Venture Across 2013

38 Millionen gute Gründe, den polnischen Markt kennen zu lernen

Seit ich 1998 zum ersten Mal nach Polen reiste, hat sich vieles verändert im ehemals sozialistischen Land. Längst verfügt Polen über eine lebendige Start-up-Szene. Es wurde somit längst Zeit für Venture Across, die erste deutsch-polnische Start-up Konferenz in Frankfurt (Oder)/Slubice.
38 Millionen gute Gründe, den polnischen Markt kennen zu lernen
Mittwoch, 4. Dezember 2013VonTeam

Eine kleine Nachlese der Venture Across, der ersten deutsch-polnischen Start-Up Konferenz in Frankfurt (Oder)/Slubice – Gastbeitrag von Christian Wolf, Gründer von Wirkaufens.

Ab und zu brachen die Wolken auf und ein Sonnenstrahl ließ sich blicken, als wir auf der Frankfurter Stadtbrücke die Oder überquerten. Inzwischen erinnert nur noch der weiß-rote Grenzpfosten mit dem weißen Adler im Wappen daran, dass man hier nicht nur einfach einen Fluss, sondern eine Grenze zwischen zwei Ländern überschreitet. Hier, direkt an der Grenze gelegen, liegt das Collegium Polonicum, eine Hochschul-Einrichtung, die gemeinsam von der Frankfurter Europa-Universität Viadrina und der Pozna?er Adam Mickiewicz Universität betrieben wird. Dieses deutsch-polnische Joint-Venture war auch der Ort, an dem sich erstmals deutsche und polnische Tech-Unternehmer zum Austausch treffen.

38 Millionen gute Gründe für deutsche Tech-Unternehmer, den polnischen Markt kennen zu lernen

Seit ich 1998 zum ersten Mal nach Polen reiste, hat sich vieles verändert in dem ehemals sozialistischen Land. Die wohl knappste Zusammenfassung dieser Veränderung las ich neulich in einem Artikel auf Forbes.com: “Over the last 25 years Poland has metamorphosed from a gray, poor, post-communist country into a European economic powerhouse. It is now the world’s 23rd largest economy, and Europe’s sixth largest. It is the only country in the European Union that did not suffer recession during the recent crisis, and the projected growth rate for 2014 is 57% higher than for the EU as a whole.”

Neben der produzierenden Industrie, die in den Neunzigern dank niedriger Löhne noch ein Motor der polnischen Wirtschaft war, hat sich inzwischen eine lebendige Start-Up-Szene entwickelt, vor allem in Krakau, Pozna? und Warschau. Diese wird im Land auch immer stärker als wichtig wahrgenommen. So gibt es mit dem Ministerium für Verwaltung und Digitalisierung (Ministerstwo Administracji i Cyfryzacji, oder kurz MAC) eine Art Internetministerium. Und der polnische Präsident Komorowski hat sich bei einem USA-Besuch mit polnischen IT-Unternehmern getroffen, die in den USA arbeiten, um ihnen den Aufbau eines „Silicon Valley in Polen“ schmackhaft zu machen.

Nicht nur wir haben mit unserem Ableger Kupimyto den Schritt über die Oder gemacht, sondern auch Web-Größen wie Zalando und Delivery Hero. Mit über 38 Millionen im Schnitt sehr jungen Einwohnern und einer sehr hohen Internet- und Mobile-Affinität ist Polen nicht nur Lieferant für gut ausgebildete Entwickler, sondern auch als Absatzmarkt interessant. Gründe gibt es also auch für deutsche Tech-Unternehmer genug, den polnischen Markt einmal genauer anzuschauen.

