“Viele Menschen hängen noch an dem Konstrukt Buch” – Holger Seim von Blinkist

Es gibt Autoren, die können nicht in kurz und produzieren daher eine Schwarte nach der anderen. Doch wer soll das in Anbetracht der Fülle an Informationen, die der Verbraucher heute konsumiert, noch Seite […]

Es gibt Autoren, die können nicht in kurz und produzieren daher eine Schwarte nach der anderen. Doch wer soll das in Anbetracht der Fülle an Informationen, die der Verbraucher heute konsumiert, noch Seite für Seite lesen? Da kommt die App von Blinklist (www.blinkist.com) gerade recht, denn sie fasst Bücher auf deren Kernaussagen zusammen. Über die Bedeutung des Buches und über das Verhältnis zur gedruckten Schrift sprach Gründer und CEO von Blinkist Holger Seim im Gründer-Kurzinterview mit deutsche-startups.

Welche Idee steckt hinter Ihrem Start-up?
Wir wollen das Lesen von Sachbüchern einfacher machen und auf eine neue Art in den Alltag integrieren. Es stecken so viele inspirierende Ideen und großartiges Wissen in Sachbüchern, aber immer weniger Menschen schaffen es noch, ganze Bücher zu lesen, da sich unsere Lesegewohnheiten enorm verändert haben. Das Wissen der Bücher bleibt somit für viele außen vor.

Mit Blinkist wollen wir eine Brücke schlagen zwischen „kein Buch“ und „ein Buch“ und den Zugang zu diesen Ideen vereinfachen. Dafür packen wir das Wissen aus Sachbüchern in ein neues Format, das wir blinks nennen und sich den neuen Lesegewohnheiten anpasst. Mit Blinkist möchten wir den Zugang zu diesen Ideen vereinfachen und das Wissen aus Sachbüchern in einem Format bieten, das sich den neuen Lesegewohnheiten anpasst.

Das bietet zwei Vorteile: Durch einen schnelleren Zugang zu den wesentlichen Ideen eines Buchs verringern wir für Wenig-Leser die Einstiegshürde in neue Bücher, und bieten Viel-Lesern gleichzeitig einen Service, aus der großen Auswahl an Sachbüchern die richtigen zu wählen.

Wie sehr bzw. in welchen Punkten hat sich ihr Konzept von der ersten Idee bis zur Gründung verändert?
Es ist schlanker geworden. Die erste Idee, aus der später Blinkist entstanden ist, hieß WaitMate. Der Kern der Idee war schon damals, Wissen aus Büchern in einem für mobiles Lesen konzipierten Format zugänglich zu machen.

Wir hatten jedoch um das eigentliche Format herum noch eine Vielzahl anderer Feature-Ideen, zum Beispiel komplexere Lern- und Wissensmanagement-Funktionen. Im Laufe der Umsetzung haben wir dann aber zunehmend festgestellt, dass es wichtig ist, einfach anzufangen und sich auf die wesentlichen Funktionen zu konzentrieren.

Wer sind Ihre Mitbewerber und wie grenzen Sie sich von ihnen ab?
Es gibt bereits Dienste, die sich ähnlichen Kundenproblemen widmen und Bücher auf wenige Seiten zusammenfassen. In Deutschland gehören getAbstract und Liviato zu unseren Mitbewerbern. In den USA sind es unter anderem ReadItForMe und HyperInk.

Unser größtes Alleinstellungsmerkmal sehen wir unser Verständnis von modernen Lesegewohnheiten, an denen wir die Aufbereitung der Texte ausrichten. Wir haben unser Produkt und Format auf Basis von hunderten Nutzerinterviews und unter der Leitung unseres Mitgründers Sebastian Klein entwickelt, der sich schon seit Jahren mit der Psychologie des Lernens und der Zusammenfassung von komplexen Texten befasst.

Im Ergebnis steht ein Format, welches es unseren Lesern ermöglicht, mühelos die Kernideen von Büchern zu erschließen. Bei unseren Inhalten legen wir sehr viel Wert auf eine hohe Qualität der Texte, eine lebendige Sprache und eine logische Struktur zum einfachen Verständnis des Gelesenen – sowohl innerhalb der Kapitel, als auch im Verhältnis der Kernaussagen zueinander.

Was ist der entscheidendste Faktor, damit Ihr Start-up den Durchbruch schafft?
Wie für sicherlich die meisten Start-ups, ist es auch für uns eine Herausforderung, die geeigneten Kanäle für nachhaltiges Wachstum zu finden, über die wir zu vertretbaren Kosten skalieren können.

In Bezug auf unsere Idee und unseren Heimatmarkt ist ein entscheidender Faktor jedoch auch, dass sich die Rezeptions-Kultur für neue, digitale Formate ändert. Viele Menschen hängen noch an dem Konstrukt Buch und sprechen anderen, kürzeren Formaten ihren Nutzen bzw. ihre Werthaltigkeit ab, obwohl immer weniger Menschen noch ganze Bücher lesen.

Unserer Meinung nach wird diese Ansicht den neuen Möglichkeiten aber nicht gerecht: Letzten Endes ist es doch besser, sich einem Sachbuch über ein kürzeres Format zu nähern, als gar nicht mehr zu lesen.

Wie wollen Sie Geld verdienen und wann schreiben sie schwarze Zahlen?
Unser Geschäftsmodell lässt den Nutzern viele Möglichkeiten. Sie können entweder Buchtitel wie Songs einzeln kaufen oder ein monatlich kündbares Abo abschließen. Die ersten drei Bücher sind kostenfrei, weitere Bücher kosten je nach Umfang entweder 0,89 Euro oder 1,79 Euro. Das Abo mit vollem Zugriff auf alle Buchtitel kostet 4,49 Euro pro Monat.

Den Break Even möchten wir mit Hilfe einer Wachstumsfinanzierung in den kommenden 2 Jahren erreichen.

Welche Märkte wollen Sie mittel- und langfristig erobern?
Der wichtigste Markt ist für uns nach unserem Heimatmarkt die USA. Nicht nur wegen der Marktgröße, sondern auch wegen der bereits weiter fortgeschrittenen Rezeptionskultur für neue, digitale Formate. Mit Hilfe unserer englischsprachigen Inhalte wollen wir mittelfristig aber auch weitere Märkte erschließen.

Welche Meilensteine wollen Sie in den kommenden zwölf Monaten auf jeden Fall erreichen?
Wir haben uns hohe Ziele gesteckt. Aktuell arbeiten wir mit Hochdruck an Blinkist 2.0, einer überarbeiteten Version unserer App, in der wir unsere Erkenntnisse und Beobachtungen der letzten Monate umsetzen.

Im Anschluss an den Launch dieser Version rückt für uns das Thema Wachstum in den Vordergrund. Hierzu gehört für uns, recht zügig eine für das iPad optimierte Version nachzuliefern und unseren Service in einem nächsten Schritt auch auf weiteren Plattformen, insbesondere Android, verfügbar zu machen. Darüber hinaus wollen wir Blinkist innerhalb der nächsten 12 Monate auch international verfügbar sein.

Im Fokus: Weitere Interviews mit jungen Gründern gibt es im Special Gründerinterviews

Zur Person:
Holger Seim ist Mitgründer und CEO von Blinkist. Direkt vor der Unternehmensgründung war er Produktmanager bei der Deutschen Telekom und hat im Trainee-Programm des Konzerns unter anderem den deutschen Markteintritt eines US-Startups betreut. Holger Seim hat BWL mit dem Schwerpunkt Technologie- und Innovationsmanagement an der Universität in Marburg studiert.

Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.