Über Aufmerksamkeit – Kolumne von Thomas Clark

Vergangene Woche haben wir zum fünften Mal zur Bewerbung bei enable2start (www.enable2start.de) aufgerufen. Zum Anlass dieses kleinen Jubiläums habe ich einige Sieger der Vorjahre angerufen und diese gefragt, welcher Bestandteil unserer Initiative Ihnen […]

Vergangene Woche haben wir zum fünften Mal zur Bewerbung bei enable2start (www.enable2start.de) aufgerufen. Zum Anlass dieses kleinen Jubiläums habe ich einige Sieger der Vorjahre angerufen und diese gefragt, welcher Bestandteil unserer Initiative Ihnen rückblickend am meisten gebracht hat. Die 50.000 Euro? Die vielen tollen Kontakte zu namhaften Unternehmern und Investoren bei der Preisverleihung?

Mein Freund Friedrich (Schwandt), Gründer von Statista (www.statista.com), musste nicht lange überlegen. „Die Aufmerksamkeit, die wir dadurch bekommen hatten, eindeutig“, kam es wie aus der Pistole geschossen, obwohl ich ihn aus seinem sonntäglichen Mittagsschlaf im Urlaub geweckt hatte. „Weißt Du“, erklärte er, „anfangs hatten wir oft das Problem, das potenzielle Kunden und Geschäftspartner uns nicht einordnen konnten. Wir waren halt ein unbekanntes Start-up und wahrscheinlich fragten sich damals viele insgeheim, ob wir seriös genug sind und lange genug existieren würden.“

Mit enable2start hätte Statista eine Art „Gütesiegel“ bekommen, so Schwandt, zumal die Financial Times Deutschland und sehr namhafte Partner dahinter stünden. „Sagen zu können, dass wir Sieger der FTD-Gründerinitiative sind, hat es uns erheblich leichter gemacht, erfolgreich auf uns aufmerksam machen zu können und ernst genommen zu werden.“ (Dass Statista bei DS zum ‚Start-up des Jahres‘ gekürt wurde, hat bestimmt auch nicht geschadet.)

Nun müsst ihr wissen: Friedrich war schon vorher sehr gut vernetzt. Als ehemaliger Berater bei Boston Consulting und Inhaber einer eigenen Beratungsagentur (www.lsp.de) kennt er viele Entscheider. Zudem ist er einer der besten Verkäufer, die mir jemals untergekommen sind. Dass selbst ein Typ wie er einen „externen Schub“ in der Startphase der Gründung gebrauchen konnte, zeigt, wie brutal der „Kampf um Aufmerksamkeit“ heute geführt wird.

Selbstverständlich kenne auch ich diese Herausforderung. Als kleiner Mini-Unternehmer mit einer eigenen Agentur (Ambo Media) und sogar als Berater und externer Projektleiter bei einer sehr starken Marke (der FTD), musste und muss ich mir die Aufmerksamkeit von Menschen, mit denen ich Geschäftsbeziehungen anbahnen möchte, häufig „erkämpfen“. Aus meiner Sicht sind diese Kämpfe ein guter Test, ob man das Zeug zum Gründer und Unternehmer hat. Denn von einer Sache bin ich überzeugt: Selbstläufer, bei denen die Kunden oder Geschäftspartner quasi automatisch Schlange stehen, gibt es nicht und hat es nie gegeben. Jeder noch so legendäre Unternehmer musste irgendwann in seiner Karriere seine Gemütsgrenze stark beanspruchen, um ausreichend Aufmerksamkeit zu bekommen. Glaubt bloß keine Mythen über Zufallserfolge, wo der Applaus angeblich automatisch gekommen ist.

Wenn es darum geht, die Aufmerksamkeit von Geschäftskunden und Geschäftspartnern zu ergattern, rate ich Euch Folgendes: Erstens, versetzt Euch vorab in die Situation des anderen und überlegt intensiv, was Eurem Gegenüber gerade wichtig sein könnte und ihn bewegt. Das hilft ungemein, Eure Ausganglage und die Erfolgschancen einschätzen zu können. Zweitens, kommuniziert kurz und klar. Sagt in Eurem E-Mail-Entree explizit, was ihr wann wollt – ein Telefonat am Tag X, ein Meeting bei einem nächsten Besuch in der Stadt oder etwas anderes. Drittens, achtet darauf, auch in diese Kurzkommunikation ausreichend Charme oder Humor einzubauen. Ein fröhlicher und freundlicher Ton kommt immer besser an als Militärjargon, vor allem beim ersten Kennenlernen. Viertens, sucht Euch Kollegen, Freunde oder Familienmitglieder, um Eurem Ärger über unbeantwortete E-Mails oder Rückrufbitten Luft zu machen. Ärgert Euch ungefiltert und zügellos – das befreit. Sucht keine Entschuldigungen für Euer Gegenüber, wenn Euer Bauchgefühl oder Eure Erziehung das nicht zulassen, zumal gilt: Gar nicht zu reagieren, ist unhöflich, basta. Fünftens: Seht den Kampf um Aufmerksamkeit spielerisch und sportlich. Wenn ihr Euren Ärger regelmäßig heraus lasst, könnt ihr danach wieder mit positiver Energie weitere E-Mails schreiben, Anrufe tätigen oder Meetings absolvieren. Sechstens, setzt Euch Follow-up-Deadlines, deren Frequenz stetig bleibt oder mit jedem Mal kürzer wird. Bleibt bei jedem Nachhaken freundlich im Ton, solange Euch der andere in seiner Reaktion (wenn er denn endlich reagiert) nicht aktiv einen Grund gibt, sie abzulegen. Gar keine Reaktion wird mit dauerhaft freundlichem Nachhaken „bestraft“.

Warum ich Euch zu so einer Penetranz rate? Ganz einfach: Auf diese Art könnt Ihr Eurem Gegenüber deutlich machen, dass Ihr wirklich seine (und nicht irgendeine) Aufmerksamkeit sucht – und bereit seid, darum zu buhlen.

Manche halten das auch im Privatleben für eine gute Taktik, doch bei mir ist es genau umgekehrt: Ich halte das bei Gefühlsbeziehungen für komplett sinnlos, bei Geschäftsbeziehungen hingegen für unabkömmlich. Warum? Weil es bei der einen Sache um Liebe und Zuneigung geht, bei der anderen hingegen um Deals und Standhaftigkeit.

Deshalb sind die besten Gigolos meist die schlechtesten Gründer.

Und umgekehrt.

Zur Person
Thomas Clark heißt irgendwie britisch, spricht irgendwie österreichisch und lebt in Hamburg. Er betreut die Gründerinitiative enable2start (www.enable2start.de), bei der sich Gründer derzeit bewerben können. Thomas ist Gründer und Geschäftsführer von Ambo Media, einer Agentur für die Entwicklung und Umsetzung von Kommunikationskonzepten aller Art – von Zeitschriften über Websites bis zu Social-Media-Applikationen. Der gebürtige Wiener war zuvor Redakteur, Korrespondent und Leiter Unternehmensentwicklung der Financial Times Deutschland.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.