#Interview

“Wir haben bereits fünf Millionen Tickets für Reisen innerhalb Deutschlands verkauft”

Das Einhorn Omio dreht gerade erst richtig auf. "Heute sind wir in mehr als 35 Märkten in Europa, den USA und Kanada verfügbar und beschäftigen mehr als 400 Mitarbeiter an fünf Standorten", sagt Gründer Naren Shaam, der das Startup 2012 gegründet hat.
“Wir haben bereits fünf Millionen Tickets für Reisen innerhalb Deutschlands verkauft”
Donnerstag, 6. Februar 2020VonAlexander Hüsing

Das junge Travel-Startup Omio gehört zu den ganz großen Wetten in der Berliner Startup-Szene. In den vergangenen Jahren pumpten Invesoren fast 300 Millionen Dollar in das Unternehmen, das früher als GoEuro bekannt war. “Wir haben uns in vielerlei Hinsicht entwickelt. Wir sind vor sechs Jahren mit gerade einmal fünf bis zehn Mitarbeitern gestartet, und es hat ein Jahr gedauert, bis wir unsere ersten Partner an Bord hatten. Heute haben wir mehr als 800 Partner in mehr als 35 Märkten, inklusive Nordamerika”, erzählt Gründer Naren Shaam.

Inzwischen wirken 400 Mitarbeter für die Reiseplattform über die Nutzer Bahn-, Bus- sowie Flugtickets vergleichen und auch buchen können. “Unser Team ist hoch-divers aufgestellt entlang aller Dimensionen. Wir vereinen mehr als 50 verschiedene Nationen in unserem Team und allein unser Tech-Team stellt ca. zwei Drittel des Teams”, sagt Shaam. Derzeit versucht das junge Unternehmen in den USA Fuß zu fassen. “Die USA und Kanada werden natürlich stark von der Auto- und Flugzeugnutzung dominiert. Aber es gibt aus unserer Sicht zwei Trends, die uns beim Markteintritt begleiten: Erstens sehen wir den Wunsch der Menschen, nachhaltiger zu reisen, egal wo. Zweitens erlauben digitale Plattformen mittlerweile Transparenz und Übersicht der verschiedenen Verbindungen zwischen Städten zu ermöglichen. Beides können wir mit Omio aktiv unterstützen. Der amerikanische Markt für Bodentransporte ist bereits 8 Milliarden Euro groß und wir sehen hier deutliches Wachstumspotenzial für bewusste, und ressourcenschonende Reisewege.”

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Omio-Gründer Shaam außerdem über Markenbildung, Misserfolge und Nachhaltigkeit.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Omio erklären?
Stell dir vor, du bist irgendwo in Europa auf Reisen und möchtest eine Reise von einer Stadt zur nächsten buchen. Entsprechend kennst du weder die Anbieter, die beste Route oder den besten Preis. Wenn Du im Ausland bist, verstehst du zudem nicht die Sprache. Omio hat einen digitalen Assistenten entwickelt der mit Transportanbietern auf der ganzen Welt kooperiert und es dir ermöglicht, in wenigen Schritten alle Transportmittel zu vergleichen und ein Ticket für die Reise quasi “von Tür zu Tür” zu buchen – ohne Bargeld, ohne dass ein gedrucktes Ticket oder gar das Anstehen an einem Ticketschalter notwendig sind.

Hat sich euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Unser ultimatives Ziel ist es, das Reisen weltweit zu vereinfachen und die Angebote aller Transportanbieter über eine App miteinandern zu verbinden. Auf diesem Weg gab es zwei wichtige Meilensteine: Erstens die Entwicklung unserer Metasearch- zur Buchungsplattform. Zweitens kam der Shift zu Mobile First, der dazu geführt hat, dass der Großteil unserer Nutzer unsere App für iOS und Android verwenden. Gerade befinden wir uns in der dritten Phase, in der wir das Produkt schrittweise weltweit ausrollen. Parallel hat die Übernahme der weltweiten Plattform Rome2rio aus Australien im letzten Jahr noch mehr Kompetenz im Bereich “von Tür zu Tür”-Reiseplanung in unser Unternehmen gebracht.

Wie ist überhaupt die Idee zu Omio entstanden?
2010 bin ich selbst als Backpacker durch Europa gereist und merkte, wie kompliziert es war, diesen Kontinent zu erkunden. Um durch mehrere europäische Länder zu reisen, musste ich viele Webseiten durchsuchen und Routen erkunden in mir unbekannten Sprachen, um die schnellste und günstigste Verbindung zu finden. Schließlich verbrachte ich mit der Planung meines Europa-Trips fast genauso viel Zeit wie mit der Reise selbst. Während in vielen Branchen die Digitalisierung viele Vorteile für Nutzer geschafft hat, war die Reisebranche immer noch sehr wenig auf Nutzer ausgerichtet und fragmentiert. Nach dieser Erfahrung beschloss ich 2012 meinen Job in New York zu kündigen und GoEuro zu gründen. Dafür zog ich ins Herzen Europas, nach Berlin. Die Möglichkeiten der hier aufkommenden Tech- und Start-up-Szene halfen mir dabei, meine Idee zu einer zentralen Plattform für individuelle Reisebuchungen weiterzuentwickeln und mit einem tollen Team zu realisieren.

Vor einem Jahr habt ihr euch den Namen Omio zugelegt. Hat sich durch den Wegfall der Marke GoEuro was besonders geändert?
Natürlich bedeutete die Namensänderung eine Umgewöhnung für die Nutzer. Sie war aber ein unausweichlicher Schritt, um unsere globale Expansion umzusetzen. Das Produkt selber hat sich durch die Änderung allerdings nicht geändert, für mich war das Produkt auch schon immer eine globale Idee.