Reger Austausch zwischen deutschen und polnischen Tech-Unternehmern

Mit über 170 Teilnehmern war die Veranstaltung Venture Across 2013 gut besucht und bei polnischen Spezialitäten ließ es sich ausgezeichnet networken. Natürlich stand im Vordergrund, mehr über den jeweils anderen Markt zu erfahren, aber auch der Zugang zu Kapital war ein Thema. In gleich zwei Panels diskutierten deutsche und polnische Investoren und Unternehmer darüber, wann man sein Unternehmen venture-finanzieren sollte und wann nicht und über die Verfügbarkeit von Kapital in den beiden Ländern. Besonderes Interesse erregte der Vortrag von Amadeusz Król, der inzwischen bereits fünf erfolgreiche Exits verbuchen kann, unter anderem auch den Verkauf eines der größten Print-Nachrichtenmagazine in Polen. Sein wertvollster Tipp für jeden Exit-Kandidaten: Wer genau weiß, was seinen Verhandlungspartner antreibt, hat einen Vorteil und kann den Verkaufspreis erhöhen.

Digitale Seiten-Gründer Waldemar Zeiler konnte seine Hörer mit Lessons Learned aus fünf Gründungen, inklusive Screenshots und Bilder von Flyern aus den Neunzigern, begeistern. Irina Kania, Projektmanagerin beim Investor-Center Ostbrandenburg machte Werbung für den Standort Frankfurt (Oder): Vor allem E-Commerce Unternehmen fänden dort ausgezeichnete Voraussetzungen, immerhin kann man an einem Standort zweisprachige Mitarbeiter finden und mit getgoods.de und Wirkaufens sind bereits zwei größere Unternehmen präsent, die in beide Länder zum lokalen Portopreis verschicken.

Viel mitgenommen – Lernerfahrungen für Studenten und Entrepreneure

Vor allem die Studenten und Junggründer kamen bei den Vorträgen und Workshops auf ihre Kosten: Der Berliner Pitch-Doctor Christoph Sollich bekehrte seine Zuhörer mit den 10 Geboten für einen gelungenen Pitch, die Odeon AG von Marcel „Otto“ Yon zeigte, wie man eine Sales Pipeline aufbaut und Jörg Zätzsch von CMS Hasche Sigle erläuterte die juristischen Aspekte von Venture Capital Finanzierungen. Ein Teilnehmer schrieb mir im Anschluss in einer E-Mail: “Ich habe viele gute Gespräche gehabt und Ideen mitgenommen. Oskar und sein Team haben da wirklich etwas Tolles auf die Beine gestellt. Der kurze Trip nach Frankfurt (Oder) hat sich mehr als gelohnt.” Auch Nora Heer, Head of HR bei ProjectA, sagte mir im Gespräch, dass sie sich eine Fortsetzung wünscht mit noch mehr Studenten und potentiellen jungen Gründern. Die Chancen für eine Wiederholung stehen bei so begeisterten Besuchern und Sponsoren offenbar sehr gut.

Insgesamt schien das Programm allerdings etwas überfrachtet mit Vorträgen, Panels, Pitches, Speed-Dating und Workshops. Am Abend knurrten die Mägen und die Start-Up Pitches nach 18 Uhr waren im Vergleich zu anderen Veranstaltungen weniger gut besucht. Oskar Barczewski, Student an der Europa-Universität Viadrina und einer der Organisatoren, sagte mir im Gespräch: “Es war unsere erste Konferenz und wir haben zunächst vieles ausprobiert. Wir freuen uns sehr, dass die Veranstaltung insgesamt sehr gut angekommen ist. Für die nächste Auflage wollen wir uns dann auf die Sachen konzentrieren, die am besten angenommen wurden und uns einen USP gegenüber anderen Veranstaltungen aufbauen.”

Definitiv lohnt es sich für jeden Tech-Unternehmer einmal, die Berliner Bubble zu verlassen und neue Eindrücke aus anderen Märkten aufzunehmen. Wer die nächste Auflage von Venture Across nicht verpassen möchte, kann bei Facebook oder Twitter auf dem Laufenden bleiben.

ds_wolf

Zur Person
Christian Wolf ist der Gründer von Wirkaufens, dem Elektronikankauf im Internet. Außerdem engagiert er sich für junge Unternehmensgründer, insbesondere an seiner Alma Mater, der Europa-Universität Viadrina. Dort lehrt er regelmäßig am Centre for Entrepreneurship (CfE) und ist im Rahmen der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt (KOWA) Mentor für gründungswillige Studierende. Christian twittert unter @nu_technologies.

Fotos: Venture Across