“Wir haben eine konsequente Ausrichtung auf Europa beschlossen” – Verena Delius von Panfu im Interview

Tag für Tag beschäftigt sich Verena Delius mit Pandas und anderen Tieren. Seit Herbst des vergangenen Jahres steht die ehemalige scoyo-Mitarbeiterin an der Spitze von Young Internet, der Betreiberfirma der beiden Kinderdienste Panfu […]
“Wir haben eine konsequente Ausrichtung auf Europa beschlossen” – Verena Delius von Panfu im Interview
Montag, 24. Januar 2011VonAlexander Hüsing

Tag für Tag beschäftigt sich Verena Delius mit Pandas und anderen Tieren. Seit Herbst des vergangenen Jahres steht die ehemalige scoyo-Mitarbeiterin an der Spitze von Young Internet, der Betreiberfirma der beiden Kinderdienste Panfu (www.panfu.de) und Oloko (www.oloko.de). Aktuell registieren sich pro Tag rund 15.000 neue Mitglieder bei den Spiel- und Lernwelten. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht die Geschäftsführerin über valide Daten, die richtige Unternehmenskultur sowie Wachstums- und Lernkurven junger Unternehmen.

Seit September stehen Sie an der Spitze von Panfu bzw. der Betreiberfirma Young Internet. Was für ein Unternehmen haben Sie im Herbst des vergangenen Jahres vorgefunden?
Ein Unternehmen mit viel Herzblut, Motivation und Kundenverständnis, welches zu schnell gewachsen war und Schwächen in den Bereichen Controlling und Strategie hatte und daher sehr chaotisch war.

Inwiefern chaotisch?
Es wurden viele Themen operativ umgesetzt, aber es fehlten eine saubere Planung und ein effizientes Controlling. Dadurch dass man vieles gleichzeitig aufgesetzt hat, ging die Schnelligkeit zu Lasten der Sorgfalt.

Zuletzt haben Sie den Vertrieb bei der Lernwelt scoyo aufgebaut. Mussten Sie lange überlegen, ob sie den Job bei Young Internet annehmen?
Nein, meine Entscheidung war schnell klar. Das Thema und das Unternehmen haben mich sehr gereizt. Die Kombination aus Internet, einem sicheren und spielerischen Produkt für Kinder, hervorragenden Mitarbeitern und einem funktionierendem Business-Modell hat mich überzeugt.

Sie sind nun das offizielle Gesicht von Panfu. Was machen die Gründer Moritz Hohl und Kay Kühne jetzt?
Moritz Hohl ist nach wie vor aktiv als Co-Geschäftsführer an Bord und treibt das Unternehmen insbesondere im Bereich mobile Strategy voran. Kay Kühne hat Young Internet Ende Oktober auf eigenen Wunsch verlassen und sich eine Auszeit genommen.

Jetzt sind Sie ja schon einige Monate bei Panfu aktiv: Was waren ihren wichtigsten Aufgaben bislang?
Meine wichtigste Aufgabe bisher war es, eine valide und konsistente Datenlage im ganzen Unternehmen aufzubauen, um eine bessere Grundlage für Entscheidungen zu haben. In der Vergangenheit ist vieles aus dem Bauch heraus entschieden worden. Nun ist unser primäres Ziel, dass wir uns mit allen Themen, besonders in den Bereichen Finance, Controlling, Tracking und Business Intelligence auf valide Daten verlassen können. Außerdem zählte zu meinen Hauptaufgaben, eine Unternehmenskultur aufzubauen, die uns zu etwas Besonderem macht und uns nicht in der Vielzahl von Internetunternehmen untergehen lässt. Das ist selbstverständlich noch ein langer Weg, aber der Anfang ist gemacht.

Was machen viele Internetunternehmen in puncto Unternehmenskultur falsch?
Viele Internetunternehmen und besonders Start-ups sind so mit ihrem Wachstum beschäftigt, dass wenig Zeit für Personalentwicklung, Unternehmenskultur und Mitarbeiterzufriedenheit bleibt. Diese Themen kosten Zeit und Geld und liegen daher gerade in der Anfangsphase von Start-ups nicht im Fokus. Der Wert von Employer Branding sowohl nach innen als auch noch außen wird deutlich unterschätzt.

