Interview

Facebook at work kommt – und holt Social Intranets in den Mainstream

Facebook geht mit einer Anwendung für Unternehmen in die geschlossene Beta: Facebook at work ist eine Social Collaboration-Software für die unternehmensinterne Kommunikation. Was ändert sich dadurch für das Marktsegment der Social Intranets? Ein Interview mit Nikolai Shulgin, Bitrix24.
Facebook at work kommt – und holt Social Intranets in den Mainstream
Dienstag, 20. Januar 2015VonElke Fleing

Viele Unternehmer setzen sich – zwangsläufig – immer wieder damit auseinander, wie die firmeninterne Kommunikation optimiert werden kann, damit alle produktiver und effizienter arbeiten.

Was wird nicht alles getan, um

  • höhere Produktivität und Effizienz im betrieblichen Miteinander zu erreichen,
  • die Motivation der Mitarbeiter zu steigern und
  • ihren kollegialen konstruktiven Umgang miteinander zu fördern,
  • effiziente aber menschenwürdige Kontrollmechanismen über die Arbeit Untergebener zu entwickeln und
  • die Arbeitsprozesse verschiedener Abteilungen besser miteinander zu verzahnen, um aus geschäftsschädigendem Silo-Denken herauszukommen.

Bei ihren Überlegungen und Maßnahmen zur firmeninternen Kommunikation und der Zusammenarbeit untereinander bewegen sich viele Unternehmer aber immer noch in altbekannten Strukturen und Tools: Reglementierte Kommunikation via E-Mail, ständige Echtzeit-Meetings, händische Reports der Mitarbeiter für alles und jedes, zig verschiedene Softwares.

Und jetzt also kommt Facebook at work

Seit 14. Januar 2015 ist es offiziell: Facebook will in die interne Office-Kommunikation einsteigen. Facebook at work soll eine – kostenpflichtige – Plattform für interne Unternehmenskommunikation werden. In einem geschützten Netzwerk werden sich Mitarbeiter austauschen können: Über anstehende Termine, laufende Projekte oder wichtige Dokumente.

Ab sofort befindet sich Facebook at work in der Betaphase und kann von einigen handverlesenen Unternehmen getestet werden. Preise sind noch nicht zu erfahren und auch keine weiteren Einzelheiten oder gar Termine, wann der Dienst öffentlich ausgerollt wird.

Und was bedeutet das für den gesamten Markt der Social Intranets?

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Ein Interview mit Nikolai Shulgin, Bitrix24 Regional Director D-A-CH:

Alle reden von Facebook at work, was soll das eigentlich werden?
Es ist ein Social Network das innerhalb des Unternehmens eingesetzt wird. Quasi ein firmeneigenes Facebook für intern.

Internes Facebook? Und wozu soll das gut sein?
Um die interne Kommunikation zu verbessern. Wer heute Skype oder ein ähnliches Tool für die interne Kommunikation verwendet, gilt schon als ziemlich fortschrittlich.

Aber in den meisten Unternehmen wird immer noch hauptsächlich per E-Mail kommuniziert. Das betrifft aus meiner Erfahrung sowohl die klassischen KMUs, als auch viele hippe Startups. Wenn man aber bedenkt, dass dieses Werkzeug schon fast 30 Jahre alt ist… Das geht inzwischen besser.

Facebook will also den Markt für die interne Kommunikation revolutionieren?
Naja, eine Revolution ist es nicht gerade. Es gibt einige etablierten Hersteller, wie bespielsweise Yammer oder uns, Bitrix24, die bereits seit einigen Jahren Enterprise Social Networks (ESN), auch Social Intranets genannt, anbieten.

Ein ESN ist ein internes soziales Netzwerk, das ähnlich aufgebaut ist wie Facebook, XING und Co. und bietet ganz besonders den Digital Natives eine gewohnte Umgebung für die interne Kommunikation und Collaboration. Der Markt für ESN ist inzwischen recht groß, allein in Deutschland wurden 2013 stolze 1,2 Milliarden Euro umgesetzt. Nach Meinung von Experten sollen es 2019 etwa 7,8 Milliarden Euro sein. Das bedeutet ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 36 Prozent.

Und Facebook will ein Stück von diesem Kuchen?
Ja, Facebook bringt jetzt ordentlich Schwung in unsere Social Business-Bude.

Man erfährt ja noch kaum Details über Facebook at work. Aber könnte es qualitativ das Zeug zum Standardtool für Social Collaboration haben?
Facebook hat enorme finanzielle Mittel und damit alle Zeit der Welt, Testphasen zu durchlaufen und das Produkt zu verbessern. Darüber hinaus hat das Unternehmen den Vorteil, enorme Ressourcen in die technische Entwicklung investieren zu können. Potentielle Kunden dürften sich also im Lauf der Zeit auf ein immer weiter technisch ausgereiftes, gut durchdachtes und damit effizientes Produkt freuen.

All diese Testphasen liegen aber schon hinter uns – und hinter unseren Kunden. Bitrix24 zum Beispiel gibt es April 2012, den Vorläufer Bitrix Intranet als erste Intranet-Software überhaupt seit 2009. Wir haben bereits über 300.000 Kunden, mit denen und für die wir das Produkt kontinuierlich verbessert und an ihre Bedürfnisse angepasst haben. Das ist ein nicht zu unterschätzender zeitlicher Vorsprung, der unseren Kunden viele Bugs und Testphasen erspart.

