Matthias Dill im VC-Interview

“Ein Businessplan ist nie die exakte Realität”

"Ein Start-Up geht immer durch gute und schlechte Phasen, das ist ganz normal. Wir gehen durch diese Phasen immer gemeinsam in enger Abstimmung mit den Gründern", sagt Matthias Dill von Statkraft Ventures im VC-Interview mit deutsche-startups.de.
“Ein Businessplan ist nie die exakte Realität”
Montag, 10. April 2017VonAlexander Hüsing

2015 ging Statkraft Ventures, ein Ableger des Energieerzeugers Statkraft, an den Start. Bis zu 10 Millionen Euro will der Corporate-VC pro Jahr in energienahe Unternehmen investieren. Im Portfolio des Kapitalgebers sind Unternehmen wie DEPsys, Greenbird und tado. Im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht Managing Director Matthias Dill über Risiken, Sparringspartner und Einschätzungen.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Geld an sich ist langweilig. Aber in Verbindung mit dem Venture Capital-Modell ist es ein sehr starkes Werkzeug, um positiven Einfluss auf die Zukunft zu nehmen. Oder anders gesagt: Geld wird erst durch außergewöhnliche Unternehmer wirksam. Wir als Venture-Investoren sind hier der Katalysator, der beide Elemente zusammen bringt. Das ist natürlich eine sehr inspirierende und motivierende Rolle.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Nein, unwohl nicht. Aber es ist eine große Verantwortung und ein Vertrauensvorschuss, weil wir das Geld von dritten Parteien verwalten. Viele Risiken eliminieren wir durch sorgfältige Prozesse und Kontrollen, aber beim Kern unseres Geschäfts, nämlich der Auswahl geeigneter Start-Ups bleibt ein systematisches Risiko. Eben weil Start-Ups Dinge realisieren wollen, für die es noch keine Beispiele gibt, ist der Erfolg natürlich nicht exakt vorhersagbar. Aber bei all diesen Risiken sind wir sehr ruhig und zuversichtlich, weil eben genau das gezielte und bewusste Eingehen dieser Risiken es ermöglicht, extrem profitable Investments im Portfolio zu haben. Damit können wir in der Gesamtschau des Portfolios gute Renditen erwirtschaften.

Was sollte jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Unser grundsätzliches Geschäftsmodell ist dasselbe wie bei allen professionellen Venture Capital-Investoren: früh erfolgsversprechende Start-Ups identifizieren, Geld für das Wachstum zu Verfügung zu stellen, beim Wachstum ein wertvoller Sparringspartner sein und dann gemeinsam mit den Gründern das Unternehmen so teuer wie möglich zu verkaufen. Das klingt einfach ist in der Praxis aber natürlich ein extrem komplexer Prozess. Wir sehen, dass wir auf allen Stufen dieser Wertschöpfungskette einen systematischen Vorteil durch unseren Fokus auf den Energiesektor und angrenzende Bereiche haben. In der Praxis heißt das zum Beispiel, dass Start-ups uns beim Pitch nicht erst lange erklären müssen, warum ihr Thema relevant ist. Im Gegenteil: oft sprechen wir Gründer proaktiv an, weil wir die Hypothese haben das ein ganz spezielles Segment zurzeit ein ideales Feld für Start-Ups ist. In der täglichen Zusammenarbeit hilft es natürlich auch sehr, dass wir viele Marktteilnehmer kennen und Start-Ups gute Intros zu Kunden oder Partnern machen können. Darüber hinaus ist es wichtig, uns auf dem Spektrum der unterschiedlichen Venture Capital Funds richtig einzuordnen. Wie unser Name ja schon nahelegt, sind wir von Statkraft finanziert und insofern ein Corporate Venture Capital Fund, aber wir finanzieren im selben Modell wie unabhängige Fonds, ohne irgendwelche Sonderrechte für den Konzern der hinter uns steht. Trotzdem konnten wir in der Vergangenheit für über 200 Start-Ups einen Nutzen stiften, in dem wir Sie mit Statkraft in Kontakt und ins Geschäft gebracht haben. Beispiele dafür sind Vertriebspartnerschaften, Lieferantenbeziehungen, gemeinsame Projekte oder manchmal auch nur eine gegenseitiges Sparring. Der dritte wichtige Punkt ist, dass wir den Energiesektor sehr breit definieren. Das macht auch Sinn, weil viele Veränderungsprozesse in der Energiewelt von angrenzenden Technologiefeldern getrieben werden. Insbesondere sehen wir große Relevanz und spannende Start-Ups in den Bereichen IoT – Industry 4.0, Analytics, Automation, IT Security, Elektromobilität, Smart Cities, Smart Home und Plattformen. Im Zweifel kann uns aber jeder Gründer einfach ansprechen und wir können gemeinsam schauen, ob das Thema zu uns passt.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Start-up investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Alles wofür wir Daten haben oder entwickeln können, muss natürlich datenbasiert entschieden werden. Und das ist eine ganze Menge Fleißarbeit. Zusätzlich bauen wir auf die Erfahrung von erfolgreichen Unternehmern aus unserem Netzwerk auf, diese Einschätzungen sind übrigens auch oft für die Start-Ups wertvoll. Aber bei einem sehr wichtigen Thema, nämlich dem Vertrauen zwischen uns und dem Gründer gibt es keine vollständig datenbasierte Entscheidungsfindung. Da ist dann die Erfahrung aus Duzenden Deals wertvoll. Mit dem Vertrauensvorschuss in unsere Gründer haben wir bisher immer gute Erfahrungen gemacht.

Was sollten Gründer vor Investoren niemals sagen oder machen?
Beide Seiten sollten niemals Vertrauen missbrauchen oder unaufrichtig sein. Mit allem anderen können wir umgehen.

Was ist wichtiger: Das Team oder die Idee?
An einer guten und sauber ausgearbeiteten Idee kann man ein gutes Team erkennen. Unsere Erfahrung ist, dass sich die Idee im Laufe des Lebenszyklus eines Start-Ups oft verändert oder verändern muss. Daher ist es für uns wichtig, eine besondere Art von Unternehmer-Teams zu finden: Sie müssen mit extrem viel Energie an der Umsetzung ihrer Idee arbeiten und gleichzeitig dafür sensibel bleiben, wann die Idee angepasst werden muss. Und gerade diese Anpassungssituationen, etwa auf ein neues Erlösmodell oder eine neue Produktausrichtung erfordern extrem viel Umsetzungsstärke.

Wie wichtig und bindend ist ein Businessplan?
Ein Businessplan ist schon wichtig; aber vor allem als ein Tool für die Gründer. Mit einem guten Plan kann man die grundlegenden Treiber eines Geschäftsmodells identifizieren und man ist gezwungen, die Daten für die Annahmen sorgfältig zu recherchieren. Aber natürlich ist ein Businessplan nie die exakte Realität, das wissen wohl alle Investoren und Gründer.

Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Ein Start-Up geht immer durch gute und schlechte Phasen, das ist ganz normal. Wir gehen durch diese Phasen immer gemeinsam in enger Abstimmung mit den Gründern. Unsere Aufgabe ist es herauszufinden, ob etwas Fundamentales nicht funktioniert und auch nicht mehr repariert werden kann, in so einem Fall muss man dann die Finanzierung abbrechen.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.