“Die Gehälter in Berlin sind deutlich gestiegen” – Carlos Fernandes von Dwight Cribb

Gefühlt werden jeden Tag in Berlin mehrere Dutzend neue Start-ups gegründet. Gefühlt werden in Berlin Mitarbeiter ohne Ende gesucht. Gefühlt stellen Unternehmen wie zalando, wooga und Delivery Hero jeden Tag Dutzende neue Mitarbeiter […]

Gefühlt werden jeden Tag in Berlin mehrere Dutzend neue Start-ups gegründet. Gefühlt werden in Berlin Mitarbeiter ohne Ende gesucht. Gefühlt stellen Unternehmen wie zalando, wooga und Delivery Hero jeden Tag Dutzende neue Mitarbeiter ein. Und gefühlt ist der Arbeitsmarkt in Berlin schon lange nicht mehr so entspannt wie noch vor einem Jahr. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Carlos Fernandes, der das neue Büro der Personalberatung Dwight Cribb (www.cribb.de) füjhrt, über das Gehaltsniveau in Berlin, die ausgeprägte Partyszene der Hauptstadt und Hertha BSC.

Berlin galt jahrelang als Paradies in Sachen günstige und fähige Arbeitskräfte: Wie sieht die Realität im vermeintlichen Garten Eden aus?
Die Gehälter in Berlin sind gegenüber der Vergangenheit deutlich gestiegen und passen sich mittlerweile dem Niveau der Gehälter anderer Großstädte in Deutschland an.

Können sich kleine Start-ups, nicht alle bekommen schließlich gleich millionenschwere Finanzspritzen, diese Mitarbeiter dann künftig überhaupt noch leisten?
Das wird in der Tat stets schwieriger. Es gibt immer größere Unterschiede in den Gehältern, die von gut finanzierten Start-ups gezahlt werden können. Damit haben sie Zugang zu den besten Mitarbeitern, auch wenn nicht jeder teuer bezahlte Mitarbeiter auch gleichzeitig der beste ist. Dennoch haben andere Unternehmen das Nachsehen, denn einerseits ziehen sie im Wettbewerb um die besten Köpfe häufig den Kürzeren und andererseits werden ihnen die eigenen Leute mit attraktiven Angeboten abgeworben. Langfristig entscheidet aber mehr als nur das Gehalt, wer die besten Leute bekommt und behält. Wenn ein Unternehmen wirklich spannende Dinge macht und eine gute Kultur hat, dann wird es auch für weniger Gehalt sehr gute Mitarbeiter finden.

Kann der Berliner Arbeitsmarkt den Boom in der Stadt, gerade im Internet-Segment, auf lange Sicht überhaupt weiter bedienen?
Der Arbeitsmarkt in Berlin kann den Boom schon lange nicht mehr bedienen. Es ziehen mittlerweile sehr viele Menschen aus anderen Städten nach Berlin, um dort zu arbeiten. Ein wesentlicher Grund neben den gestiegenen Gehältern ist auch die Attraktivität der Stadt Berlin mit ausgeprägter Partyszene und exzellentem kulturellen Angebot sowie die Möglichkeit in einem der zahlreichen Start-ups gestalterisch tätig zu werden.

Es ist somit deutlich einfacher geworden Menschen aus München, Frankfurt oder Stuttgart nach Berlin zu bewegen?
Ja.

Auch wenn Berlin sich national und international weiter als Dilettantenstadt präsentiert – siehe Flughafen, S-Bahn-Chaos? Noch dazu ist Berlin dank Hertha BSC momentan Fußballprovinz.
Ja, das mit Hertha ist ein echtes Problem. Aber die Kandidaten aus Hamburg sind ja Kummer gewöhnt. In der Tat hat Berlin natürlich auch die eine oder andere Negativschlagzeile aber diese scheint der Attraktivität der Stadt keinen Abbruch zu tun. Selbst als Hamburger kann ich neidlos eingestehen, dass Berlin die einzige Weltmetropole in Deutschland ist. In unserem Büro am Gendarmenmarkt denkt es sich größer und internationaler als in unserem Hamburger Büro.

Wie sieht es mit dem Jobnachwuchs aus dem Ausland aus: Wird dieser Strom weiterzunehmen?
Berlin ist eine sehr attraktive Metropole und viele junge Menschen aus dem Ausland kommen nach Berlin. Es gibt aber aktuell noch zu wenige Unternehmen in der Onlinebranche, die auf Deutschkenntnisse verzichten können. Sobald mehr Unternehmen auf Unternehmenssprache Englisch wechseln, wird der Zuzug eher noch ansteigen.

Kann man hier runterbrechen, welche Positionen besonders häufig mit ausländischen Kräften besetzt werden?
Prädestiniert sind natürlich die technischen Berufe, denn Programmiersprachen sind für alle gleich. Aber zunehmend kommen Experten für Design, Business Development, Marketing & Kommunikation und viele andere Bereiche nach. Und Unternehmer, also Entrepreneurs, scheint die Stadt anzuziehen und das lange nicht mehr nur aufgrund von Förderprogrammen.

Wie viel tiefer müssen Start-Ups inzwischen in die Tasche greifen, wenn es darum geht Top-Positionen zu besetzen?
Neben einem attraktiven Gehaltspaket gehören auch Anteile am Unternehmen zum „guten Ton“ eines Angebots für Top-Positionen. Wir sehen im Moment Gehaltssteigerungen von circa 20 % bei einem Wechsel.

Noch sind Anteile für Mitarbeiter in Deutschland aber eher die ganz große Ausnahme. Ab welcher Position kann man denn Anteile verlangen?
Die Position muss kritisch für den Unternehmenserfolg sein. Damit sind in der Regel alle C-Positionen eingeschlossen, aber auch wichtige Mitarbeiter im Bereich Technik, Design oder Produktmanagement können Mission Critical sein.

Mitarbeiter gewinnen ist eine Sache, aber wie hält man Mitarbeiter auf lange Sicht, wenn es in Berlin Start-ups uns somit Jobs ohne Ende gibt?
Genau darin liegt die Kunst. Mitarbeiter müssen sich entlang des Unternehmenspfads entwickeln können sich mit den Zielen und Werten des Unternehmens identifizieren. Da sich gerade bei Startups Ziele und Entwicklungspfade häufig ändern, ist es umso wichtiger eine starke Wertekultur zu haben, an der sich Mitarbeiter orientieren und halten können. Darüber hinaus ist es wichtig, dass ein Unternehmen eine Umgebung schafft, in der sich die Mitarbeiter wohlfühlen.

Zur Person
Carlos Fernandes ist Leiter der Sales Practice, Partner und Gesellschafter der Dwight Cribb Personalberatung. Der Leiter des Berliner Büros, seit 2006 bei dem Hamburger Unternehmen beschäftigt, verfügt über Know-how im Executive Search, das er bei seinen Stationen in verschiedenen namhaften, internationalen Personalberatungen gesammelt hat.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.