Gründer! “Das BWL-Studium war schrecklich” – Matthias Henze von Jimdo

An sein “erstes Mal” im Internet erinnert sich Matthias Henze (Foto: Dritter von rechts) noch genau: Während eines Austauschjahrs in den USA schmissen die Gasteltern das Zwei-Vierer-Modem an und erhielten die kryptische Nachricht […]
Gründer! “Das BWL-Studium war schrecklich” – Matthias Henze von Jimdo
Mittwoch, 23. November 2011VonYvonne Ortmann

An sein “erstes Mal” im Internet erinnert sich Matthias Henze (Foto: Dritter von rechts) noch genau: Während eines Austauschjahrs in den USA schmissen die Gasteltern das Zwei-Vierer-Modem an und erhielten die kryptische Nachricht “You’ve got E-Mails from AOL!” So spannend wie für den damaligen Elftklässler ist das Internet für den heute 33-Jährigen noch immer. Zusammen mit zwei Mitstreitern betreibt er den Webseiten-Baukausten Jimdo (www.jimdo.com) und verhilft damit Menschen rund um den Globus zur eigenen Webseite. Bei Jimdo ist Henze der BWLer, allerdings “nicht so der typische”. Er ist zwar grob für die Bereiche Marketing, Vertrieb und Finanzen zuständig, aber eine richtig klassische Arbeitsteilung gibt es bei den drei Gründern nicht.

Vieles macht das Trio gemeinsam, jeder ist irgendwie überall involviert. Was anderswo auf Kontrollzwang oder Misstrauen hindeuten könnte, führt Henze bei Jimdo auf die tiefe Freundschaft zurück. Die drei kennen sich richtig gut: Ihr erstes “Büro” war auf dem Hof von Fridtjof Detzners Eltern, dem zweiten Mitgründer. Dort lebte das Dreiergespann, dem noch Christian Springub angehört, unter der Woche wie eine WG zusammen. Am Wochenende machte jeder was er will – Henze zieht es meist in die Lüfte. Segelfliegen und Paragliding im Sommer, Speed Flying im Winter. “Das Faszinierende ist der andere Blickwinkel, den man plötzlich hat.” Noch heute treffen sich die drei gerne auf dem Hof, wenn sie sich mal wieder zurückziehen wollen. Ruhe, keine Ablenkung, zusammen am Produkt feilen: Das geht in der Abgeschiedenheit besser als Mitten in Hamburg, wo das Team mittlerweile zusammen mit 80 Mitarbeitern haust und sich dabei immer noch fühlt wie in einer “großen WG”.

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“Gründer” gehörte eigentlich nicht zu den Berufswünschen von Henze, der in Göttingen aufwuchs. Als Kind stand Pilot zur Debatte und später eigentlich nichts mehr. “Vor Jimdo wusste ich nicht so genau, was ich machen sollte”, gibt er zu. Nach dem Abi brachten ihn Gespräche mit Bekannten auf die Idee, dass BWL ganz spannend sein könnte. War es aber nicht. “Das Studium war zu großen Teilen schrecklich. Absolut trocken und irrelevant”, erinnert sich Henze an die Zeit an der Universität Kiel. Ein bisschen was reißen die Praktika raus, die er bei Telekom, Fluxx und einer kleinen Unternehmensberatung absolviert. Vor allem bewahrt ihn aber ein Auslandsjahr an der schwedischen Universität in Göteborg, an der es sehr viel praxisbezogener zugeht, vor dem Abbruch. Und dann der Anruf von Fridtjof und Christian. Henze studiert mit Fridtjofs Bruder zusammen BWL, daher kennen sie sich. Über die Anfrage, ob er sich gemeinsam mit ihnen die Produktidee anschauen will, freut er sich riesig: “Es gibt einfach nichts vergleichbares als an der eigenen Idee zu arbeiten.”

Heute ist der 33-Jährige genau an dem Ort angekommen, an dem er immer sein wollte – auch wenn ihm das nie so bewusst war. “So einen tollen Job zu haben, bei dem ich mit einem super Team zusammen arbeite und jeden Tag Spaß an der Arbeit habe, hätte ich mir nie erträumt.” Mittlerweile gilt Henze auch über Jimdo hinaus als Internationalisierungs-Spezialist. Kein Wunder: Der Webseiten-Baukasten ist in elf Sprachen verfügbar, hat eine Niederlassung in den USA, Kooperationspartner in Japan und einige Mitarbeiter in China. “Es ist wichtig, dass die Internationalisierung mit in der DNA eines Unternehmens steckt. Wir haben die Expansion von Anfang an geplant und die Prozesse dementsprechend aufgebaut.”, erklärt Henze den Erfolg des Jimdo-Kurses. Am Anfang waren es ein paar Studenten, die das System übersetzten und den Support machten, dann sei man sukzessive gewachsen. “Das sind die wichtigsten Aspekte bei der Internationalisierung: Eine gute Übersetzung des Systems, muttersprachlichen Support und die Produktlokalisierung für den jeweiligen Markt. Das bedeutet zum Beispiel, Zahlungsvarianten unbedingt in der jeweiligen Währung und mit den jeweils akzeptierten Mitteln anzubieten.”

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Die größte Herausforderung liegt für Henze (Foto: Mitte) darin, persönlich mit dem Unternehmen mitzuwachsen und dabei den Spaß bei der Sache zu behalten. Bisher sei ihm das gelungen. Manchmal denkt er schon gerne an die Zeit auf dem Bauernhof zurück, als alles noch so überschaubar war. Nie hätte er gedacht, dass sie eines Tages einen Laden mit 80 Leuten führen würden. “Aber wir haben von Anfang an sehr auf die Atmosphäre und Firmenkultur geachtet. Deshalb macht es noch immer wahnsinnig Spaß.” Wer auf die Webseite von jimdo schaut, merkt sofort, wovon Henze spricht: Bei jimdo werden nicht nur sämtliche Mitarbeiter bis hin zu Praktikanten detailliert vorgestellt, sondern sogar deren Hunde. Nur auf Christian müssen Henze und Detzner mittlerweile verzichten, er leitet zur Zeit die Geschicke in den USA. Um so schöner, sich hin und wieder an die Zeit auf dem Bauernhof zu erinnern.

Im Fokus: Weitere Porträts über Netzmenschen gibt es in unserem Special Gründer-Porträts

Hausbesuch bei Jimdo

Im Oktober 2010 besuchte deutsche-startups.de den Baukasten-Lieferanten in seinem Altonaer Büro. Dort bewohnt das Team 750 Quadratmeter. Einen Kicker gibt es bei Jimdo nicht zu sehen, dafür allerlei Interessantes: an die Wand gepinnte Webseiten, einen Indoor-Garten mit Bewässerungsanlage und das Büro in Miniaturausgabe. Hier geht es zur Fotogalerie.

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Yvonne Ortmann

Seit Mai 2009 schreibt Yvonne für deutsche-startups.de Gründerportraits, Start-up-Geschichten und mehr – ihre besondere Begeisterung gilt Geschäftsideen mit gesellschaftlich-sozialer Relevanz. Sie tummelt sich auch im Ausland – immer auf der Suche nach spannenden Gründerpersönlichkeiten und Geschäftsideen.