Crowdinvesting wird Mainstream! Gastbeitrag von Guido Sandler (Bergfürst)

Crowdinvesting wird Mainstream! Gastbeitrag von Guido Sandler (siehe links) von der Crowdinvestment-Plattform Bergfürst, die im Herbst an den Start geht. Die junge, deutsche Crowdinvesting-Szene ist viel zu bescheiden: Unser Potenzial ist deutlich größer, […]

Crowdinvesting wird Mainstream! Gastbeitrag von Guido Sandler (siehe links) von der Crowdinvestment-Plattform Bergfürst, die im Herbst an den Start geht.

Die junge, deutsche Crowdinvesting-Szene ist viel zu bescheiden: Unser Potenzial ist deutlich größer, als viele meinen. Dazu müssen wir nur auf die Anlagevolumen in Assetklassen schauen, die ein vergleichbares Chancen-Risiko-Potenzial aufweisen. Und dann die richtigen Zielgruppen mit Produkten der Realwirtschaft ansprechen.

Wie groß ist das Potenzial für Crowdinvesting in Deutschland? Wer sich in der Szene umhört, bekommt ziemlich kleine Zahlen zu hören. Ein paar Millionen Euro im Jahr gelten als realistisch. Der Crowdfunding-Monitor schätzt, dass es dieses Jahr vier bis fünf Millionen werden. Die Optimisten sprechen von ein paar Dutzend Millionen in ein paar Jahren. Ich glaube, dieser Bescheidenheit liegt – zumindest in mittelfristiger Perspektive – ein Denkfehler zu Grunde. Wir schauen auf die aktuellen Zahlen und multiplizieren dann – scheinbar realistisch oder optimistisch – mit dem Faktor fünf, zehn oder zwanzig. Das eigentliche Potenzial liegt irgendwo in einer Größenordnung von 50 Milliarden Euro. Und nein, diese Zahl ist kein Ergebnis von Größenwahn. Sie lässt sich relativ leicht aus der Investitionsvolumina von Finanzprodukten mit vergleichbarem Chancen-Risiko-Profil herleiten.

Die Deutschen sind zurzeit mit rund 100 Milliarden Euro in Zertifikaten investiert. Rund die Hälfte dieser derivaten Wertpapiere und strukturierten Finanzprodukte sind so genannte Knock-Outs und Optionsscheine. Freundlich formuliert könnte man sagen, dass auch diese ein hohes Gewinn-Potenzial bei hohen Risiken aufweisen. Weniger freundlich könnte man sagen: Diese synthetischen Produkte sind Wetten mit hohem Einsatz, bei denen viele Akteure die Spielregeln nicht wirklich durchschauen. Bei denen die emittierenden Institutionen in vielen Fällen hohe und zum Teil nur schwer erkennbare Fees einstreichen. Und deren Vertrieb sich – wie jeder Insider weiß – deutlich weniger am Anlegerwohl als an den Margen der Vermittler orientiert.

Wenn Anleger bereit sind, 50 Milliarden Euro in schwer durchschaubare Konstrukte mit extrem schwankender Durchschnittsrendite zu investieren, Totalverlust-Risiko inklusive, warum sollte dann das Potenzial für Crowdinvesting in innovative Unternehmen der Realwirtschaft bei ein paar Millionen Euro liegen? Gesichert ist: Es gibt sie, die Anleger mit Mut zum Risiko. Gesichert ist ebenfalls: Zur Anlageform des Risiko-Kapitals für Online- und Technologie-Unternehmen hatten sie bislang keinen Zugang. Die entscheidende Frage lautet also: Wie adressieren wir als Crowdinvesting-Szene unsere eigentliche Zielgruppe, die ihre Milliarden heute in Zertifikate steckt?

An Argumenten mangelt es uns nicht. Unser Angebot ist eben nicht schwer durchschaubar und synthetisch. Auf unseren Plattformen suchen Gründer mit verstehbaren Ideen und Geschäftsmodellen um Kapital für eine realwirtschaftliche Unternehmung, bei der theoretisch alles schief gehen aber theoretisch auch das nächste Facebook herauskommen kann. Auf unseren Plattformen kann sich jeder Anleger sein Portfolio selbst kleinteilig zusammenstellen, Risiken streuen und dabei das eigene Risiko viel besser im Auge behalten. Rolle und Provision der Crowdinvesting-Plattformen sind transparent und im Vergleich zu Kommissionen und Provisionen in den Vertriebsketten klassischer strukturierter Finanzprodukte sehr bescheiden. Nicht zuletzt hat der Direkt-Investor im Crowdinvesting das Gefühl, Innovation in Deutschland oder Europa zu fördern. Denn in der Realwirtschaft kann sein Kapital – im Wortsinn – wirken, zum Wohl von allen Stakeholdern des Unternehmens.

Auch mir ist natürlich klar: Der Handel mit Zertifikaten und anderen Finanzderivaten ist eine eingespielte und vertriebsstarke Industrie. Auch ich gehe nicht davon aus, dass dieser Handel in den kommenden Monaten zusammenbrechen wird und die frei werdenden Volumina umgehend ins Crowdinvesting wandern. Aber es wird Zeit, dass wir unser eigenes Potenzial erkennen und unsere eigentliche Zielgruppe direkt ansprechen. Es gibt keinen Grund, wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen, nur weil wir eine junge Anlageform sind. Wir werden viele Anleger mit ausgeprägtem Chancen-Risiko-Profil für unser Angebot gewinnen können. Denn unser Angebot ist – ebenfalls im Wortsinn – reell. Es müssen für den Anfang ja nicht gleich 50 Milliarden Euro sein, die sich die deutsche Crowdinvesting-Szene als Volumenziel setzt. Ein oder zwei Prozent davon erscheinen mir eher realistisch als optimistisch. Und zwei aktuelle Meldungen dieser Woche bestärken mich in der Zuversicht.

Zum einen hat die US-Plattform Indigogo für sich selbst 15 Millionen Dollar Wachstumskapital eingesammelt. Das ist ein klarer Indikator dafür, dass auch die Venture-Kapitalisten im Silicon Valley daran glauben, dass Crowdinvesting im Mainstream ankommen wird. Zum anderen konnte das Projekt Pebble (ein E-Paper-Watch für iPhone und Android) vor ein paar Tagen vermelden: “Wir haben über Crowdfunding die Summe von 10.266.845 US-$ eingesammelt.” Wow! Aber eigentlich auch logisch!

Im Fokus: Weitere Artikel über die Crowdinvestment-Szene in unserem Special Crowdinvesting

Zur Person
Guido Sandler ist CEO der Crowdinvestment-Plattform Bergfürst (www.bergfuerst.com), die ab Herbst 2012 Privatanlegern die Möglichkeit bietet, sich als Venture Capital-Investor am Eigenkapital von Wachstumsunternehmen zu beteiligen und diese Beteiligungen dann wie an einer Aktienbörse zu handeln. Dafür hat Bergfürst einen Lizenz als Finanzdienstleister bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beantragt. Sandler hat schon einige Male die Finanzbranche mit neuen Konzepten revolutioniert: als Gründer der Berliner Effektenbank AG (1998), einer reinen Investmentbank, und der E*Trade Bank AG (1999), die sich auf das Discount Brokerage konzentrierte. Bis 2011 hat Sandler als Gründungspartner der W.V.M. Westfälische Vermögen Management AG entwicklungsfähige Unternehmensbeteiligungen identifiziert und sie nach Erwerb im Auftrag der Gesellschafter saniert und gemanagt.