Haben Sie auch schon den gerade vollzogenen Relaunch (siehe Screenshot) in die Wege geleitet, oder gab es diese Pläne bereits vorher?
Den Relaunch haben wir praktisch in meiner ersten Woche angeschoben, da er uns besonders wichtig war. Wir haben mit dem Relaunch viele Baustellen gleichzeitig geschlossen: Wir sind mit der neuen Website transparenter und glaubwürdiger geworden und nehmen unsere Verantwortung als Anbieter eines Online-Produkts für Kinder ernst. Außerdem beziehen wir die Eltern viel stärker mit ein, denn ein Internetangebot für Kinder kann nur erfolgreich sein, wenn man es schafft die Kinder zu begeistern und die Eltern zu überzeugen. Des Weiteren haben wir einen großen Fokus auf die konsequente Optimierung der relevanten Conversionprozesse wie Registrierung und Kaufprozess gelegt und sind gerade dabei das Tracking zu überarbeiten. Jeder Marketing-Euro, den wir in Zukunft ausgeben, soll bestmöglich konvertieren.

Panfu ist längst auch in vielen, anderen Ländern aktiv: Wo kommt Ihre Kinderwelt gut an, wo besteht noch Nachholbedarf?
Panfu ist in zwölf Ländern aktiv und kommt besonders gut in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Skandinavien und den Niederlanden an. In den anderen europäischen Ländern haben wir Nachholbedarf, da wir uns zu stark auf die Internationalisierung und zu wenig auf die tatsächliche Bearbeitung der existierenden Märkte konzentriert haben. Das ändern wir jetzt und haben eine konsequente Ausrichtung auf Europa beschlossen. Deswegen haben wir in den vergangenen Wochen Brasilien, die Türkei, den arabischen Raum und Russland geschlossen, da diese Länder nicht zur Kernstrategie passen und deutlich hinter unseren Erwartungen zurück geblieben sind.

Koordinieren Sie alle Auslandsableger über die Zentrale in Berlin, oder gibt es Mitarbeiter vor Ort?
Wir koordinieren alle Kernfunktionen des Unternehmens wie IT, Gamedesign, Graphik und Marketing aus Berlin. Vor Ort in den Ländern sitzen lediglich die Moderatoren des nationalen Chats. Insgesamt arbeiten 42 Festangestellte, 7 Praktikanten sowie circa 90 weitere Freelancer, die europaweit für uns tätig sind, für Young Internet.

Neben Panfu gehört auch Oloko zum Unternehmen. Wir grenzt sich diese Plattform von Panfu ab?
Oloko ist ein Strategiespiel für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren, bei dem es darum geht, Gärten und Häuser zu erschaffen und zu pflegen, Äcker zu bestellen, Obst und Gemüse anzubauen, zu ernten, zu tauschen und verschiedene Berufe auszuüben. Panfu hingegen ist eine Pandawelt, in der die Kinder mit ihren Freunden chatten, spielen, lernen, gemeinsam Rätsel lösen, ihren Panda und ihr Baumhaus stylen, Parties feiern und ins Kino gehen.

Gibt es Pläne auch Oloko zu internationalisieren?
Oloko ist bisher nur in Deutschland aktiv und wird bis April einem kompletten Relaunch unterzogen. Alle Optimierungen, die wir jetzt bei Panfu umgesetzt haben, werden bei Oloko nachgezogen. Außerdem werden weitere wichtige Spielfeatures umgesetzt, die das Spiel komplettieren. Ab Anfang Mai ist Oloko damit erstmalig in Deutschland vermarktungsfähig. Die Internationalisierung innerhalb Europas ist für Mai bis September geplant. In dieser Zeit werden wir Oloko in mindestens fünf weitere Länder ausrollen.

Sind daneben weitere Spielwelten geplant?
Ja, definitiv. Young Internet soll eine Dachmarke für clevere und spannende Online-Welten für Kinder werden. Dabei müssen aber nicht alle Welten Browser-basiert sein. So bringen wir Ende Februar unsere erste Iphone App an den Markt und arbeiten an weiteren Produkten für die mobilen Plattformen.

Wer sind in Deutschland die wichtigsten Konkurrenten?
In Deutschland haben wir nicht wirklich Wettbewerb, wenn man jemanden sucht, der ein ähnliches Produkt anbietet. Aber wir konkurrieren natürlich mit vielen anderen Anbietern um die Aufmerksamkeit und Zeit der Kinder und um das Budget der Eltern. Hier sind Fernsehsender, Spieleportale, Box-products und Communities alles potentielle Wettbewerber für uns.