Inzwischen seid ihr auch in den USA unterwegs. Wie anders tickt der Markt drüben?
Die USA und Kanada werden natürlich stark von der Auto- und Flugzeugnutzung dominiert. Aber es gibt aus unserer Sicht zwei Trends, die uns beim Markteintritt begleiten: Erstens sehen wir den Wunsch der Menschen, nachhaltiger zu reisen, egal wo. Zweitens erlauben digitale Plattformen mittlerweile Transparenz und Übersicht der verschiedenen Verbindungen zwischen Städten zu ermöglichen. Beides können wir mit Omio aktiv unterstützen. Der amerikanische Markt für Bodentransporte ist bereits 8 Milliarden Euro groß und wir sehen hier deutliches Wachstumspotenzial für bewusste, und ressourcenschonende Reisewege.

Welche Rolle spielt eigentlich der deutsche Markt für euch? Irgendwie habe ich hierzulande noch nie jemanden getroffen, der euch nutzt.
Oh, das überrascht mich aber! Dann solltest du mal das Reiseverhalten deiner Bekannten hinterfragen! Bis heute haben wir bereits mehr als fünf Millionen Tickets für Reisen innerhalb Deutschlands verkauft, und es gibt viele Deutsche, die in andere europäische Länder mit Omio reisen. Deutschland ist also ein wichtiger Markt für uns. In Sachen Markenbildung stehen wir aber bei Omio nach einem Jahr immer noch am Anfang.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
In der Regel vereinbaren wir Provisionen mit den jeweiligen Transportpartnern. Wir wollen für unsere Partner der absolut beliebteste Verkäufer von Tickets sein, da wir einen Zugang zu Menschen aus der ganzen Welt ermöglichen.

Wie hat sich Omio denn seit der Gründung genau entwickelt?
Wir haben uns in vielerlei Hinsicht entwickelt. Wir sind vor sechs Jahren mit gerade einmal fünf bis zehn Mitarbeitern gestartet, und es hat ein Jahr gedauert, bis wir unsere ersten Partner, die Deutsche Bahn und UK Rail, an Bord hatten. Heute haben wir mehr als 800 Partner in mehr als 35 Märkten, inklusive Nordamerika. Und wir bieten nicht nur Tickets für Bus, Bahn und Flüge an, sondern auch für Fähren. Wir sind in der Zeit vom Co-Working Team zum 400-Mitarbeiter Team in Berlin gewachsen. Es macht unfassbar viel Spaß, diese Dynamik jeden Tag mitzuerleben. Unser Team ist hoch-divers aufgestellt entlang aller Dimensionen. Wir vereinen mehr als 50 verschiedene Nationen in unserem Team und allein unser Tech-Team stellt ca. zwei Drittel des Teams. Unser Tech-Team baut eine einzigartige Plattform, um weltweit Transportanbieter bestmöglich anzubinden und unterstützt unsere Partner dabei auch, technisch bestmöglich angebunden zu sein.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Omio inzwischen?
Heute sind wir in mehr als 35 Märkten in Europa, den USA und Kanada verfügbar und beschäftigen mehr als 400 Mitarbeiter an fünf Standorten. Unsere bisherigen Finanzierungsrunden in denen wir etwas weniger als 300 Millionen Euro eingesammelt haben, helfen uns dabei weiter zu wachsen.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Erfolg und Misserfolg sind in Startups, wie in allen Unternehmen, zwei Seiten einer Medaille. Wir haben viele Dinge schlecht umgesetzt, zum Beispiel bei der Einführung von neuen Produkten oder bei der zu späten Investition in unsere Backend-Infrastruktur. In beiden Fällen mussten wir mehrmals nachbessern. Bei Omio zählt letztendlich was wir aus unseren Fehlern lernen und das wir weitermachen!

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir würden niemals behaupten, immer alles richtig gemacht zu haben. Lernen hat bei uns die oberste Priorität. Aber wir haben einige Dinge gut gemacht. Zum Beispiel unsere Verlagerung auf End-to-End-Transaktionen, einschließlich des Ticketverkaufs und der Erfahrung danach. Das hat sich in Bezug auf die Geschäftszahlen und die Zufriedenheit der Nutzer ausgezahlt. Ein zweites erfolgreiches Beispiel ist der Shift zu Mobile First, der uns vor einigen Jahren dazu veranlasst hat die gesamte Unternehmensorganisationen neu zu gestalten und Nutzern ein nahtloses Buchungserlebnis bietet, das den Bahnhofsschalter ablöst.

Wo steht Omio in einem Jahr?
Für 2020 haben wir uns einiges vorgenommen: Rome2rio und Omio werden enger zusammenarbeiten und die Nutzererfahrung für das Entdecken und Buchen von Bahn-, Bus und Flugverbindungen noch nahtloser gestalten. Überhaupt: Die Reisebuchung von Ort zu Ort und die Kombination mehrerer Reisemodi gewinnt in vielen Teilen Europas an Bedeutung und zeigt wie wir in Zukunft reisen. Unser Fähren-Angebot, das besonders in den Sommermonaten sehr nachgefragt ist, werden wir zunehmend um weitere Routen und Märkte ausbauen. Ein wichtiges Thema beim Reisen heute ist außerdem Nachhaltigkeit: Omio wird Nutzern in Zukunft mehr relevante Informationen liefern, damit sie bewusste Entscheidungen treffen können. Zusätzlich werden wir weiter innovative Lösungen für Verbraucher vorantreiben, wie ein einheitliches Tarif- bzw. Klassensystem. Das können die etablierten Transportanbieter bisher nicht bieten.

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): Omio

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.