Fehler vermieden und Entscheidungen schneller und besser getroffen.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Das grundsätzliche Konzept des Virtual Reality-Konferenzsystems von WeAre hat sich seit Beginn nicht verändert. Jedoch haben wir im Laufe der Zeit durch intensive Gespräche mit Entscheidern und Anwendern aus unterschiedlichsten Industriebereichen die Vision dessen, was WeAre werden soll und können muss, geschärft und im kontinuierlichen Austausch weiterentwickelt. Heute arbeiten wir partnerschaftlich mit unseren wichtigsten Kunden zusammen und teilen Einblicke in die Produkt-Roadmap um sicherzustellen, dass wir stets unseren Product-Market-Fit verbessern.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Da unsere Kernzielgruppe der Maschinenbau ist, haben wir sowohl positive als auch negative Auswirkungen gespürt. Die kurzfristige Unsicherheit, Unterbrechungen in der Arbeitsweise, Kurzarbeit und Investitionsstopps haben dazu geführt, dass einige Gespräche zunächst auf Eis gelegt wurden, bis die nötige Stabilität wieder vorhanden war. Im Gegenzug haben wir aber gleichzeitig ein enormes Interessen-Wachstum festgestellt. Viele Unternehmen haben aufgrund der Krise erkannt, dass ihre digitale Infrastruktur defizitär war und wollten und wollen dies nun besonders in Bezug auf digitale Arbeitsweisen nachhaltig ausbauen, um einen vergleichbaren Umstand in Zukunft besser begegnen zu können. Dies ist besonders wichtig beim Thema Remote-Arbeit, wo Lösung wie Teams oder Zoom zwar kurzfristig Abhilfe schaffen, langfristig aber nicht für Unternehmensbereiche wie der Produktentwicklung, dem Vertrieb oder dem Marketing tragbar oder praktikabel sind. In diesen Bereichen bietet sich VR als optimales Medium für die Zusammenarbeit und Abstimmung an, sowohl mit Kunden als auch mit Kollegen direkt am 3D CAD-Modell der jeweiligen Maschine.

Die Wurzeln von WeAre liegen im Ruhrgebiet. Wie und warum hat es euch nach Berlin verschlagen?
Nach Berlin hat es uns maßgeblich aus personellen Gründen verschlagen. Unser Entwicklungsteam im VR-Bereich verlangt eine sehr nischige und schwer zu findende Kombination an Skills, welche häufig bei Kandidaten aus dem Gaming-Bereich vorzufinden sind. Berlin bietet hier ein attraktives Umfeld um solche Kandidaten aufzufinden. Zudem kommen viele Talente auch aus dem Ausland für die Berlin attraktiver ist als das Ruhrgebiet.

In Bochum seid ihr aber auch weiter vor Ort?
Unser Standort in Bochum ist unser zweites Rückgrat – hier schlägt das zweite Herz von WeAre. Der Vertrieb sowie ein Teil des Marketing-Teams sind hier Zuhause. Gerade für den Vertrieb ist Bochum nach wie vor ein optimaler Standort, da die Industrie nach wie vor hauptsächlich im Westen und im Süden Deutschlands angesiedelt ist.

Wie ist überhaupt die Idee zu WeAre entstanden?
Bevor wir die Idee für WeAre entwickelt haben, hatten wir uns stark mit dem Bereich der Mobilität auseinandergesetzt. Dabei kam uns relativ schnell der Gedanke, dass wir, statt die Reise von A nach B zu optimieren, die Reise an sich lieber komplett unnötig machen wollen, indem wir neue Möglichkeiten für das dezentrale Arbeiten schaffen. Den Weg zum Engineering haben wir im Anschluss gefunden, als wir durch diverse Interviews und Live-Tests festgestellt haben, dass in der Industrie aufgrund der Komplexität der Inhalte der Schmerz am größten ist und VR gleichzeitig ein optimal abgestimmtes Medium für die gemeinsame Arbeit an 3D-Modellen darstellt.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Heute bieten wir die Software “WeAre Rooms” als SaaS-Modell an. Unsere Kunden kaufen bei uns sogenannte Enterprise- oder Floating-Lizenzen ein. Das heißt, der Kunde ist von Anfang an nicht dahingehend limitiert, wie viele Nutzer Zugang zu der Software bekommen können, sondern lediglich, wie viele Nutzer gleichzeitig in der VR arbeiten können. Entsprechend könnte man unser Geschäftsmodell als ein lizenzbasiertes Seat-Modell bezeichnen.

Wie hat sich WeAre seit der Gründung entwickelt?
Als wir im Oktober 2017 WeAre gegründet hatten, war unsere Software höchstens als MVP oder Demonstrator zu bezeichnen. Es gab nur eine rudimentäre Software, welche ein paar einfache Funktionalitäten aufgewiesen hat, die jedoch das Potential und das allgemeine Prinzip stark vermittelt haben. Damit sind wir dann durch die Industrie gezogen um zu verstehen, welche Funktionen und Requirements das fertige Produkt eines Tages erfüllen muss, um skalierbar und verkaufsfähig zu sein. Seit Sommer 2019 hat WeAre sein Beta-Stadium verlassen und ist heute bereits bei diversen namenhaften Industrieunternehmen im Einsatz.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist WeAre inzwischen?
WeAre wurde 2017 mit zwei Gründern und drei Mitarbeitern gestartet und ist seitdem auf ein insgesamt 15-köpfiges Team angewachsen. Zudem ist WeAre VC-finanziert und konnte bis heute bereits knapp 3 Millionen Euro an Risikokapital einsammeln. Aktuell planen wir eine Wachstumsrunde – Series A -, um von dem durch Corona drastisch gestiegenen Interesse zu profitieren und WeAre zum Marktführer für VR-Engineering auszubauen, zusätzliche Märkte zu erschließen, sowie die Marke durchdringend bekannt zu machen.

Wo steht WeAre in einem Jahr?
In einem Jahr wollen wir mit Hilfe des frischen Wachstumskapitals WeAre zu einem Haushaltsnamen in der deutschen Industrie entwickelt haben und beweisen, dass VR schon lange kein Zukunfts- oder Hypethema mehr ist, sondern eine Mehrwert schaffende Realität. Wir wollen, dass unsere Zielgruppe nicht mehr über VR nachdenken kann ohne an WeAre zu denken.

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Foto (oben): Weare

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.