E-Learning hat Zukunft – Doch warum haben es Lern-Plattformen weiterhin schwer in Deutschland?

E-Learning-Plafformen benötigen Kapital zum Ausbau ihrer Angebote. Doch warum ist es so schwer, Kapitalgeber davon zu überzeugen? – Gastbeitrag von Ali Yildirim (siehe links), Geschäftsführer von CoboCards. Lernen am Computer steht bei den […]

E-Learning-Plafformen benötigen Kapital zum Ausbau ihrer Angebote. Doch warum ist es so schwer, Kapitalgeber davon zu überzeugen? – Gastbeitrag von Ali Yildirim (siehe links), Geschäftsführer von CoboCards.

Lernen am Computer steht bei den Deutschen hoch im Kurs. Einer Studie der Bitkom zufolge nutzt mittlerweile jeder zweite Bundesbürger E-Learning Angebote. Das Tolle: Sie binden terminlich nicht an teure Kurse, und das Lerntempo kann individuell abgestimmt werden. Computer, Tablet, Smartphone oder Notebook an und jeder kann sich so fortbilden, wie es die eigene Zeit erlaubt.

Der Bedarf ist da, die Nutzerzahlen stimmen

Der Bedarf an zeitflexiblen Angeboten ist also da, dennoch haben es technologieorientierte Start-ups im Bereich E-Learning in Deutschland weiterhin schwer. Trotz nachweisbarer Erfolge und sehr guter Nutzerzahlen erhalten diese im Vergleich zu US-amerikanischen Start-ups beispielsweise nicht das entsprechende Beteiligungskapital – und auch nicht das nötige Vertrauen. Woran liegt das?

Am Marktvolumen und an den potenziellen Konsumentenzahlen kann es nicht liegen. Der Bildungsmarkt in Deutschland ist milliardenschwer! Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen: Allein in Europa gibt es über 180 Millionen Schüler und Studenten. Immer wieder betont die Bitkom, dass E-Learning im öffentlichen Bewusstsein angekommen sei. Gerade jüngere Menschen verfügen über ein enormes Budget, welches sie auch bereit sind, in die eigene Bildung zu investieren.

Einen wesentlichen Grund für die Problematik sehe ich persönlich in den innovationsscheuen Verlagen, die sich allen Zukunftsprognosen zum Trotz weiterhin verstärkt auf klassische Medien konzentrieren. Ein Beispiel dafür: Scoyo (www.scoyo.de) war vielleicht das erste E-Learning Projekt der jüngeren Geschichte, welches mit seinem Kapitalgeber erstmalig in Erscheinung trat. Der im Online-Business relativ unerfahrene Bertelsmann-Verlag hatte sich aus dem Offline-Bereich in diese neue, bunte, digitale Welt hinausgewagt. Ein zaghafter Schritt in eine neue Branche wurde für den Verlagsriesen zu einem Flop. Erst nach langer Suche nach einem geeigneten Käufer wurde scoyo an Super RTL verkauft.

Ist E-Learning unsexy?

Dieses Versagen des Bertelsmann Verlages hat Beteiligungsgesellschaften im Hinblick auf die Finanzierung von E-Learning Projekten sicherlich beeinflusst. „E-Learning ist derzeit unsexy“, gab ein Venture Capitalist im Gespräch 2009 einmal zu. Am damaligen Scheitern war mit Sicherheit jedoch nicht nur der Verlag selber Schuld, sondern das Start-up selbst. Man hatte seinerzeit einfach nicht bedacht, dass E-Learning nicht nur effektiv, sondern auch einfach nutzbar sein sollte. Eltern berichteten darüber, dass die komplex programmierten Lerneinheiten bis zu drei Minuten Ladezeit benötigten. Solange bleibt kein Kind vor dem Computer ruhig sitzen.