Facebook hat eine riesige Reichweite. Ist das nicht ein großer Nachteil für die etablierten Anbieter?
Es stimmt, etwa 30 Millionen Menschen in Deutschland nutzen Facebook. Und damit auch ein nicht unerheblicher Teil der Erwerbstätigen. Neben seiner Reichweite ist ein zusätzlicher Vorteil für Facebook, dass der neue Business-Ableger wohl in gleichem Design erscheinen wird wie Facebook selbst. So sind viele potentielle Kunden bereits routiniert im Umgang mit der Plattform. Dadurch werden bei der Einarbeitung wohl kaum Probleme auftreten, kann Facebook at Work sanft und ohne das übliche Chaos in den Arbeitsalltag eingeführt werden. Das dürfte die Hemmschwelle, sich für das Netzwerk zu entscheiden, senken.

Aber genau die große Reichweite von Facebook ist der große Vorteil für uns bei Bitrix24: Facebook wird das Thema der internen Social Networks massentauglich machen. Bis jetzt haben wir als Social Software-Hersteller nur diejenigen Firmen abgeholt, die sich mit dem Thema ‘Social Communication ohne E-Mail’ bereits beschäftigt haben.

Jetzt aber wird der Markt um vieles größer. Für uns als Software-Hersteller gilt es, die durch Facebook at Work ‘vorgewärmten’ Interessenten abzuholen und von unserem Tool zu überzeugen.

Denn Facebook at Work birgt viele Nachteile, die für deutsche Unternehmen Ausschlusskriterien sein werden.

Welche Nachteile hat denn Facebook gegenüber den Tools der etablierten Anbieter?
Die wichtigsten Bedenken der Unternehmen gegenüber Facebook gelten gewiss der Datensicherheit. Nicht nur, dass Facebook at Work ein Cloud-Dienst sein wird, denen Sicherheitsbewusste sowieso skeptisch gegenüberstehen.

Aber speziell Facebook hat sich über die Zeit mehrfacher und heftiger Kritik aussetzen müssen. Es versucht nicht nur, über ausländische Organisationsstrukturen Datenschutzrichtlinien zu umgehen, sondern ist in der Vergangenheit des Öfteren wegen Sicherheitspannen aufgefallen: Facebook-Anwendungen reichen unerlaubt Nutzerdaten weiter , Facebook durchsucht Chat-Protokolle… So werden potentielle Kunden besorgt sein, dass sensible Daten nach außen dringen könnten.

Auch die Angst vor dem Verlust wichtiger Daten dürfte Unternehmen in Sachen Facebook at work umtreiben. Denn Facebook ist in der Vergangenheit öfter damit aufgefallen, versehentlich oder wegen technischer Probleme, etwa fehlerhafter Algorithmen, Inhalte gelöscht zu haben. Mit dieser Art von Datenverlust wird Facebook at work die Unternehmen nicht langfristig halten können.

Das sind tatsächlich schwerwiegende mögliche Bedenken. Gibt es sonst noch Gründe, die gegen eine Akzeptanz von Facebook at work bei Unternehmen sprechen könnten?
Ja, wenn Facebook at work genau solch einen schlechten Support bietet wie Facebook: Facebook sitzt in den USA und überlässt den Nutzer oft gern dem ‘Fragen und Antworten’-Bereich. Kontaktmöglichkeiten sucht man vergebens. Unternehmen werden hier höhere Anforderungen stellen – eben so, wie sie es von spezialisierten Anbietern gewohnt sind. Dem ist Facebook bisher nicht nachgekommen.

Und dann ist da noch der Ruf Facebooks bei den Unternehmern, eine Effizienz- und Produktivitätsbremse par Excellence zu sein. Etwa die Hälfte der befragten Unternehmen sperren laut Expertenschätzungen und Umfragen Facebook für ihre Mitarbeiter, weil schwerlich unterschieden werden kann, welche Aktivitäten privater und welche geschäftlicher Natur ist sind.

Letzte Frage: Das Webmagazin schreibt zum Thema Facebook at work: “Die neue Anwendung soll Collaboration-Tools wie Bitrix, Slack oder Yammer ersetzen.” Wird Facebook at work eine Bedrohung für Euch darstellen? Fürchtet Ihr um Euren Markt?
Keine Ahnung, wie Yammer & Co. das sehen, aber wir finden es richtig gut, dass Facebook at work kommt!

Denn Facebook bringt richtig Bewegung in den Markt und macht ihn endgültig massentauglich. Dennoch hat das Projekt Facebook at work in Deutschland wenig Aussicht auf Erfolg. Zumindest, wenn Facebook seine bisherige Strategie und sein Marktverhalten nicht ändert.

Für uns gilt es jetzt, die neu entstandene Nachfrage zu bedienen, indem die eigenen Vorteile gegenüber Facebook at Work aufgezeigt werden. Und davon haben wir doch einige…

Zur Person
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Nikolai Shulgin ist Regional-Direktor D-A-CH für Bitrix24 seit 2009 und verantwortlich für Marketing und Business Development der Social Intranet-Software in den deutschsprachigen Ländern. Die Mutterfirma Bitrix, derzeit mit Sitz in Kaliningrad, Russland, und Alexandria, USA, bereitet gerade eine Niederlassung in Deutschland vor, die noch im ersten Halbjahr 2015 eröffnet wird. Zuvor war Shulgin bei MAPILab ebenfalls schon für das Marketing D-A-CH zuständig. Weil er in Deutschland Abitur gemacht und danach VWL studiert hat, spricht Nikolai Shulgin außer Russisch und Englisch perfekt Deutsch.

Bild oben und Logo Facebook at Work-App: © Facebook, Bild Bitrix24 und Nikolai Shulgin: © Bitrix24

Elke Fleing

Elke Fleing aus Hamburg liefert Texte aller Art, redaktionellen Content und Kommunikations-Konzepte. Sie gibt Seminare, hält Vorträge und coacht Unternehmen. Bei deutsche-startups.de widmet sie sich vor allem Themen und Tools, die der Erfolgs-Maximierung von Unternehmen dienen.