Pizza aus Holland: Takeaway-Ableger Lieferservice.de will zur Nummer zwei in Deutschland aufsteigen

Takeaway.com (www.takeaway.com) hat sich viel vorgenommen: Während Delivery Hero (www.deliveryhero.com) Ende August insgesamt 80 Millionen Euro Funding sowie weltweite Expansionspläne verkündete und Lieferando (www.lieferando.de) im Juni 15 Millionen Euro einstrich, wollen die Holländer […]
Pizza aus Holland: Takeaway-Ableger Lieferservice.de will zur Nummer zwei in Deutschland aufsteigen
Montag, 24. September 2012VonRegina Leuwer

Takeaway.com (www.takeaway.com) hat sich viel vorgenommen: Während Delivery Hero (www.deliveryhero.com) Ende August insgesamt 80 Millionen Euro Funding sowie weltweite Expansionspläne verkündete und Lieferando (www.lieferando.de) im Juni 15 Millionen Euro einstrich, wollen die Holländer mit ihrer Marke Lieferservice.de (www.lieferservice.de) ausgerechnet den deutschen Markt erobern. “Mit eigenem Geld sind wir nach Belgien und Österreich expandiert, aber das reichte nicht aus für ein so großes Land wie Deutschland. Da mussten wir etwas Fremdkapital in die Hand nehmen. Deshalb haben wir Anfang 2012 Funding angenommen“, erklärt Jitse Groen, Gründer von Takeaway.com.

Prime Ventures steuerte 13 Millionen Euro bei, um den wohl umkämpftesten Markt Europas zu erschließen. Denn mit Pizza.de, Lieferheld und Lieferando drängeln sich hier schon drei kapitalstarke Essensvermittler. „Pizza.de ist in Deutschland viel größer als jeder Konkurrent, vermutlich sogar größer als alle deutschen Mitbewerber zusammen“, sagt Jitse Groen, der kürzlich einige Tage in Berlin weilte, im Gespräch mit deutsche-startups.de. Seit 2007 gibt es die Takeaway.com-Tochter Lieferservice.de. Inzwischen listet die Plattform mehr als 5.200 Restaurants und erhalte fast hunderttausend Bestellungen pro Monat. Besonders einträglich ist das Geschäft für die Holländer hierzulande jedoch noch nicht: „Wir haben 90 Prozent profitable Bestellungen in anderen Märkten, in Deutschland sind wir am Anfang, da liegt die Zahl erwartungsgemäß erst bei 10 %. Natürlich kann man da noch keine Gewinne einfahren“, erklärt der Gründer.

JitseGroenPhotoEngel

Am meisten verdient der Niederländer in seinem Heimatland, wo man als Marktführer seit Jahren Gewinne erzielt. Bereits im Jahr 2000 hat Jitse Groen die Firma gegründet („mit 50 Euro Startkapital“) und konnte lange organisch wachsen, inzwischen beschäftigt er 180 Mitarbeiter. Hauptsitz ist Utrecht, daneben gibt es Büros in London, Brüssel und Gronau (Westfalen) an der deutsch-holländischen Grenze, bald soll auch Paris hinzukommen. Jedes Jahr sei der Umsatz von Takeaway.com um 60 % gestiegen, in diesem Jahr soll er sich sogar auf rund 200 Millionen Euro verdoppeln. Laut Firmenwebsite laufen 800.000 Bestellungen pro Monat ein. Neben den Beneluxstaaten ist Takeaway.com in Großbritannien, Österreich, Frankreich, der Schweiz und Dänemark aktiv.

Wie groß ist der deutsche Markt wirklich?

Die gesamte Marktgröße für Deutschland schätzt Groen auf unter zwei Milliarden Euro pro Jahr. Lieferando kommunizierte dagegen in einer Pressemeldung ein Marktvolumen von 4,4 Milliarden Euro. Lieferheld gibt in einer aktuellen Präsentation keine Deutschlandzahlen an, aber rechnet für ganz Europa mit einer Marktgröße von optimistischen 15 Milliarden Euro.