Auch die Universitäten in Deutschland zeigen weiterhin wenig Interesse an Kooperationen mit E-Learning Technologie Start-ups. Grund: Zu sehr herrscht hierzulande noch die „Ellenbogengesellschaft“, die selbst E-Learning Projekte, die aus der eigenen Universität entstanden sind, nicht akzeptieren und somit den Einzug in das Universitätsnetzwerk verwehren. Professor Willey von der Brigham Young University aus Utah sagt hierzu:
“If universities can’t find the will to innovate and adapt to changes in the world around them…universities will be irrelevant by 2020.”

Studierende vertrauen Angeboten aus dem Netz

Ob innovationsarme und sich nicht an die technologiegetriebene Umwelt anpassende Universitäten tatsächlich in sieben Jahren unbedeutend sein werden, sei einmal dahingestellt. Fakt jedoch ist: Immer mehr Lernende erwerben ihr Wissen nicht mehr nur durch den Besuch überfüllter Vorlesungen und Seminare, sondern weichen zunehmend auf Lernplattformen wie beispielsweise Lecturio (www.lecturio.de) aus. Der Grund liegt sicherlich in der Flexibilität und Effektivität der dort befindlichen Online-Vorlesungen. Der Studierende hört eine Vorlesung dann, wenn er am besten hierfür aufnahmebereit ist und so oft er will. Die zeitliche Abhängigkeit von Präsenzvorlesungen entfällt.

Lecturio gehört übrigens mit Sofatutor (www.sofatutor.com) und PaperC (www.paperc.com) zu einem der wenigen Technologie-Start-ups im Bereich E-Learning in Deutschland, die je Beteiligungskapital erhalten haben. Die Dimensionen sind mit denen in den USA jedoch kaum zu vergleichen. In Lecturio investierte zunächst der Technologiefonds Sachsen, später auch Holtzbrinck Ventures. Über Summen wird gerne geschwiegen. Beträge, die maximal kleinere siebenstellige Summen überschreiten, werden es jedoch nicht gewesen sein.

Zum Vergleich ein Blick nach Übersee: Amerikanische Start-ups gehen viel eher mit Zahlen an die Öffentlichkeit. Dort wurde kürzlich StudyBlue, ein Konkurrenzprodukt unserer Lernplattform CoboCards (www.cobocards.com), erneut mit neun Millionen Dollar finanziert. Bereits zuvor hatte das Start-up schon einmal 5,8 Millionen Dollar einstreichen können. Das ist insofern beachtenswert, als dass StudyBlue (www.studyblue.com) bislang noch kein Geschäftsmodell besitzt und somit noch keine Einnahmen generiert. Im Gegensatz dazu erwirtschaften deutsche E-Learning Start-ups seit Jahren eigene Umsätze und wurden erst hiernach finanziert.

Deutsche Investoren sind risikoscheu

Im Gegensatz zu deutschen Investoren sind US-Beteiligungsgesellschaften weniger risikoscheu. Potenziale werden in Amerika viel früher erkannt und VCs wissen, dass mit einer Mischung aus motiviertem Team, eigener Managementunterstützung und konsequentem Controlling aus Start-ups mittelfristig profitable Unternehmen entstehen können. Während hierzulande viel zu häufig der schnelle Exit im Vordergrund steht, wird in den USA langfristig gedacht.

Die Lernplattform Lynda (www.lynda.com) ist hierfür das beste (Erfolgs-)Beispiel. Diese hat zwar erst nach 17 Jahren ihre erste Finanzierung überhaupt erst akzeptiert, diese liest sich mehr als ordentlich: 103 Millionen US-Dollar. Damit ist Lynda die erste Plattform in der Geschichte des E-Learning, die seit der Aufzeichnung seit 1980 über 100 Millionen Dollar gleich in der ersten Finanzierungrunde erhalten hat. Hierzulande würde wohl kein VC ein E-Learning Projekt gleich in der Höhe finanzieren.

Paradox: Lynda hatte sich insbesondere in den letzten fünf Jahren vehement gegen Venture Capital gewehrt.

Zur Person:
Ali Yildirim ist Gründer und Geschäftsführer der Online-Lernplattform CoboCards (www.cobocards.com). Zuvor arbeitete der studierte Betriebswirt als Unternehmensberater in Softwareentwicklungsprojekten u.a. in Spanien und auf Jersey.