#Interview

“Das Ruhrgebiet muss endlich seinen Kohlenstaub ablegen”

Der überzeugte Wahldortmunder Florian Kruse gründet 2016 Point 8, ein „Data Science as a Service“ Startup. Mittlerweile sei der Umsatz so hoch, dass es "für 13 Leute und Wachstum ohne Investoren reicht", so Florian Kruse, Geschäftsführer von Point 8.
“Das Ruhrgebiet muss endlich seinen Kohlenstaub ablegen”
Donnerstag, 14. Februar 2019VonSümeyye Algan

Als promovierter Teilchenphysiker der TU Dortmund, gründete Florian Kruse gemeinsam mit Tobias Brambach und Christophe Cauet 2016 das Dortmunder Startup Point 8. Zunächst ohne einen Investor oder ein Produkt, sondern mit einer Dienstleistung. Mit Point 8 helfen die Ruhrgebietler großen und kleinen Unternehmen beim schwierigen Weg in die Digitalisierung.”Wir bringen Big Data Know-how vom CERN in die Wirtschaft und unterstützen Unternehmen und Organisationen mit Datenanalyse, Machine Learning und Simulationen”, teilen die Gründer des Startups zu ihrer Idee mit. Aktuell beschäftigt das Unternehmen 13 Mitarbeiter. Was genau das Ruhrgebiet als Gründungsort hergibt und an welchen Stellschrauben vielleicht noch gedreht werden müsste, haben wir Florian Kruse von Point 8 gefragt.

Reden wir über das Ruhrgebiet. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für das Ruhrgebiet als Startup-Standort?
Im Ruhrgebiet herrscht eine bodenständige Anpackermentalität. Startups wollen und müssen hier durch Leistung und Substanz überzeugen, Hype und Buzzwords ziehen weniger. Der Fokus liegt stark auf B2B und Industrie. Durch diese thematische Fokussierung ist man hier viel näher an anderen passenden Startups, es bilden sich Partnerschaften und Allianzen, Austausch ist elementar.

Was genau macht den Reiz der Startup-Szene in Dortmund aus?
Dortmund erzeugt außerhalb des Ruhrgebiets leider noch immer das nostalgische Bild von Kohlenstaub und rauchenden Schloten. Tatsächlich ist die Stadt längst ein Standort für IT, Dienstleistung und Hochtechnologie, den man nicht unterschätzen sollte. In dieser Diskrepanz zu leben und Außenstehenden jeden Tag aufs Neue zu beweisen, dass das „alte“ Ruhrgebiet schon lange Geschichte ist, macht einen Teil des Reizes aus.

Was ist in Dortmund einfacher als im Rest der Republik?
Auf kleinem Fuß mit wenig Kapital zu gründen. Die Mieten in Dortmund sind günstig und die Lebenshaltungskosten gering. Man kann einfach mal anfangen und ausprobieren und ist nicht schon für die ersten Schritte auf einen finanzstarken Investor angewiesen, der das Unternehmen womöglich direkt in eine bestimmte Richtung beeinflussen möchte. Aufgrund der zahlreichen guten Hochschulen im Umkreis stehen außerdem viele erstklassige Absolventen als potentielle Mitarbeiter zur Verfügung. Weiterhin sind mit vielen Mittelständlern und Konzernen potentielle Kunden und Partner direkt vor der Haustür.

Was fehlt in Dortmund noch?
Eine größere Bereitschaft des lokalen Mittelstands, sich den Startups zu öffnen. Die großen Konzerne sind da schon weiter und bilden Allianzen mit Startups. Den mittelständischen Unternehmen in der Region droht gerade, sich in Sachen der Digitalisierung abhängen zu lassen, obwohl die passenden Partner dafür schon vor Ort sind.

Zum Schluss hast Du hast drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Ruhrgebiet?
Als Erstes mehr Innovationsbereitschaft des Mittelstands, dann noch mehr Vernetzung unter den Startups und vor allem, dass das Ruhrgebiet auch in der Außenwahrnehmung endlich den Kohlenstaub abschütteln kann.

Der digitale Pott kocht – #Ruhrgebiet


Mit hunderten Startups, zahlreichen Gründerzentren und -initativen, diversen Investoren sowie dutzenden Startup-Events bietet das Ruhrgebiet ein spannendes Ökosystem für Gründer. ds, die Gründerallianz Ruhr und der ruhr:HUB berichten gemeinsam über die Digitalaktivitäten im Revier.

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Foto (oben): Point 8

Sümeyye Algan

Sümeyye Algan, Redakteurin bei deutsche-startups.de, mit Blick aufs Ruhrgebiet, seine Geschichten und Persönlichkeiten. Nach zwei Praktika bei der WELT in Berlin und dem WDR in Essen, arbeitete sie u.a. für den WDR und als freie Autorin für Informer Online.