Die Marktforscher von Euromonitor setzen in ihrem aktuellen Bericht für 2011 den Bringdienstbereich in Deutschland sehr viel niedriger an, bei insgesamt einer Milliarde Euro, mit Wachstumsraten von 2 bis 3 % jährlich. Mehr als 30 % der Umsätze liegen in den Händen der Franchise-Ketten – Tendenz steigend. Auf unabhängige Anbieter entfielen 670 Millionen Euro Umsatz. Das meiste davon wird immer noch per Offline-Bestellung generiert.

„In Holland werden schon 50 % der Essenslieferungen online bestellt, in Deutschland sind es ungefähr 10 % , also gibt es da noch viel Potenzial“, glaubt Jitse Groen. In den Niederlanden arbeitet er mit 4.000 Restaurants zusammen, in ganz Deutschland sind circa 5.000 bis 6.000 Restaurants von den Lieferdiensten erfasst. „Das sind erst ein Drittel von 15.000 potenziellen Partner-Restaurants“, so Groen.

Lieferservice.de erhält von den Restaurants 8 % des generierten Umsatzes, andere Anbieter nehmen 10 %. Im Prinzip funktioniert es wie ein Franchise-Modell und kann sich trotz der Provisionskosten für die Pizzabäcker lohnen. Denn die meisten der kleinen Betriebe haben kaum Marketing-Budget, um ihre Websites bekannt zu machen oder mobile Apps anzubieten.

Einzigartiger Marketing-Krieg

Seit dem Einstieg von Lieferando und Lieferheld ist in Deutschland ein Marketingkrieg entbrannt, der die Preise in die Höhe treibt. Jochen Grote, Geschäftsführer von von Pizza.de, sprach gegenüber der Stuttgarter Zeitung von monatlichen Marketingkosten in Höhe von 1,6 Millionen Euro, die man jedoch anders als andere Anbieter aus dem Cashflow generiere.

„Die KPIs stimmen in Deutschland nicht. Aber es ist trotzdem einer der größten Märkte in Europa: Frankreich ist viel kleiner, England ist etwas größer“, erklärt Jitse Groen und macht deswegen wohl oder übel bei dem Spiel mit. Dennoch hält er das VC-befeuerte Wettrüsten für fragwürdig.  „Dass man zwei oder drei Millionen Euro im Monat verbrennt, um vielleicht 150.000 Bestellungen zu generieren – das ist doch Wahnsinn. Da könnte man genauso gut die Pizzen direkt verschenken“, findet der Holländer. Genau das hat Lieferservice.de im Rahmen einer Marketingaktion im Frühjahr getan und Pizzas im Wert von 200.000 Euro kostenlos geliefert.

Generell kommen neue Kunden eher über Suchmaschinen. „Aber auch die Google Kosten in Deutschland sind außer Proportion, es dauert lange, bis man das Geld mit den Kunden zurückverdient“, bedauert Groen. Fernsehwerbung sei gut, um das Konzept bekannt zu machen, aber man bekomme nicht unbedingt viele neue Bestellungen damit.

Mit dem starken Heimatmarkt im Rücken kann Lieferservice.de die kostspielige Schlacht um Marktanteile in Deutschland eine Weile aushalten. Und genau das hat Jitse Groen vor. „Wenn man den ganzen Markt in Deutschland anschaut, gibt es Platz für zwei oder maximal drei Anbieter. Wer nicht bankrott geht, wird wahrscheinlich gewinnen. Pizza.de wird sicherlich überleben und wir haben kein Problem damit, in Deutschland Zweiter zu werden“, gibt er sich selbstbewusst. Trotz der harten Konkurrenz sieht er seine Situation entspannt: „Für uns ist es die erste Runde. Wir konnten das Thema gelassen angehen und hatten nicht das Ziel – wie die meisten unserer Wettbewerber – besonders schnell wachsen zu müssen.“

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