Und was, wenn Club Penguin, das Vorbild für Panfu, doch irgendwann nach Deutschland kommt?
Wenn man der Gerüchteküche glaubt, dann ist das sogar sehr wahrscheinlich, dass das bald passieren könnte. Das ist aber nichts wovor wir Angst haben, da es häufig sogar das Geschäft beflügelt und den Markt größer macht, wenn mehrere Unternehmen ein Marktsegment bearbeiten. Außerdem haben wir uns seit der Gründung vor drei Jahren deutlich von Club Penguin differenziert und werden auch weiterhin unseren eigenen Weg gehen. Wir sind starken Wettbewerb aus vielen europäischen Panfu-Ländern gewohnt und behaupten dort unsere Marktposition trotz oder gerade wegen des Wettbewerbs sehr gut.

Neben Panfu und Oloko gab es von Young Internet auch einmal Bollykids, eine Kinderwelt, bei der der Zugang über Stofftiere, die man erwerben musste, funktionierte. Woran ist dieses Konzept gescheitert?
Wir haben Bollykids im September geschlossen, weil es wirtschaftlich nicht erfolgreich war. Die Schließung von Bollykids war für uns intern der Startschuss dafür in Zukunft nur noch Projekte voranzutreiben, welche unserem Anspruch an Qualität, Glaubwürdigkeit und Wirtschaftlichkeit genügen. Und die Schließung war der Beginn einer konsequenten Fokussierung all unserer Aktivitäten auf Panfu und Oloko in Europa.

Bei Panfu und Oloko setzen Sie auf kostenpflichtige Premiummitgliedschaften. Welche weiteren Einnahmequellen haben Sie?
Neben den Premium-Mitgliedschaften finanzieren wir uns über die Vermarktung von Werbeflächen im nicht-kostenpflichtigen Bereich und über Mikrotransaktionen, mit denen man einzelne Kleidungsstücke oder Einrichtungsgegenstände kaufen kann

Wie viele der Nutzer greifen zur Premiummitgliedschaft?
Wir veröffentlichen im Moment noch keine Zahlen zu Umsatz, Profitabilität und Conversion Rates. Fakt ist aber, dass wir im Vergleich zu 2009 den Umsatz um 100 % gesteigert haben und im Dezember 2010 zum ersten Mal im letzten Jahr profitabel gewirtschaftet haben.

Im Sommer 2009 hatte Young Internet aber doch schon einmal verkündet, dass das Unternehmen profitabel arbeite. Wirtschaftete Young Internet danach nicht mehr profitabel und jetzt wieder?
Es stimmt, dass Young Internet im Sommer 2009 profitabel war. Danach hat man sich für eine aggressive Wachstumsstrategie zu Lasten der Profitabilität entschieden. Zukünftig wollen wir konsequent eine gesunde Balance zwischen Wachstum und Profitabilität erreichen.

Nicht immer lief bei Young Internet alles glatt, einmal musste sogar die Notbremse gezogen werden: Ist das Start-up in der Anfangszeit zu schnell gewachsen?
Das Start-up hat die typische Wachstums- und Lernkurve vieler junger Unternehmen hinter sich. Am Anfang wird häufig dem Wachstum vieles – manchmal sogar alles – untergeordnet und Controllingmechanismen, Strukturen und Prozesse sind eher lästig. Irgendwann stößt das schnelle Wachstum an seine Grenzen und es beginnt eine Konsolidierungsphase mit Kurskorrekturen, Kosteneinsparungen und Entlassungen. Das Ziel muss es nun sein, aus den Fehlern, die gemacht wurden zu lernen und das durchaus sehenswerte Fundament von Young Internet zu nutzen, um kontrolliert, gesund und erfolgreich weiter zu wachsen. In 2011 planen wir den Umsatz gegenüber Vorjahr bei relativ konstanten Kosten zu verdoppeln. Das ist durchaus realistisch.

Wo steht Young Internet in einem Jahr?
Young Internet ist heute in einem Jahr der Marktführer in Europa in Bezug auf aktive User in der Kinder-Zielgruppe 6 bis 14 Jahre. Es ist ein profitables Unternehmen mit zwei starken Marken – Panfu und Oloko -, welches Kinder ernst nimmt, Spaß macht, Eltern überzeugt und auf das die Mitarbeiter stolz sind.

Zur Person
Verena Delius wirkt seit September 2010 als Geschäftsführerin von Young Internet, der Betreiberfirma der beiden Kinderwelten Panfu und Oloko. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität St.Gallen verantwortete Delius bei der Partnervermittlungs-Plattform be2 als Regional Manager den gesamten deutschsprachigen Markt und baute anschließend den Vertrieb bei der ehemaligen Bertelsmann-Beteilung scoyo auf, einem Lernportal für Kinder im Internet.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.